plaetzchenwolf - Der Krämer 6. Teil



Vivarium Seite 5


Button

Krankheiten befallen uns nicht aus heiterem Himmel, sondern entwickeln sich aus täglichen Sünden wider die Natur.
Wenn sich diese gehäuft haben, brechen sie unversehens hervor.

Hippokrates

***

Der Freihof. (Der Krämer 6. Teil)
Das Kind der Marga und des Erwin wurde in einer Nachbargemeinde getauft, was schwierig genug war.
Das Urselchen wurde zur Freude aller und war allseits beliebt, ihm folgte im nächsten Jahr ein kleiner Karl nach..

Die jungen Eltern waren gut ausgelastet, die Marga machte die Gaststätte, eher als "Schnellimbiss", wie man heute sagt.
Man könnte sagen, es war der erste Schnellimbiss weit und breit.
Noch immer lieferten - mit gutem Erfolg - der Ortsmetzger und Ortsbäcker ihre Waren zum Laden_

" Relais - Station Freihof Laden und Gaststätte. "

Den Namen "Freihof" gab Johann in spitzbübischer Absicht,
denn ein vom Landesherren genehmiger "freier Hof" war das freilich nicht,
sie waren aber so frei, ihre Abgaben zu entrichten
und frei ihrem Gewerk nachzugehen, wie es ihnen gutdünkte.
Ohne sich um den Pfarrer und dessen "Konventionen" kümmern zu müssen.

Dann kam die Zeit, als die ersten Flüchtlinge durch die Lande zogen, sie kamen von Frankreich,
wo sie vertrieben wurden - wieder einmal Ungerechtigkeit wegen des Glaubens.
Über Köln kamen sie gezogen, ein paar Westerwälder, die gerade auf dem Weg nach Hause zu ihren Familien waren,
zeigten den Weg und begleiteten den Trupp ein Stück- sie wollten in den Taunus,
es waren Hugenotten, evangelische Christen, wie sie sagen.
So kam der Schnellimbiss gerade recht - die Gaststube war rappel voll, es wurde mitgebrachter Wein getrunken,
den man im Westerwald nicht kannte.
Mit Wegzehrung aus dem Laden der Irme und des Johann ging es weiter in den Taunus-
mitten durch den Ort als wundersamer Zug, bis sie in der Ferne verschwanden..

Ein seltsames Schicksal, meinte Johann zur Marga, die gerade Gemüse aus dem Laden für die Küche holte-
wegen seines Glaubens flüchten zu müssen, halte ich für seltsam.
Dabei hat sich der Pfarrer nicht gezeigt, die Fenster blieben zu, die Kirche verschlossen.

Für den Johann war das ein willkommener Anlaß direkt aus Köln Wein kommen zu lassen,
den er fortan in seinem Laden präsentierte.
Das war weit und breit einmalig und sprach sich bald in der Runde der Reisenden, bald auch im Fürstensitz herum.
Badische, Frankfurter und Rheinische Weine, sogar welche aus Frankreich waren in den Kisten.
Immer war auch Gemüse bei den Lieferungen dabei, das ziemlich bestaunt wurde von allen Reisenden.
Marga fing mit jungem Geflügel, das eine Idee ihres Vaters war, eine Art Hähnchenbraterei an.
(Dieses wurde in siedendem Fett gebrutzelt- was auf der hinteren Seite des Gasthauses
auf einem der Küche angebauten kleinen Balkon geschehen mußte-
wegen der Dampfentwicklung.)
Das sprach sich auch im Dorf herum - oder sollte man sagen, es roch sich herum?
Gut 60ig Jahre später kam die Kartoffel in diese Gegend- über Holland,
von rückkehrenden Soldaten mitgebracht.
Bis dahin war die ganz neue Topanimbur, ein Sonnenblumengewächs als Knolle, ein Vorläufer dieses Nachtschattengewächses "Kartoffel" auf den Speisekarten,ganz frisch aus Frankreich, aus Paris importiert worden.
Das war schon sensationell - besonders hier im fast weltfernen kalten Westerwald !
Kohl aus der Wetterau ließ sich dennoch viel besser verkaufen, genau wie Möhren und Gurken oder Kohlraben.
"Was der Bauer nicht kennt, frißt er nicht"
Ein altes Sprichwort bewahrheitet sich jeden Tag und nicht nur bei Bauern ..

Inzwischen krabbeln die beiden Enkel überall herum, sie sind neugierig und aufgeweckt, die schiere Freude aller.
Anne schreibt aus Köln, daß sie gut voran kommt und eine weitere Ausbildung zur Modeschneiderin machen will,
die von ihren Lehr-Leuten vorgeschlagen wurde.

Rudolf wird auch schreiben - er hat sich wieder einmal umorientiert und ist nach Amsterdam gezogen,
wo er nun in einer Feinbäckerei arbeitet- weder das Konditorgeschäft noch die Tochter waren nach seinem Geschmack.
Schon damals waren die Handelswege auf dem Rhein und auf dem Landweg mit Holland fleißig zugange,
Handel und Wandel blühten mit der wachsenden Bevölkerung beider Länder auf.

Der Umsatz stieg langsam, aber beständig, die Lauf- oder besser Wanderer- oder Kutschenkundschaft hielt gerne an.
Die meisten haben nur geschwind eine kleine Schüssel steife Suppe gegessen oder einen Hühnerschlegel und ein Stück Brot -
manche aber schauten in den Laden und nahmen eine Flasche Wein mit
oder ein paar Bonbons oder gar Pralinen für Kind und Frau.

Eines Tages hielt ein feiner Vierspänner mit lautem Horn -
was denn, die Postkutsche ist doch schon längst durch, fragte sich Erwin, der gerade ein Rad vom Schmied geholt hatte..
Räder gingen schon mal entzwei, die Relais-Station hatte immer mehrere vorrätig,
wie auch Zaumzeuge und alles was so gebraucht wird..
Es war die Kutsche des Herren, aber mit ein paar Damen des Hofstaates beladen,
die sich die Beine vertreten wollen-
die Pferde waren noch nicht verbraucht, mußten noch nicht gewechselt werden-
ein wenig Wasser und Futter bekamen sie immer.

Bimm- bimm- die Damen kamen in ihren feinen Kleidern in den sehr einfachen Land-Laden und schauten sich neugierig um.
Ein Lakai klatschte in die Hände und rief: Bediensteter, herbei !
Johann füllte gerade Speiseöl um in die kleineren Gefäße, Irme stellte den Kaffee auf den Tresen und saubere Becher dazu.
Darf es den Herrschaften ein Kaffee sein, mit Milch oder Sahne - mit oder ohne Kluntjes?
(Diese groben Kristalle kamen aus Holland, aus Amsterdam namentlich- unschwer zu erraten, daß der Rudolf die Quelle war)

Nein, nein, wir wollen uns nur ein wenig umsehen- ach wie einfach doch die Untertanen leben und doch sind sie nützlich,
meinte eine der feinen Damen zur anderen, sich verschämt das Schnupftuch vor den Mund haltend.
Oh, was sehe ich da? Tee aus Sri Lanka und Kluntjes aus Holland, wie kommt denn das hier in den Westerwald?
Tja, meinte Irme, wir haben Kinder, die wir selbst groß gezogen haben und nun sind die in Köln und in Amsterdam..
..wie ihr hohen Leute vielleicht noch nicht wißt, wir haben eine Relais-Station, das bringt die Kutschen zur Rast.

"O Gott, wie furchtbar, soupe de legumes" flötet die andere Dame-
Ja, sagte Johann, wir sind einfache Leute und wir sind das gerne, wir werden immer einfach bleiben-
So ist Gemüsesuppe bei uns immer gut angeschrieben.
Das glaube ich gern, schmunzelt der Lakai und nahm sein Monokel, um das Etikett einer Weinflasche zu lesen-
Wein aus Trabentrarbach, eine aus Zell an der Mosel und nebenan eine Flasche von der Loire - kaum zu glauben!

Schaut ihr Edlen - hier habe ich eine Flasche Genever, direkt aus Holland.. der Wacholder wird euch gut sein..
raunste Johann in die Menge.

Der Preis war stolz, kein Wunder, dieser Schnaps hatte auch schon eine lange Reise hinter sich.
Wie das so ist mit diesen Seh-Leuten, ob einfache oder adlige- sie kaufen meistens nichts und stehen nur herum.

Endlich war die Kutsche abfahrtbereit und der Kutscher blies sein Horn -
na gut, dann nehme ich eine Flasche von diesem Roten mit, den aus der Pfalz..
kommandierte der Lakai.
Der schwere Rotwein wechselte für gutes Geld den Besitzer.
Nun zog der Duft der gebratenen Hühner von Margas Fettpfanne herüber-
geschwind verließen die feinen Herrschaften die Kutsche wieder und nahmen noch einen Happen zu sich.
Die Kräuterwürzung,
ihr werdet es schon erraten haben, stammt aus dem handgeschriebenen Kräuterbuch der alten Gönnerin.
"Das muß der Hofkoch erst einmal so erlesen braten", meinte der Lakai anerkennend,
als die feinen Damen sich geziert die Münder abrieben.

Marga meinte: Das könnte gut für uns gelaufen sein ..
Johann brummte etwas vor sich hin, die Irme war mit anderen Dingen beschäftigt.

Schon kam der nächste Gast vorbei- auf eine warme Suppe und einen billigen Schnaps,
ihm war der hohe Westerwald wohl etwas kühl geworden.
Wandern kann auf dieser ellenlangen Strasse noch länger werden, wenn es schnurgeradeaus geht.
Viele nahmen diesen bequemen Weg, weil sie sich in der Fremde nicht auskannten,
sonst wäre mancher Pfad schöner gewesen, oft auch kürzer.

Manchmal finden sich Handwerksburschen zu einer kleinen Gruppe zusammen,
die sich am liebsten nützlich machen und dafür etwas Gutes haben wollen.
Helfer kann man immer gut gebrauchen, mal ist das Dach, mal ein Fenster undicht-
diesmal wollte Johann Hilfe für eine Wasserleitung von der Quelle zu den beiden Häusern haben.

Die Tonrohre lagen schon länger in der Scheune, das Gefälle war gerade so, daß es in den Sammler laufen konnte.
Von dort konnte mittels Eimer und Kurbelwinde frisches Wasser nach oben gezogen werden.

Ein paar Tage werden die Burschen schon brauchen- billig wird das nicht, dachte Irme.
Nun futtert erst einmal und macht euch dann gestärkt an die Arbeit, den Graben auszuheben.
Brunnenbauer waren das nicht, aber sie hatten solche Anlagen schon oft gesehen und wußten, was zu tun war.
Nach drei Tagen lief das Wasser und der Graben war wieder mit Gras-Soden zugedeckt.
Die beiden Schächte waren gemauert - nun soll der Mörtel noch trocknen,
dann kann der Schieber geöffnet werden, meinte der älteste Bursche.
Sie bekamen Wegzehrung und kein schlechtes Geld dafür, bedankten sich und zogen weiter..

Der Herrmann vom Sägewerk wird auf die beiden Brunnen den Zug bauen müssen, meinte Johann,
dann können wir endlich das Wasser in der Tenne zapfen und trockenen Fußes damit in die Küche gehen.

So ist das, wenn man Haus und Hof hat, es ist immer etwas zu tun, nie reißt die Arbeit ab-
und wenn dann noch ein Handel und eine Gaststube dabei ist, schon mal ganz und gar nicht,
stimmte die Irme zu.

Die Leute aus dem Dorf, besonders der Pfarrer und die Tratschen sahen die Veränderungen sehr wohl..
und konnten es kaum verwinden, daß sie nur direkt vor Ort nicht ein wenig schnüffeln konnten,
ohne sich vor dem Pfarrer zu verraten.
Sie mußten den Geistlichen irgendwie so lenken, daß es als sein Einfall käme, tuschelten die Weiber.
Und das haben sie zu allen Zeiten prächtig verstanden, Männer manipulieren -
so ein Priester ist schließlich auch ein Mann- irgendwie zumindest.
Der Plan wurde geschmiedet - alles im Geheimen, unter der alten Linde im Dorf.
Da war man sicher, dass keiner zuhört, den es nichts anginge..

Inzwischen wuchsen die Ursel und der Karl heran, bald werden sie zur Schule gehen müssen.
Der Lehrer und der Pfarrer teilten sich diese Rolle in der einklassigen Schule,
wie das so auf dem hohen Westerwald - und nicht nur da - üblich war zu dieser Zeit.

Noch war keiner der beiden Herren vorstellig geworden -
es ging nicht nur um die Bildung, die zum großen Teil aus dem Auswendiglernen des Katechismus bestand-
sondern auch um das Schulgeld, das immer gebraucht wurde.
Damals war der Lehrer noch ein armer und sehr schlecht bezahlter Mensch.
Der Fürst war katholischen Glaubens und so waren es alle seine Untertanen auch,
das hat man damals einfach so gehalten oder man mußte in ein anderes Gebiet ziehen,
das einem andersgläubigen Herren gehörte,
was mit vielen Schwierigkeiten verbunden war:
Man verlor praktisch sein ganzes Hab und Gut, wenn dieses nicht zeitig verkauft werden konnte.

Diese Frage stellte sich nicht, nein, sie blieben- der Glaube war ihnen nicht so wichtig.
Die Kinder sind ja getauft worden, die Alten waren auch getauft und alle die auf dem Freihof leben,
waren katholischen Glaubens, zumindest auf dem Papier und Papier ist bekanntlich geduldig.
So beratschlagten Marga und Erwin ob sie nicht evtl. doch den Weg ins Dorf tun sollten,
um das weitere Prozedere mit dem Lehrer und Pfarrer zu besprechen -
oder ob sie lieber warten sollten, bis sich diese beiden zu ihnen heraus begeben würden..
Da stand noch die Kommunion an, die auch noch nicht gehalten worden war..
Wenn der Pfarrer sich wieder so seltsam zeigt, gehen wir wieder ins Nachbardorf, meinte Marga.
Das sind Schwierigkeite ohne Ende, die nicht hätten sein brauchen, meinte Erwin.
Der Pfarrer der Nachbargemeinde muß wieder beim Pfarrer des Ortes um dessen Einwilligung ersuchen..

***

Mit dem Klick auf das Eingangsbild geht es weiter mit der Geschichte..


Button

Zurück zur Startseite -
Impressum