plaetzchenwolf - Der Krämer 10. Teil



Vivarium Seite 9


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Ihr meint, das Feuer sei ausgegangen? Aber es hat nur die Scheiter verbrannt, und selber brennt es stets irgendwo.
Seht, mit dem Leben ist es ebenso!

Dschuang Dsi

***

Die Taufe.

Das seltsame Wägelchen hatte viele Bewunderer- die ganze Besatzung kam vorbei und lachte.
Überhaupt hat man oft gelacht in dieser "Fürstlichen Poststation",
die bei allen immer nur Freihof genannt wurde, auch von den Dorfbewohnern.
Daran konnte auch die Obrigkeit nichts ändern- wenn das Volk einmal was "gefressen hat", dann bleibt das Jahrzehnte so.

Die Geburt des Kindes war schwer, sehr schwer- die Hebamme hat Marga zu Hilfe gerufen-
gemeinsam haben sie die .. Zwillige geholt und die junge Mutter gerettet -
durch die Tätigkeit im Gaststättengewerbe war die Marga an Reinlichkeit eher gewöhnt,
erst recht als die Hebamme, die schon als fortschrittlich galt.
Knapp war das allemal, knapp am "Kindstod" vorbei, wie man den plötzlichen Tod junger Mütter -meistens mit dem Kinde- nannte.
Nun war das Kräuterwissen doch sehr nützlich gewesen und alle im Dorf bekamen das mit..

Der Pfarrer wollte dabei sein, er ist aber zusammengebrochen und mußte gesondert versorgt werden-
leichenblaß hockte er da, ein Bild des Jammers.
Diesmal hatte Marga den beinharten Kräuter - Schnaps in ihrer Schürze dabei- wie praktisch!
(Eigentlich war dieses Zeugs zum Händereinigen gedacht gewesen- aber was solls?)
Dabei kam ihr der Gedanke, diesen Schnaps selbst herzustellen,
was damals einfacher als heute war- nur eine Genehmigung vom fürstl. Kämmerer und schon durfte gebrannt werden.
Es wird sich schon irgendwo so ein Apparat auftreiben lassen, dachte sie bei sich-
das nötige Wissen dazu ist auch noch zu erwerben, da man mit dem Fuselöl aufpassen muß.
Einfacher wird es, wenn der Schnaps fertig geliefert werden würde
und nur noch der Kräuteransatz seine Zeit darin ziehen muß..
man wird sehen.
Zu viele Standbeine sind des Hasen Tod, sagte Johann dazu-
und dann die hohen Brenn-Steuern!

Das Frühjahr kam, die Taufe wurde gehalten, die beiden Knäblein sollten nun Berhard und Brunhold heißen.

Viel hatte man mit dem Dorf und auch mit der Pfarrersfamilie nicht zu tun,
bis auf gelegentlich Einkäufe der Lilie im Laden
und gelegentliche Gegenbesuche in der Kirche tat sich nicht viel.
Der Freihof war und blieb außen, er war ja auch räumlich vom Dorf und dem Dorfgeschehen getrennt.

Das hat dem reichhaltigen Leben in und um diese Fürstliche Poststation keinen Abbruch getan-
im Gegenteil. Nun kamen auch noch Apotheker um verschiedene Kräuteransätze zu kaufen.
Nach ausführlicher Anleitung durch Marga
haben Ursel und Karl sich ihr Taschengeld durch Kräutersammeln verdienen können.
Kräuter sind wertvoll und.. teuer.
Die Beiden waren schlau genug zu sparen - sie wollten auf jeden Fall die höhere Schule besuchen.
Der Pfarrer bestärkte sie darin und half, wo er konnte.

Nun ging die Zeit immer weiter, wie sie das schon immer tat, sie ging über gerechte und ungerechte Herrscher,
über gerechte und ungerechte Schulzes hinweg, aber auch über die Land und Leute.
Ein neuer Krämerladen ließ sich im Dorf nieder- die Bäcker und Metzger lieferten ihre Waren lieber dorthin,
die Reisenden aber, die kauften gerne auf dem Freihof- die Kutsche hielt nicht im Ort.
Nun waren weder Wurst, Fleisch- noch Backwaren in Johanns und Irmes Laden zu finden - nur noch das,
was sie selbst produzierten: Hühner, Eier, Gänse, Schafe.
So starb der Geschäftszweig "Lebensmittel" langsam, aber sicher weg.
Nach und nach war Johanns Laden nicht mehr fein genug, die Geschäfte gingen schleppend.
Bald gab man den Laden auf
und machte aus dem großen Tennen-Raum ein gemütliches großes Wartezimmer für die Reisenden.
Mit vielen Fenstern darin und Vorhängen und rundum gehenden Sitzbänken, vielen Tischen,
die nach Belieben positioniert werden konnten.
Noch ein paar Stühle und Tischdecken und Lampen..
Kaffee und etwas Kuchen, Speisen aller Art wurden angeboten- aus der alten Gaststube hatten Marga und Erwin
eine große Küche und -- ihre neue Wohnung eingerichtet.
Ein paar Wände und Türen und schon konnte umgezogen werden.
Die Treppe vor der ehemaligen Gaststube, hinter der Haustüre-
in die oberen Räume wurde abgerissen, die Lücke im Boden geschlossen.
Im Dachgeschoss - Giebel zur Tenne wurde ein Durchgang gebrochen-
So hatte man zwei Reihen kleinerer Zimmer für Gäste zur Verfügung:
10 Zimmer, - sechse nach "hinten", nach vorne hinaus zur Strasse vier etwas größere.
Die Treppe von der unteren Tenne wurde der neue Zugang nach oben -
über einen langen schmalen Flur zwischen und zu den Zimmern.
Die Einrichtung war einfach, aber zweckmäßig und bequem genug,
jedes Zimmer bekam ein eigenes kleines Fenster- was damals nicht selbstverständlich war.
Das wurde alles mit eigenen Leuten
-freilich half auch diesmal wieder der Herrmann mit- gemacht und kostete nicht viel.
Überhaupt hatte man sich angewöhnt, daß der Schmied und Herrmann mit zur Familie gezählt wurden..
Ganz neu waren damals die Reihe von vier Außentoiletten, die hinter der Scheune angebaut war.

Die restlichen Waren aus dem Krämerladen hat man auf dem Markt verkauft,
desgleichen das Kaufmannszubehör und die Kelter und die Fässer und die Steintöpfe.
Johann war es schon ein wenig bange, das ist nun mal so, wenn man sich von liebgewordenen Dingen trennen muß.

Die Fassade des Anwesens wurde davon einheitlich neu verkleidet,
so daß das Gebäude wie aus einem Guss wirkte.
Die selbst produzierten landwirtschaftlichen Güter konnten gut in der Küche des Gasthauses verwendet werden,
der Umsatz des Gastgewerbes war so gut, daß nichts von den Lebensmitteln auf dem Markt veräußert werden mußte.
Im Gegenteil - von außerhalb kamen Metzgerwaren und Bäckerwaren in Anlieferung,
jeder war froh, wenn er zum Lieferantenkreis zählen durfte:
Lieferant der Fürstlichen Poststelle !

Margas Eltern rüsteten schon für ihr Altenteil, die Arbeit war ihnen schon zu schwer geworden.
Der kleine Hof der Alten (Kräuterfrau, der Gönnerin) wurde angebaut mit einem kleinen Altensitz,
den Margas Eltern bezogen - von nun an waren sie nur noch Helfer,
wenn Not am Mann war oder sie sich so gut fühlten, helfen zu können.
Die schwere Arbeit als Knechte auf dem Allmendhof und die kalten Räume dort hatten ihre Spuren hinterlassen.
Ganz ohne Frage, es war eine harte Zeit für die Beiden.

Nun zogen Irme und Johann in das alte Bauernhaus und versorgten
-unter Anleitung von Margas Eltern- die Tiere und die Landwirtschaft,
soweit man das so nennen konnte.

Für beide Paare begann eine beschauliche Zeit in dem alten Bauernhaus,
Marga hatte mehr Zeit für ihre Käuter, Johann mehr Zeit für seine Geschäfte mit Jeremia.
Der einstige Freihof ist nun ganz zur Fürstlichen Poststation oder Relais-Station mit Gasthaus geworden,
das diesen Namen wieder verdiente- endlich konnten die Gäste über Nacht bleiben,
nicht alle waren eilige Kutsch-Reisende,
es waren viel mehr zu Fuß oder mit dem Esel oder Handwagen unterwegs in diesen Zeiten.

Der neue Freihof war nun das Bauernhaus, die Idee schwebte aber immer über dem ganzen Anwesen.

Die Lehrlinge beendeten ihre Ausbildung, Hilfskräfte aus dem Dorf fingen an,
sich für die Arbeit in der Schmiede und in der Station
und in der Gaststube zu interessieren.
Vier Helfer aus dem Dorf und der Schmied waren dort immer beschäftigt,
zu den beiden Arbeitgebern, dem Erwin und der Marga kamen noch die zwei Kinder, die in dem Gebäude wohnten.
Die Enkel waren meistens bei den Alten im Bauernhaus- dort waren schließlich so viele Tiere und ..
sie fühlten sich etwas weniger bevormundet.
Die große Freiheit für Kinder?
Auch hier mußte gelernt werden- ganz ohne Frage.

Die Station gedieh prächtig, man war sehr zufrieden damit und so war eigentlich immer "volles Haus".
Eine vollkommen andere Welt zu dem Hinterhaus, das ein ganzes Eck weg lag,
eben über zwei große Wiesen hinweg.
Mit seiner Lage zwischen den eigenen weiten Wiesen
war dieses Bauernhaus nochmal einsamer geworden, als es schon immer war.
Von hektischer Betriebsamkeit konnte in keiner Weise die Rede sein.
Hier hörte man nur den Hahn auf dem Mist, das Gegackere der Hühner-
von allen anderen Tieren hat man sich getrennt,
ein wenig "spezialisiert" hat man sich, würde man heute sagen.
Fleischproduktion war nicht mehr nötig, weil aus anderen Dörfern und auch wieder von Metzger aus dem Dorf-
der reumütig besonnen anfragte-
mehr als genug günstige Angebote angeliefert wurden, ohne daß jemand danach fragen mußte.
Desgleichen kamen Bäcker von überall her um ihre Waren feilzubieten.
Ebenso andere Lebensmittel,- Wein, Gemüse und Obst,
was durch fahrende Händler verkauft wurde.

Das Leben an einer so bekannten Fern-Straße von Nord nach Süd
aus dem Mainzerischen bis nach Paderborn
hatte einige Vorteile,
zumal unweit eine ebensolche Fernstraße von West nach Ost verlief-
Von Köln ueber Altenkirchen bis ins Marburger Land bis zum fernen Wittenberg, der Lutherstadt.
Unweit südlich von dieser Kreuzung verlief die Fernstraße von Koblenz ueber Montabaur bis zu dieser Kreuzung war es nicht weit von hier.

Die Sogwirkung dieser Poststation ging viele Mailen weit nach allen Seiten ins Land,
zumal die Kutschen die Relais-Stationen angewiesen bekamen -
sich aber die besten oder günstigsten aussuchen konnten.

Der Steuereintreiber war es zufrieden, die Bewohner und auch die Gäste hatten eine gute Zeit.

Soldaten hielten sich zurück-
mit einer Fürstlichen Poststation wollte man sich lieber doch nicht anlegen.

Bald kam die nächste Überraschung auf Marga und Erwin zu-
Es wäre ja ein Wunder gewesen, wenn mal eine Weile keine neuen Dinge gekommen wären..
Alles fing -wieder einmal- mit einer Depesche an,
feierlich versiegelt und mit berittenem Boten gebracht.
Das sollte auf dem nächsten Familienrat abgehandelt werden.
Bis dahin wurden die Gäste bevorzugt bedient und umsorgt, man hatte alle Hände voll zu tun.


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*** Nachgetragen ***

"Die letzten Zeugen der alten Zeit"

























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