plaetzchenwolf - Kurzgeschichte Lebensgemeinschaft Ottilienhof



Vivarium Seite 37


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Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte.

Gustav Heinemann

***

Die Lebensgemeinschaft Ottilienhof.

Im Internet fanden sich zwei Dutzend ältere Leute zusammen,
die sich über ein "social network" kennen gelernt hatten.
Das erste Treffen in einer Gaststätte war positiv
und so wurden schnell einige Absichten geäußert,
die in basisdemokratischer Manier,
in freier und geheimer Abstimmung vorgedacht waren.
Schon das zweite Treffen stellte klar:
Ein verpflichtendes Übereinkommen
oder feste Statuten waren bei den gestandenen Personen nicht nötig,
ja, man sah solche als kindisch oder bevormundend an!
Die Lebensgemeinschaft sollte ein loser Verbund mündiger Leute sein,
die die Schnauze voll hatten von allem,
was heute so angesagt ist.
Wobei das Wort "von allem" bezeichnend war..
Aufgenommen wurden Leute mit eigener Rente.
Gemeinsam hat man ein altes Hotel am Ortsrand einer kleineren Stadt gekauft,
das - so sah es wohl aus - schon lange Zeit leer stand.
Die Investitionen waren selbst den Asyl-Unterkunfts-Haien
und deren Spekulationen oder Investoren zu teuer oder umfangreich,
deshalb war das Haus recht günstig angeboten worden.
Das Hotel hatte 30 Zimmer, also ideal für das Vorhaben der Lebensgemeinschaft.
In diesem Haus war alles marode und mußte erneuert werden -
Heizung und Küche und Mobiliar sowieso, Fenster und Türen ebenso.
Die Beton-Böden waren noch gut und konnten mit wenig Aufwand
mit Laminat verlegt werden.
"Energetisch" auf Vordermann gebracht,
mit Solarzellen auf dem Dach und neuer Heizung und Fenstern / Türen
kam ein ganz schönes Sümmchen zusammen.
Einer der Ottilienhof - Bewohner war noch vor kurzer Zeit bei einer Bank tätig,
was die Finanzierung leicht möglich machte:
24 Bürgen - das ist schon mal eine Hausnummer !
Die Bewohner hatten ihr Haus oder Eigentumswohnung oder Lebensversicherung etc.
sie waren also nicht mittellos,
aber auch nicht sonderlich wohlhabend.
Mit dem Anteil am Abtrag war keiner überfordert.
Jeder hatte einen - vererbbaren - Anteil an der Gemeinschaft,
dessen Volumen genau festgelegt war.

Man war sich einig:
Das neue Leben sollte so einfach wie möglich sein,
möglichst ohne Zwänge und Gemeinschaftsdruck soll es sein.
Aus der großen Hotelküche wurde eine normale Einbau-Küche,
etwas größer eben - was diversen Hobbyräumen genügend Raum gab.
Der große Speisesaal wurde belassen
und gab bei bestimmten Veranstaltungen ein gutes Ambiente ab.
Die Bewohner hatte nicht vor, riesige Gemeinschaftsessen zu veranstalten,
viele waren auf Diät - ältere Leute sind eben auf ihre Gesundheit bedacht.
In der großen Kühltruhe hat man Fertig-Menüs bevorratet,
wo jeder seinen Beitrag in eine Büchse geworfen hat..
Blink ! Und fertig.
Wer kochen wollte, hat das gemacht, zuweilen auch Mitbewohner eingeladen,
manche haben Brot oder Brötchen gebacken,
meistens wurde das vom Bäcker angeliefert, wie Eier und Getränke.
Älter Leute sind zuweilen moderner und "progressiver" als junge Spießer,
da war man sich einig.
Die meisten haben ihr Testament dahingehend geändert,
daß die Gemeinschaft Erbe wurde.
(Das hat den Abtrag für alle gemindert, der mit den Umlagen für Strom,
Heizung, TF, TV und Versicherungen, Gemeindeabgaben etc.
als Miete beim Finanzamt und der Kommune anerkannt wurde.)
Das ehemalige Hotel Ottilenhof wurde also quasi zu Wohngemeinschaft
"Ottilenhof".
Mit einem großen Briefkasten, auf dem 24 Namen waren - nicht schlecht!
Die Umlagen-Miete war allemal niedriger als eine durchschnittliche Mietbelastung.
Ein junger Steuerberater im Ort hat die Gemeinschaft betreut,
seine Forderungen wurden direkt in die Umlage eingewoben.
(Das war letztlich effektiver als veraltertes Wissen der Bewohner)
Es gab keinen Hausmeister, alles wurde jeden Monat
in einer Versammlung besprochen und in Auftrag gegeben,
wenn man mit Eigenleistung nicht weiter kam.
Ein Versammlungszwang wurde abgelehnt, wer da war,
war da- die Anwesenden waren alle mündig genug,
so die einhellige Meinung aller Bewohner.
Überhaupt sollte der Sinn dieser Gemeinschaft die Zwanglosigkeit sein,
ein selbstbestimmtes und freies Leben im Alter.
Spielen statt arbeiten !
Lachen statt Partnersuche, die man längst hinter sich hatte,-
die Kinder und Enkel machten ihr eigenes Ding.

Einzelzimmer und Doppelzimmer waren halbe halbe eingeteilt,
daran hat man nichts ändern wollen.
Das entsprach in etwa auch der Lage der Bewohner,
wo einige bereits Witwe/Witwer waren.
Zwei waren ledig.
Die Zimmer wurden gestaltet, wie die Bewohner es wollten -
ohne irgendwelche Vorschriften.
Eigentlich war diese Lebensgemeinschaft eine Art klösterliches Zusammenleben,
aber ohne bestimmte Religion.
Und wenn es eine Art von Religion gab,
dann war es die der Freiheit und der Zwanglosigkeit.
Jeder hat seine Mahlzeiten dann eingenommen,
wenn es ihm oder ihr danach war.
Ein gemeinsames Internet ergänzte die Ausstattung des Hauses,
das man als gediegen und doch bescheiden ansehen konnte.
Lautstärke war verpönt, Streit erst recht - jeder hatte eine eigene Meinung,
wie das eigene Zimmer im Kopf.
Die Summe unterschiedlichster Lebenserfahrung sollte nicht umgeworfen
oder gar vergesellschaftet werden.

Wie gesagt, der Ottilienhof lag am Ortsrand
an einer recht unwirtlichen Ecke auf einer leichten Anhöhe
mit Blick in ein leicht abfallendes, weites Tal,
wo am Horizont der große Fluss im Dunst meistens nur erahnt werden kann.
Hinter dem Haus war nur etwas Wiese und ein schmales Waldstück und dann die Autobahn.
(Das war auch der Grund, warum das Hotel billig war)
Im Laufe der Zeit wurden die Bäume größer und der Lärm hielt sich in Grenzen.
Dort war die Einfahrt von der Straße und die Parkplätze, Mülltonnen etc.
Vor dem Haus war die Südseite und Schokoladenseite..
..eine abfallende große Fläche mit ausreichend Platz für allerlei Aktivitäten!
Am Haus grenzte die Terrasse raumgreifend an,
die war noch in Ordnung und mußte nur gereinigt werden.
Selbst die alten Werbe-Sonnenschirme und Eisen-Holz-Garnituren hat man nur aufgearbeitet,
damit der Flair der 60iger Jahre wehmütig gepflegt werden konnte..
..mit alter Celati Motta - Kühltruhe.
Am Hosengürtel der Bewohner war jeweils eine elektronische Karte angebracht,
auf diese Weise waren Schlüssel unnötig geworden, ob an der Zimmer- oder Haustür,
der Terrassentür oder zur Kühltruhe - alles automatisch!

In einer Ecke des sonnigen Grundstückteils war der Garten,
in der anderen Ecke die Zierpflanzen-Ecke,
mittig Liegewiese und der neue große Schwimm-Teich,
der nach neuesten Erkenntnissen
der Biologie gesunde Erholung für Mensch und Tier versprach.
20 Meter lang und 10 Meter breit ist schon eine Hausnummer,
die besondere Überlegungen und Planungen nötig werden ließ-
-man hat ja Zeit und kann diese Dinge als wunderbares Planungsspiel für alle diejenigen,
die das interessiert, vollziehen und einzelne Bauabschnitte in Auftrag geben,
wenn sich günstige Gelegenheiten dazu zeigten.
Und sie zeigten sich!
Das Wasser von den Dachflächen
wurde als Brauchwasser für die Toiletten
und für den Teich gebraucht,
der mit Filtern das Wasser in stetem Austausch in das Grundwasser abgab.
Zuerst war die Baugenehmigung, dann die Ausführung.
Mal war ein Bagger mal das Zementbett, mal die Folie preiswert irgendwo zu haben..
Eine Seite sollte bepflanzt sein, ein paar heimische und auch Gold - Fische -
auf der anderen Seite des Teiches war flach mit Treppe und Geländer zum Baden ausgelegt.
Die Gartengestaltung hat lange Zeit in Anspruch genommen-
eigentlich wurde dieser Garten nie fertig, irgendwo wurde immer gearbeitet.
Frische Kräuter, Obst und frisches Gemüse war ein Hobby von einigen Bewohnern,
die sich in der kontemplativen Gartenarbeit ihren Traum erfüllten.
Das Grundstück war groß genug für alle
und die restlichen 6 freien Zimmer
würde man für besuchende Angehörige reserviert halten -
Ab und zu kamen mal ein paar Kinder oder Enkel in den Ferien;
so mancher "querulatorische" Jungfuchs wurde von seinen Eltern kurzerhand
in den Ferien in diese Gemeinschaft der Alten abgeschoben.
Das war für alle Seiten heilsam:
Die Eltern hatten endlich Zeit für sich,
die Alten konnten den Jungen etwas beibringen,
sie zur Ruhe bringen.
Bald war dieser Ort der "Aufmüpfigen" ein bevorzugter Aufenthaltsort der Enkel.
Frei, endlich frei - plus Internet!
So manche Träne floss, als die Schule wieder begann,
die Ferien zuende waren.

Die Stadt war nicht weit weg und mit dem Bus recht gut zu erreichen-
mancher nutzte das, um sich vom Thema "Auto" zu trennen.
(Der Autovermieter war ja auch noch da)

Nach relativ kurzer Zeit war das Hotel abgetragen und ohne Schulden,
das war ein erklärtes, gemeinsames Ziel.
Der zweistöckige 60iger Jahre - Bau hatte einen großen,
nicht ausgebauten Speicher,
der eine gute Reserve bot- man weiß ja nie!

Wichtig war, daß niemand sich beim anderen Mitbewohner
"abmelden mußte" oder Rechenschaft schuldig war.
So ergaben sich immer wieder neue Treffen
und kleine freiwillige "AG's"
um dies oder das zu planen und auszuführen.
Wer allein sein wollte,
konnte das ausgiebig sein - ohne "schräg angesehen" zu werden.
Das gehörte für alle zum freien Leben dazu,
da war man sich sehr einig.
So hockte manchmal einer der Enkel mit Sonnenbrille und Ohrhörer auf der Terrasse
und war einfach nur am "relaxen" -
zuweilen ergab sich ein Gespräch mit einem x-beliebigen Bewohner in dieser Art:
"Wenn ich nur wüßte, wie die nächste Klassenarbeit in Mathe zu schaffen wäre.."
So manche Lücke konnte durch die lebenserfahrenen älteren Leute gestopft werden.
Locker, ohne Zwang- einfach so- manchmal "fiel der Groschen" ganz nebenbei,
zwischen Pizza und Coke..

Wo wir gerade bei Pizza und Coke sind-
eigentlich wollte die Gemeinschaft um das Kochen "kein Getöse" halten,
aber wie das so ist, mit den "guten Vorsätzen",
ergeben sich geschwind "Abirrungen":
Es sind immer zwei, drei Leutchen dabei,
die nicht unbedingt Frauen sein müssen,
denen Kochen einfach Spaß macht..
Wenn der selbstangebaute Salat geerntet wurde (damit er nicht schiesst) -
dann gab es schon mal 2-3 Tage (fast) nur Salat -
der aber besonders lecker und extrem frisch war.
Mit frischen Kräutern, mit Sahne und sorgsam abgeschmeckter Sahne-Sauce.
Ein anderer war ein ausgesprochener BBQ-Fan,
so war immer was zu futtern dabei,
was mit dem selbstgebackenen Brot oder Baquette oder Brötchen eine edle Sache ist.
Knausrig war keiner- die Sammelbüchse war immer dabei,
die den Notgroschen-Fond fütterte.
Jeder hat dem anderen Teilnehmer etwas mitgebracht,
wenn eingekauft wurde.
Das sparte Zeit und Geld - vor allen Dingen Zeit,
wertvolle Hobby-Zeit !
Irgendwann kam jemand auf den Gedanken einen eigenen kleinen Pizza-Grill-Ofen zu bauen,
was in Gemeinschaftsarbeit bewerkstelligt wurde.
Von da an kam die gekaufte oder von irgendwo gelieferte Pizza nicht mehr mit ;)
Mancher hatte seine Freude darin, mit dem Pinsel durch das Haus zu streifen -
das spart Nerven und hohe Handwerkerrechnungen.
Eine AG kümmerte sich um das BBQ-Barrel ..
.. eine andere AG um die absolut perfekte Soße dazu.
Wer putzen mag oder kann bekam Bonuspunkte -
die nicht mal aufgeschrieben werden mußten.
Mancher ältere Zeitgenosse konnte sich nicht mehr gut bücken
und war heilfroh, wenn er dafür den oder die Putzer/In
mit Essen oder sonst einer Leistung versorgen konnte.
Verächtlich angesehen war KEINE Arbeit,
das war oberstes Prinzip des Ottilienhofes.

Die monatlichen Versammlungen wurden mit zwei Abstimm-Chips pro Person gemacht:
Einer mit "ja" der andere mit "nein",
die bei der Abstimmung in eine undurchsichtige Dose getan,
dann im Beisein einiger Augen ausgezählt wurden.
Mehrheitsentscheide waren unbedingt bindend- frei und geheim gemacht,
damit sich niemand rechtfertigen mußte.
An diesem Abend ging es ein wenig wie in einem Spielkasino zu -
im großen Speisesaal,
mit guten Getränken und Kabberzeugs.
Die Teilnahme war nicht zwingend-
wie überhaupt auf dem Ottilienhof alles freiwillig sein sollte.

So vergingen die Jahre,
ab und zu verstarb ein Mitglied und ein neues kam dafür hinzu.
(Man hatte eine Warteliste eingerichtet,
damit die Bewerbungen gerecht beurteilt und abgearbeitet werden konnten)
Die Mitgliedschaft in dieser Gemeinschaft war wohl begehrt,
die Anforderungen wurden den Bewerbern unverblümt genannt.
Daß deren Angaben ganz genau überprüft wurden,
braucht man wohl nicht extra zu erwähnen.
Selbstverständlich sollten alle aus unserem Kulturkreis sein und sich hier einfügen.

Die weitere Nachbarschaft des Ottilienhofes war in zwei Neubaugebieten zu sehen,
die direkt hinter dem Garten waren
und sich in den älteren Bezirk der Vorstadt hinein zogen.
Im Westen auf der anderen Seite der Straße,
die unter der Autobahn durch führte und die den schmalen Wald unterbrach,
war die Mittelpunktschule, die östlichen Nachbarn hatten einen alten Bauernhof,
der einige Dinge zur Gemeinschaft beitrug:
Frische Milch, Sahne und Eier, zuweilen auch hausmacher Wurst und Schinken..
Die Landluft war somit "garantiert" - der Hahn krähte buchstäblich auf dem Mist.
Wer mit offenem Fenster schlief, hatte einen guten Wecker!
Das ehemalige Hotel Ottilienhof war wohl ein Teil des alten Bauernhofes,
das einem Familienmitglied gehörte.
Irgendwann konnten die guten Leute den Betrieb nicht mehr halten,
weil das alles damals so flotte und tolle Ding total veraltert war.
Durch den Bau der Autobahn war die Lage auch ziemlich abgeschnitten,
die nächste Ausfahrt war weit weg!

Wie auch immer, die neue Anlage Ottilienhof
war eigentlich offiziell nur eine Eigentümergemeinschaft,
mit gleichen Rechten und Pflichten.
Ohne Hausmeister und ohne Verwaltung,
wenn man vom Steuerberater absieht, der alle Rechnungen beglich und umlegte,
die mit dem Wohngebäude und dem Grundstück zu tun hatten.
Dazu führte er für den Ottilienhof ein gesondertes Girokonto.
In sauberer Umlage wurden die monatlichen Kosten von den Konten der Teilnehmer abgezogen.

Soweit so schön.
Eines Tages sollte die Jubiläumsfeier zum fünfjährigen Bestehen abgehalten werden..
..das war durch eine Abstimmung mit den Chips gemacht wurde.
Mit nur einer Stimme Mehrheit wurde "pro" Jubiläumsfeier beschlossen.
Zum Glück ist durch die Bewohner-Auswahl schon weitestgehend ausgeschlossen worden,
daß Querulanten und latente Nörgler oder Heimtücker irgendwelche List anwenden-
um zu sabotieren.
Die Bewohner hatten andere "Hobbies" als Schikane an ihren Mitmenschen zu betreiben.
So wurde alles gerichtet, was zum Essen und Trinken nötig war.
Ein paar Angehörige haben sich eingeladen - nur eine handvoll,
sogar der Stellvertreter der Kommune wollte kommen und ein Pfarrer,
an die niemand beim Verschicken der Einladungen gedacht hatte.
Der Vertreter der Stadt war schon seltsam weltfremd,
den konnte nicht mal der Pfarrer toppen.
Die Beiden schnüffelten überall auf dem Ottilienhof herum
und suchten ganz offensichtlich irgend etwas.
Auf jeden Fall fiel das einigen Bewohner auf,
daß diese Beiden sich mal hier mal da durch das Haus schlängelten.
Sie taten jedesmal, als hätten sie sich verlaufen
oder suchten gerade diesen oder jenen Bewohner
oder wollten zur Toilette.
Was sie suchten, erfuhr man später erst, als vom Bauamt ein Kontrolleur kam,
der auf zwei fehlende Brandmelder
und ein paar fehlende Notbeleuchtungslampen
und vorgeschriebene Sicherheitseinrichtungen für Wohnanlagen
hingewiesen hat und sofort mit hohen Strafandrohungen dabei war.
Dann kam ein Lebensmittelkontrolleur, der Proben sehen wollte..
.. einer von der N abu-Gruppe war auch da, der den Teich untersuchen wollte.
Unter Androhung von "Strafgeld" mußten die Bewohner diese Leute vorlassen
und denen und deren seltsamen "Vorschriften" gefällig sein.
Drei Bewohner bekamen Anzeigen wegen Beleidigung eines Amtsträgers
und einer Privatperson im Auftrag des N abu..
..dabei kam dieser in hobbyistischer Absicht und persönlicher Neigung.
Das war das letzte Mal, wo man fremde Leute auf das Grundstück ließ.
Die drei Bewohner hatten im ganzen Leben noch keine Strafgelder zahlen müssen..
..und nun das!
Die Strafen und die Nachrüstungen kosteten ein hübsches Sümmchen,
wie man so sagt.
Die Fünfjahresfeier hieß dann nur noch "Das Luxusfest",
wenn man später darauf zu reden kam.

Nun kamen ab und an Vertreter von div. Glaubensgemeinschaften,
die hier "Schafe" sammeln wollten -
die wurden eine Hausnummer weiter geschickt- zum Bauernhof ;)
Es wurde trotzdem gegen Alarmanlage und gegen einen Zaun
oder "Personenkontrollen" abgestimmt-
mit großer Mehrheit.
Der Ottilienhof sollte keine Festung gegen die Welt,
als vielmehr Leuchtturm für ein souveräneres Leben im Alter sein!
Ab und an gab es ein Konzert, das entweder im Speisesaal oder auf der Terrasse stattfand:
Junge Künstler verdienten sich dabei ein gutes Taschengeld.
Für dieses Event hat man sich angezogen, als wäre es ein offizielles Fest.
Die "verrückten Alten" hatten sicher nicht nur Freunde,
als vielmehr notorische und hartnäckige Neider.
Bei einem dieser Konzerte
stellte sich der Dirgent einer kleinen Barockmusikgruppe als Bewerber vor..
.. Bewerber der Wohngemeinschaft Ottilienhof.
Der "Rat" wurde einberufen und bald waren die restlichen 6 Zimmer besetzt,
die Warteliste war geleert.
Der Dirigent, ein ehemaliger Schulleiter, ein Handwerker, ein Landwirt,
eine Erzieherin mit ihrem Mann, der ein großes Stadthaus geerbt hatte -
stellten sich als neue und "geprüfte" Bewohner vor.
So kam Bewegung und frisches Geld in den Ottilienhof.
Die Küche bekam noch eine Zeile dazu,
die Hobbyräume unter dem Dach wurden ausgebaut.

Nun gab es die ersten Wochen und Monate mehr als genug zu erzählen,
Dia- Abende und Konzerte, ornithologische Wanderungen
und div. Bastelkurse für Interessierte wurden abgehalten.
Ausgerechnet der Handwerker gab Lesungen diverser Autoren,
sogar mit eigenen Werken.
Die Menschen auf dem Ottilienhof waren bunt gemischt,
jeder hatte ein erfülltes Leben hinter sich
und hatte viel in die Gemeinschaft einzubringen,
eine Quelle fast unerschöpflicher Erlebnisse und Kenntnisse.
Nun waren also 30 Bewohner eingetragen,
was die monatlichen Belastungen nochmal besser verteilen ließ.
Der junge Steuerberater machte seine Sache gut,
der Kontrolle durch ein paar kundige Bewohner war er gewohnt.
Das hat der Gemeinschaft den Rücken zur Gemeinde hin frei gehalten,
die immer wieder kleine Scharmützel anzettelte.
Dieser Steuerberater war mit einem Fachanwalt
im gleichen Bürogebäude- wie paktisch..
Ein Arzt mit Helferin kam regelmäßig in den Ottilienhof und machte eine Art "Reihen-Check-Up",
wo eigentlich jeder gerne teilnahm.
Blutzucker, Blutdruck, allgemeine Gesundheitstests und eingehende Beratung waren immer gut.
An diesem Tag hat er mehr als genug verdient - plus Trinkgeld..

Wie auch immer,
im Ottilienhof waren die meisten Leute recht fit und haben gerne div. Freizeitangebote genutzt,
aber auch genau so gerne einfach mal ein paar Tage
nur auf der Terrasse gelesen oder sich gesonnt,
gestrickt oder gehäkelt oder gemalt- so manche Staffelei stand da herum.
"Freiheit die ich meine" - ja, das war das oberste Prinzip dort.
Dieser Maxime war alles, aber auch wirklich alles untergeordnet.
Selbstbestimmung statt Bevormundung war die zweite Zeile dieser "Anordnung"
und überall hing der Spruch:
"In der Ruhe liegt die Kraft!"

Mal gab es einen theologischen, mal einen geographischen,
mal einen geologischen oder musischen Vortrag von einem Gastredner,
mal einen von der Krankenkasse oder von einem Pflegedient -
die Teilnahme war - selbstverständlich - frei.
Anschließend wurde eine kleine Diskussion darüber gehalten.
"Fasse dich kurz" als Prinzip der Redebeiträge.
Manche Leutchen wollten einfach nur Teichpflege betreiben,
andere bastelten gerne an der Haustechnik-
manche haben Brot gebacken oder Wein gemacht,
es soll sogar welche gegeben haben, die stundenlang den Besen geschwungen haben:
"Dabei kann ich mich am besten entspannen und über dies und das nachdenken"
Hier war der Weg das Ziel, nicht der Wettbewerb -
den hatte jeder längst hinter sich.
Jedem war glasklar vor Augen:
Meine Zeit läuft irgendwann ab- bis dahin möchte ich dieses oder jenes pflegen.
Mitnehmen kann ich nichts, nicht mal eine goldene Uhr oder eine Aktie -
ein Haus schon mal gar nicht.
Loslösung vom Besitz bedeutet frei von Sachzwängen zu werden,
die Eigentum nun mal mit sich bringt.
Ein Stückchen konnte man sich hier auf dem Ottilienhof davon befreien und lösen.
Die freiwillige Gemeinschaft war viel wertvoller,
sogar wichtiger als die eigenen Kinder und Enkel!
So mancher hat sich im Zimmer seinen eigenen Kaffee gemacht,
zuweilen ist auch ein wenig Rückzug nötig,
der ohne Verwunderung der anderen Teilnehmer getan sein darf.
Ein wenig "Eremitage" ist auch nicht schlecht.
Einer der "Neuen" hat sich mit seiner Autobiographie zurückgezogen
und kommt nur ab und zu mal aus seinem Zimmer..
Die Berufe oder ehemaligen Tätigkeit sind freilich bekannt gemacht worden,
das gehört zu den Aufnahmebedinungen:
Der Herr Pastor schreibt- pssst!
Daß dieser ehemalige Priester ein wenig mehr Leben um sich haben wollte,
kam erst sehr viel später heraus.
Es war nicht der einzige "Sonderling",
auch ein Komponist und eine Computerfachfrau war unter den "Neuen".
Die Berufe waren ziemlich unterschiedlich -
von dem Floristen bis zum Klempner war alles dabei.

Das Kommen und Gehen war leise und rücksichtsvoll,
die Hilfen selbstverständlich.
Soweit wäre alles wunderbar und in Butter gelaufen,
käme nicht immer mal wieder Druck von außen.
Mal ist ein Enkel bei den Alten notgelandet oder daheim "rausgeflogen",
mal kam die Polizei wegen einem solchen Früchtchen ins Haus..
Bislang wurden alle Querschläger der Familie wieder hingebogen,
als sie merkten:
Ich selbst laufe falsch, nicht alle anderen Menschen..
Das muß eben behutsam vermittelt werden und nicht im ungeduldigen Hau-Ruck-Verfahren.
Jedes Zimmer hatte seinen kleinen Tresor - eine gute Investition,
die dankbar angenommen wurde.
Solide durch die Haustür geschützt,
nochmal durch die soliden Zimmertüren,
war an Geld nicht so leicht heran zu kommen.
Jeder war durch eine gemeinsame Versicherung abgedeckt,
für die ein Sondertarif nötig wurde.

Eines Tages kamen wieder ein paar Leute der Kommune
und machten eine "Begehung" der Strasse,
wobei immer etwas zu bemängeln war.
Ständig parken Mütter gegenüber der Schule auf dem Gehweg,
gerne gegen die Verkehrsrichtung
und behindern dabei Einfahrten und Rollstuehle / Rollatoren etc.
Die Einfahrt zum Ottilienhof war nicht eben schmal,
zumal der Bauer über das Grundstück fahren mußte,
um zu seinem Hof zu kommen - was in der Geschichte der Anwesen begründet war.
Mit dem Bauern gab es niemals Ärger, wohl aber mit der Schule,
die einen ständig wechselnden und rücksichtslosen Verkehr hat.
Der Rektor zuckt nur mit den Achseln - ihm sind die Hände gebunden,
die Ordnungsbehörde ist zu faul um jeden Tag die Parksünder aufzuschreiben.
Wie sich hinterher heraus stellte, war man "vorsichtig" wen man aufschrieb..
Die Ellenbogengesellschaft läßt grüßen !

Die kleine Vogelkundlergruppe, die sich im Frühjahr gebildet hatte,
zog unter fachkundiger Führung in die Botanik,
im Garten werkelten ein paar Leutchen im Salatbeet,
auf der Terrasse strickten zwei Damen und tauschten dabei Musterhefte aus.
Der Herr Pastor schrieb noch immer -
der Klempner konnte es nicht lassen und reparierte das Regenfallrohr:
"Das kann man doch nicht lassen, was sollen denn die Leute denken"?
Der ehemalige Schulleiter putzt gerade das Treppenhaus und schaut ganz gedankenverloren.
Mancher schläft noch, als ein anderer Bewohner den Pizza-Ofen an der Terrasse anwirft..
..die Wellen des Teiches sind wieder verebbt,
die frühen Schwimmer sind längst wieder in trockenen Tüchern
und liegen auf der Terrasse in ihren Morgenmänteln und lesen die Zeitung.
Am Teich hat eine Frau ihre Klangschale aufgebaut,
was auf den Gedanken an eine Wasserorgel aufkommen ließ.
Einer geht mit einem Tablett mit Kaffeebechern herum:
"Kaffee und Croisants gefällig? Ich gebe mal einen aus!"
Klar, da sagt niemand "nein".

Eines Tages gab es Ärger mit Stadt und so entschloss man sich,
den Ottilienhof gewerblich anzumelden.
"Wohnanlage Ottilienhof".
Der junge Steuerfachmann machte das locker und souverän.
Dieses "Gewerbe Ottilienhof" war nicht gewinnorientiert,
Abschreibungen und Investitionen konnten die Steuerlast im Rahmen halten.
Zu hohe Geldrücklagen weckten Begierlichkeiten des Finanzamtes..
So wurde das Dach einseitig angehoben und als Pultdach umgestaltet
und mit einer riesigen Solaranlage ausgestattet.
Die Fenster der neuen 10 Zimmer unter dem Dach
bekamen eine kleine Veranda mit Blick zum Wäldchen
als Ausgleich zu der schrägen Wand in den Zimmern.
Das Gebäude war also vorne drei - und hinten 4 stöckig.
Die oberen Zimmer waren recht beliebt, weil es die ruhigsten waren.
Es wurde ausgelost, wer dorthin umziehen durfte.
Die neuen Zimmer waren schnell "weg" und die frei werdenden Zimmer
der Umzügler wurden durch "Nachrücker" auf der Warteliste gefüllt.
Einer der Neuen war der .. Bürgermeister,
der den Wert der Anlage erkannt hat und sich vorzeitig zur Ruhe setzen wollte.
"Mir langt's, sollen sich die Intriganten die Köpfe einschlagen,
mir reicht was ich habe."
Ein anderer Neuer hatte eine Metzgerei in der Stadt,
die nun dem Sohn gehört..
Ausgerechnet der Metzger entpuppte sich als Heimatdichter!
Als das 40. Zimmer belegt war, zählte der Ottilienhof stolze 60 Bewohner.
Dieser recht stattlichen Belegschaft, wo jeder sein Einkommen hatte,
waren kaum noch Steine im Weg..
..das nutzte man nie zum Protz,
sondern um noch souveräner in Ruhe leben zu können.
Prestige galt hier nichts, Geld war nur am Rande wichtig.
Man ging sich aus dem Weg, bevor Unstimmigkeiten zum Streit wurden.
Wie gesagt bevor - das wurde zur Maxime der Gemeinschaft -
woran sich jeder peinlich genau gehalten hat.
Feinde in einer gemeinsamen Wohnanlage wäre ein unhaltbares Ding gewesen.
Hier hat schließlich jeder seine eigene Meinung,
von der er oder sie vermutlich auch niemals abrücken kann,
weil diese fast ein ganzes Leben lang erbaut und gegründet worden ist..
..es wäre schon sehr seltsam,
eine funktionierende Lebenseinstellung von Mitbewohnern zerdeppern zu lassen.
Gelegentlich kam eine Änderungsschneiderin mit ihrer Gehilfin vorbei- ein begehrtes Event mit Voranmeldungen.

Überschußvermögen wurde von der Verwaltung
zur externen Vergabe von Aufträgen an ortsansässige Handwerker und Lieferanten geplant.
Das brachte in entsprechend hohes Ansehen des Hauses ein.
Bald meldete sich der Steuerberater und bewarb sich offiziell als Angestellter,
der auf dem Ottilienhof in einem neu einzurichtenden Büro arbeiten wollte.
Sein Chef hat das Büro verkleinert
und wollte sich von ein paar Mitarbeiter trennen,
die zuletzt eingestellt worden waren.
Ein Verwaltungsraum einzurichten war kein Problem-
im Keller war noch Platz genug,
weil sich Hobbyräume nicht so recht durchsetzen konnten.
So wurde dort ein flottes Office gebaut,
mit modernem Gerät und Ausstattung und Sekretärin -
die Frau des jungen Steuerfachmanns.
Das Geld kam locker wieder herein,
weil durch die Bewohner selbst immer ein paar "Klienten" entstanden.
Die Hausverwaltung war jedoch Hauptbestandteil der Beschäftigung.
Die offizielle Bezeichung des Postens legte die Gemeinschaft
auf "Kommissar der Verwaltung des Ottilienhofes" fest.
Die beiden Bediensten sonnten sich etwas in ihrer neuen Position,
die wohl von keiner anderen so schnell getoppt werden konnte:
Hier war schon recht gutes Geld und somit Befugnisse,
die nur noch von der Gemeinschaft abgesegnet wurden,
wenn sie aus dem praktischen Rahmen an die Substanz gingen.
Die Beiden machten nur ihren Tagesdienst,
dann fuhren sie nach Hause in ihre Wohnung
irgendwo in einem kleinen Kaff der Umgebung.
Die Frau war oft nicht da, die Kinder mußten betreut werden -
abgerechnet wurde somit stundenweise.
Das juckte die Bewohnerschaft recht wenig-
Hauptsache es lief alles rund und man mußte sich nicht kümmern..

Nach und nach wurde das Haus immer ein wenig feiner ausgestattet.
Eines Tages beschloss man zwei große Hunde anzuschaffen,
weil in der Umgebung immer mehr Einbrüche waren.
Der Bauer half dabei- er mußte schließlich über den Parkplatz gehen und fahren -
möglichst ohne zerrissene Hosen !
Die Tiere waren schnell der Liebling aller,
zumindest fast aller Bewohner.
So mancher hat dabei seine Hundephobie überwunden,
weil die großen Köter selbstbewußt genug waren,
um niemals übernervös zu reagieren.
Eine ängstliche Bewohnerin vermied den Kontakt zu den Hunden, bis sie eines Tages auf der Terrasse angestupst wurde-
sie hatte einen Atemaussetzer und das merkte der Hund,
der neben ihre Liege gerobbt war.. um zu schlafen.
Kurz, die Tiere waren die Ruhe selbst
und irgendwie waren auch die mit eingebunden in die Gemeinschaft.
Sie liefen immer frei herum und haben das Grundstück nicht verlassen,
das nun -aus rechtlichen Gründen-
mit einem teueren feinen Zaun umgeben wurde.
(Dass die Zufahrt noch immer frei war und das auch bleiben sollte,
war den Hunden egal,
sie hatten keinen Grund auszubüchsen)
Es ist schon ein eigenartiges Ding,
wenn Nachts ein sonores "Wuff" ertönt -
so schnell kommt da niemand durch Fenster und Tür !
Die Bewohner waren somit nochmal geschützter:
Heute fühlt man sich außerhalb des Hofes und erst recht in den Innenstädten zuweilen wie auf einem orientalischen Basar,
der alles andere als romantisch ist oder sicher ist.
Das Ergebnis verfehlter Politik?
Das wird die Zeit zeigen.

Am nächsten Jahrestag wurde der Party-Service bestellt und zünftig gefeiert.
Dazu war der Gesangverein und die Feuerwehr eingeladen -
die hatten genug Mitglieder im Ottilienhof.
Die Nachbarn wurden schon im Vorfeld informiert
und waren ebenso willkommen bei Musik, Speis und Trank.
Der Partyservice wurde vom Sohn des Metzgers gemacht,
das hielt den Preis im Rahmen-
und die Kröten im Dorf, wie man so schön sagt.
Jedes Jahr gab der Ottilienhof eine größere Spende
an einen der ortsansässigen Vereine.
(Vermutlich auch aus steuerlichen Gründen)
Vom Taxi bis zum Schuhladen
profitierten fast alle in der Stadt von dieser Gemeinschaft,
die sich zur Aufgabe gemacht hatte,
möglichst nur in der eigenen Stadt zu kaufen.
Reklame mußte der Ottilienhof bestimmt nicht machen,
die Warteliste war auch ohne Werbung und Internetauftritt lang genug!

Eines Tages war der Bauer zu Besuch und erzählte:
Meine Frau und ich sind schon recht betagt
und können die Landwirtschaft unmöglich weiter betreiben.
Gebäude sind nicht mehr gut, wir wollen nichts mehr investieren,
weil wir eher an unser Ende denken..
Es ist niemand da, der den Hof haben will.
Was haltet ihr davon, wenn wir uns beteiligen:
Wir überschreiben den Bauernhof eurer Gemeinschaft,
in die wir dann eintreten würden.
Bekannt genug sind wir ja - oder?
Da hat wohl keiner widersprochen !
Der Bauer grinste verschmitzt, wie das so die Art dieses Berufsstandes ist:
Man könnte die Anlage so umbauen, daß es wie ein Freizeitpark wirkt..
(Nur mit einem Wirtschaftsgebäude für Geräte)
Alles andere könnte abgeräumt und entsorgt werden.
Das Grundstück des Ottilienhofes wäre dann dreimal so groß!
Die 15 ha Acker- und Wiesenflächen kann man verpachten.
Die Gemeinschaft ließ den Eingangsbereich verändern
und bekam so noch ein Doppelzimmer für die Beiden zurande.
Mit dem Zugewinn baute man einen runden Wintergarten
mit 50 mtr Durchmesser aus Glas und Aluminium,
wo tropische Pflanzen gepflegt wurden und zwei Papageien waren.
Geheizt wurde das Ding durch einen Wasserbehälter darunter,
der durch das große Solar-Dings auf dem Ottilienhof gespeist wurde.
Das hat sich immer dann Strom geholt, wenn gerade keiner benötigt wurde.
Das heißt, die Strom - Anlage hat nichts ins öffentliche Netz eingeleitet.
Diese Anlage hatte ein konkretes Thema:
Regenwald.
Unter fachkundiger Anleitung des Palmengartens kam Bewegung in die Sache.
Bald kamen Schulklassen, die sich diesen Regenwald anschauten.

Das riesige Grundstück wurde von Fachleuten
entsprechend modernsten biologischen Erkenntnissen angelegt
und von einem "Langzeitarbeitslosen" betreut,
der Gärtner gelernt hatte.
Froh, endlich eine feste Anstellung zu haben und diese auch noch zu Fuß erreichen zu können,
gab er sein bestes - die Ottilienhof-Bewohner hätten das weder schaffen können noch wollen..

Die Wege auf dem Grundstück waren so angelegt,
daß eine Kontemplation wie in einem Kloster erreicht wurde.
Jede Ruhebank hatte einen ganz bestimmten Blickwinkel,
bei dem nichts dem Zufall überlassen war,
jedoch alles ganz natürlich wirkte,
als hätte Mutter Natur diesen Garten nach ihrem Willen gemacht.

Das Wirtschaftsgebäude wurde mit Efeu zuwachsen lassen,
so daß alles grün war, sogar der Wintergarten war grün lackiert.
Die Mitglieder der Gemeinschaft staunten nicht schlecht,
als sie ihren Kontoauszug bekamen:
Die Schulden waren recht hoch, aber das Vermögen zigmal so viel..
(Vermutlich wieder aus steuerlichen Gründen-
gebraucht hätte man diesen hohen Kredit wohl eher nicht)

Die Rechnung, so langweilte der "Kommissar", schaut so aus:
60 Leute mit durchschnittlich 2000 Euro Rente
sind 120.000 Euro Sicherheit oder Kaufkraft jeden Monat,
sind 1,44 Millionen jedes Jahr -
deshalb bekommen wir so leicht einen Kredit !
Dazu kommen die Einlagen von durchschnittlich 100.000 Euro,
(Pro Bewohner)
die an verkauftem Wohneigentum oder Sparvermögen stammen:
6 Millionen - das steckt im Ottilienhof, abzüglich die Kaufsumme,
das ergibt einen realen Wert von heute deutlich über dieser Summe,
selbst wenn der Kredit von 1 Million abgezogen ist.
(Das sind nur die Summen, die das Finanzamt bekam, nicht die wirklichen Geldmengen durch Vermögens- Aktienanlagen)
Die Bewohner staunten nicht schlecht.
Allen war klar,
daß nachrückende Mitglieder - Generation diese Rente nicht mehr erreichen werden,
deshalb sollte der Ausbau so zügig wie möglich stattfinden.
Es wird angenommen,
daß diese künftigen Bewohner mit einem Viertel weniger auskommen müssen-
die Durchschnittsrente maximal 1500 Euro sein wird - wohl gemerkt,
inklusive der akademischen Gehälter, die "einfachen Leute" werden wohl eher kaum die 1000 Euro knacken können..
Diese Größenordnung der gesellschaftlichen Veränderungen hatte man nicht vorher gesehen,
als das Projekt begonnen wurde.

Mit dem heutigen "Speck" sollten deshalb Zukunftsinvestitionen geschultert werden
und nicht mit der späteren Magerkost an Renten scheitern.
Alle Neuerungen durften von außen gesehen nicht protzig wirken,
das war allen sehr wichtig.
Die ganze Anlage wirkte eher gediegen und zeitlos,
solide und heimelig genug, um ein Zuhause sein zu können.
Und genau das war das Ziel:
Ein Zuhause für viele - ohne Zwänge -
nur wohnen mit Ambiente und Freizeitangeboten -
wo die Beteiligung eine Art Vermögensanlage war, vererbbar aber mit Auflagen.
Die Zeit ändert sich, wie sie es immer zu tun pflegt-
zwei Leute sind nacheinander verstorben,
die Bauern sind innerhalb des Hauses umgezogen,
im Doppelzimmer der Bauern im Eingangsbereich ist ein Masseur tätig geworden,
dort hat der Arzt Sprechstunde gehalten oder die Bank ihre Geschäfte gemacht-
oder wurden Vertreter oder Behörden abgespeist.
Wenn ein Ehepartner verstarb,
sollte der Witwer/e in ein Einzelzimmer umzuquartieren sein,
was jeder gerne gemacht hat.
Aus diesen Gründen wurden alle Zimmer gleich ausgestattet und auch so "austauschbar" gehalten.
Der Vermögensausgleich wurde bar ausgezahlt,
damit die Erbmasse korrekt abgewickelt werden konnte.
So kamen wieder ein Nachrücker - 60 sollten nicht überschritten werden -
in das Haus Ottilienhof.
Ein gewisser Herr Jacobus,
von dem nur bekannt war, daß er "Privatier" war-
und wohl Geld genug hat, woher und wie er dazu kam,
konnte nur spekuliert werden-
er ging wohl nie arbeiten und hat viel geerbt.
Er sprach immer sehr gewählt, obwohl er keinen Doktorgrad oder ähnliches hat.
Zumindest war sein Leumund mehr als einwandfrei und tadellos der Ruf.
Er stammte aus einer der "besseren Familien" Frankfurts
und war in Opernhäusern und Edelrestaurants Stammgast.
Nun tauchte dieser Herr Jacobus in einem relativ schlichten Einzelzimmer
einer Seniorengemeinschaft unter?
Da stimmt doch was nicht, so munkelte mancher Bewohner..
Der "Kommissar" war sich sicher:
"Der Mann ist ok, ihr braucht euch keine Gedanken zu machen,
er hat dem Kinderhilfswerk eine Riesensumme hinterlassen
und seine Villa am Stadtrand an einen Investor verkauft,
der daraus 4 Eigentumswohnungen gemacht hat.
in unsere Gemeinschaft hat er mal eben acht Millionen gestiftet,
wovon die Hälfte aus dem Verkauf dieser einzigen Immobilie stammen soll,
von denen er ein paar hatte.."
Wow!
Das ist mal eine Hausnummer, da kam freilich niemand mit.
Der Herr Jacobus wollte allerdings anonym sein,
so unscheinbar wie möglich,
seinen Lebensabend mit anderen Dingen verbringen,
als sich um das Geld Sorgen machen zu müssen, wie er betont.
Bei der persönlichen Vorstellung sagte er:
"Ich habe keine Nachkommen, war nie verheiratet,
nun möchte ich endlich leben und neue Lüfte schnuppern,
ich möchte dichten, denken, tanzen, lachen,
meditieren und wandern, schwimmen und überhaupt..
Freunde finden - ich war so einsam unter den Leuten meines Standes,
denen immer nur der Schein und das gesellschaftliche Leben wichtig war.

Der Herr Jacobus war sehr still
und schaute mal hier mal da bei den Bewohnern vorbei,
wo er immer Blumen mitbrachte und zwei edle Konditor-Pralinen,
was wohl eine Marotte von ihm war.
Er fing an im Teich zu schwimmen, mußte danach seine Erkältung auskurieren,
wurde immer von ein paar Leuten bemuttert und gesund gepflegt-
er lag zu lange auf der Sonnenterrasse, ging zu weit wandern und bekam Blasen,
er futterte zuviel frischen Salat .. und bekam Durchfall .. usw.
Er fand Freude am Malen und Töpfern - kurz:
Langeweile war weg, Freunde kamen dazu.
Er machte später den Vorschlag den Ottilienhof zu erweitern,
dass statt 40 danach 100 Zimmer der Gemeinschaft eigen wären.
Der Vorschlag wurde diskutiert und zur Abstimmung gebracht.
So kam es, dass der Ottilienhof zu einem großen "Winkelbau" oder "L" wurde,
der ganz genau wie der Hauptbau aussah.
Durch diese L - Form war vom Parkplatz
aus das etwas protzige Gewächshaus nicht mehr zu sehen
und die Ruhezonen waren separater gehalten, privater.
Auf die Durchfahrt zum Bauernhof musste ja nicht mehr geachtet werden,
weil der Bauernhof nicht mehr da war.
Das Geld des edlen Spenders -
es sollte davon jeder seinen Geschäftsanteil haben -
hat fast gereicht-
bis auf einen "läßlichen" Kredit der Hausbank.
Die Anlage war relativ schnell fertig und die Bewerber kamen..
.. genau wie immer ganz sorgefältig "ausgesiebt" und gründlich durchleuchtet.
Nun lohnte sich das Büro für den Kommissar und seine Frau endlich richtig!

50 Einzel- und 50 Doppelzimmer, das ist doch mal eine Hausnummer !
Es hat nicht lange gedauert und die Zimmer waren voll belegt-
zuerst kam die Warteliste dran..
150 Bewohner war die Vollbelegung.
Von nun an war die Bilanz freilich noch eindrucksvoller,
wie jeder nachrechnen kann.
In enger Zusammenarbeit mit einem ortsansässigen Rechtsanwalt kam der Kommissar
immer häufiger mit Behörden in Kontakt, die immer neue Probleme suchten.
Es liefen etliche Unterlassungsklagen und Entschädigungssummen zu Gunsten der Gemeinschaft gegen Behörden.
Auf dem Ottilenhof aber war alles in Butter,
wasserfest und in trockenen Tüchern, wie man so schön sagt.
Die Terrasse wurde in gleicher Art angelegt,
wie die des ersten Hauses, damit die Symmetrie gewahrt war.
Desgleichen mit der Solaranlage,
die ein wenig härter angewinkelte Zellenblöcke bekam,
damit die Ausrichtung zur Sonne stimmte.
Ein großer Wasserspeicher kam dazu,
freilich auch eine 2. Heizungsanlage.
Nein, es war kein Unterschied zwischen den Flügeln des neuen Hauses.
Der Eingangsbereich wurde in die Mitte verlegt, in den Eck-Winkel.
Die Terrassen wurden zu einem riesigen, gut isolierten Wintergarten,
die übers Eck zusammen liefen,
mit breiten aufschiebbaren Elementen,
der auch die Funktion des Speise- und Versammlungssaales übernahm.
Auf dem Wintergarten waren ebenso Solarzellen, aber so angebracht,
dass genug Licht hinein kam.
Der alte Speisesaal wurde zum beheizten Schwimmbad, der immaginäre neue Speisesaal
sogleich zum Sauna- und Wellnessbereich gestaltet.
Ein feiner Ort und ein doch schon recht repräsentativer dazu.
Über dem Eingangsportal
war ein schmiedeeiserner, beleuchteter Schriftzug "Ottilienhof" angebracht
und zwei kleine dezente Strahler - alles ganz gediegen,
wie in den 60iger Jahren.
Die Einweihungsfeier wurde geplant -
die Vorschläge dazu in einer Abstimm-Urne gesammelt,
die dann feierlich verlesen werden sollten.
Danach wurde "gevotet".
Man entschloss sich dagegen,
die Bewohner wollten mehrheitlich die Stille und keinen Trubel.

Einige Frühaufsteher hatten ihre "Runden schon gedreht",
bevor das Sekretariat öffnete
und noch bevor der Gärtner an seinem Werk war.
Der Bäcker war schon sehr zeitig da und lieferte seine hundert Brötchen
und hundert Kaffeestückchen und seine Brote ab,
direkt in die Frühstücks-Bar.
Der Catering-Service lieferte nun seine Wurst / Käse
und Marmeladen oder Honig direkt an dieser Stelle ab.
Eine feine lange und moderne Kühltheke an dieser Frühstücksbar war das Highlight.
Der große Kaffee-Kakau-Tee-Automat ergänzte das Angebot.
Alles vom Feinsten, versteht sich von selbst.
Der Catering-Service des Metzger-Sohnes löste dieses "Problem" nebst Wartung.
150 Personen war schon eine Hausnummer,
das lohnte sich allemal, weil dieses "Event" jeden Morgen war..
Die Kosten dafür wurden nicht kleinlich eingesammelt,
sondern monatlich mit der Umlagenrechnung beglichen!
Die meisten Leutchen hatten mit diesem Buffet fast den ganzen Tag genug,
im Alter ißt man nicht mehr so viel.
Die beiden Einbauküchen dienten meistens nur dem Hobby,
wenn die Koch-AG aktiv war oder etwas Besonderes gemacht werden sollte.
Zum Beispiel Hasenbraten oder Reh-Ragout oder Pfannkuchen-
was eben gerade präsentiert wurde von dieser kleinen Truppe.
In der Koch - AG waren mehr Männer als Frauen
und in der Schraubergruppe mehr Frauen als Männer..
..mal wurde ein alter Traktor
Marke E icher mit Mähwerk restauriert, mal ein Wasserwidder gebastelt-
als Demo-Schnittmodell.
Diese Dinge wurden am Parkplatz als Prunkstücke ausgestellt,
unter einer gläsernen Überdachung.
Die nächste Baustelle war eine Tiefgarage unter dem alten Parkplatz,
so war oben nur noch für Besucher und Anlieferer zu parken
und ein großer runder und beleuchteter Springbrunnen zu sehen.
Sonst wurde alles als Kiesweg ausgelegt und sorgsam umpflastert,
ab und an eine Krüppelkiefer als Blickfang.

Die Anlage hatte ihre Vollendung erreicht,
da waren alle recht froh und zufrieden.
Ein nochmal erweiterter Ausbau haette viele Sondergenehmigungen
nötig gemacht und das wollte keiner riskieren.
150 Leute sind ja auch mehr als genug- obwohl-
man sah davon eigentlich nie besonders viele Leute auf einem Haufen,
wie man so schön sagt:
Es handelte sich bei den Bewohnern allesamt um ausgemachte Indiviudalisten,
die lieber für sich waren.
Manche kamen tagelang nicht aus ihrem Zimmer- wozu auch?
Diese betrachteten den Ottilienhof als Eremitage
und nicht als Altenheim und nicht als Hotel -
die Substanz war eben eine Wohnanlage mit 150 Eigentümern,
eigener Verwaltung und Bediensten.
Der Verwalter oder Kommissar
errechnete 400 Euro monatliche Umlagen pro Person- damit lag man günstig,
wenn man den Komfort bedachte.
Das waren also 60.000 Euro jeden Monat,
der an Umlagen in den Topf kamen.
Davon mußten die Gehälter und Dienstleistungen
und Steuern und Versicherungen, Müllgebühren, Reinemacher etc. beglichen werden.
Überschüsse kamen zurück als Gutschrift am Ende des Jahres.
Der Luxus war noch immer dezent
und beeindruckte sogar die Stadtverwaltung,
die zur Besichtigung eingeladen wurde.
Der Verwalter sagte zu der Delegation der Stadt:
"Wissen sie, wir sind eigentlich nur eine Eigentümergemeinschaft,
die ein wenig anders organisiert ist,
mit den Renten oder Pension der Leute hat die Verwaltung nichts zu tun,
uns geht es nur um die Fond-Anteile und das Gebäudemanagement,
das im Umlageverfahren arbeitet.
Die Satzung ist dem Ortsgericht und auch der Stadtverwaltung bekannt,
genau wie allen Mitgliedern des Hauses.
Rechtlich abgesichert und eingetragen."

Die Zulieferer parkten direkt hinter dem Eingangstor -
dort hat man einen elektrisch betriebenen Transportwagen mit Hilfe der AG gebaut,
mit dem die Waren direkt bis zum Frühstücks-Buffet gefahren wurden.
(So mußte keine fremde Person durch das Haus)
Der Putzdienst wurde von einer Firma in der Stadt übernommen,
die hatten günstige Konditionen für das Haus gemacht.
Alles wird immer ein wenig feiner gemacht,
so war der Tenor der Gemeinschaft.
"Lieber etwas mehr Umlagen bezahlen,
als sich einen lädierten Rücken holen - was im Alter kein Spaß ist."
(Alte Knochen werden eben spröder und die Bandscheiben nicht besser..)

Die zwanzig bis dreißig Leutchen, die zusammen frühstückten,
fielen in dem weiten Raum der Terrasse nicht mal auf..
Es ergaben sich regelrechte Frühstückgemeinschaften und solche,
die sehr früh dabei waren oder andere,
die jede Ansammlung mieden
oder schlicht immer spät dabei waren
oder im Zimmer blieben.

Es gab nicht nur schöne Nachrichten:
Der Catering-Sohn meinte etwas von einer Klage von Gastronomen gehört zu haben,
weil im Ottilienhof eine Gastronomie illegal eröffnet worden sei.
Deshalb wollte er lieber die Theke wieder abholen,
wurde aber vom Kommissar davon abgehalten:
Mach dir nichts daraus,
dann melden wir das eben als Subunternehmen auf deinen Namen an,
die Brötchen kommen dann eben nicht mehr vom Bäcker direkt,
sondern über dein Unternehmen zu uns.
Ich verrechne dann deine Monatsrechnung der verkauften Waren als gesonderte Umlage.
Eine Umlage wurde somit billiger, eine neue kam dazu-
die Bewohner haben das eher kaum gemerkt..
Die Catering-Ecke wurde räumlich in einer Ecke der Terrasse untergebracht,
dort im neuen Bau, wo mehr Schatten ist als beim alten Haus.
Das Ding lief gut und erfreute die Bewohner jeden Tag,
es wurde nicht bewirtet-
in dieser Ecke war kein Tisch und kein Stuhl oder Tresen,
an dem die Brötchen hätten eingenommen werden können-
davon hat sich das Gewerbeamt ganz genau überzeugt.
Die Frühstücksbar war nur eine Selbstbedienung,
wie ein Automat oder eine kleine Reihe von Automaten.
"Es muß alles seine Richtigkeit haben",
sagte der Kontrolleur freundlich-
"es hat halt jeder so seine Freunde oder besser Neider".

Der Verwaltung des Ottilienhofes war die neue Lösung recht,
sie hatte sich nur dem "Rat der Weisen" zu beugen
und der bestand aus 150 Bewohnern,
die alle gleichberechtigt waren.
Demokratie können die Stadtpolitiker an Ort und Stelle lernen,
wie der Kommissar süffisant grinsend bemerkte..

Bis eines Tages ein Toter in der Terrassentür lag..
Einer der Hunde merkte das als erster und meldete das sogleich
-mitten in der Nacht um 3 Uhr 10- lautstark.
Die Bewohner liefen zusammen
und mußten von dem ehemaligen Bürgermeister zurück gehalten werden:
"Es hat doch keinen Sinn, wenn wir hier die Spuren verwischen-
bleibt bitte unbedingt draußen!"
Die Polizei wurde gerufen, der Notarzt ebenso.
"Der ist nicht von hier",
so kommentierte der ermittelnde -diesmal echte- Kommissar.
"Vermutlich Osteuropäer, Papiere hatte er keine dabei -
wir haben aber einen weißen Transporter draußen vor dem Anwesen gefunden.."
Auf diese Weise war der Hof entlastet-
das Einbruchwerkzeug war unweit vom Tatort gefunden worden,
die Hebelspuren an der Terrassentür war eindeutig.
Die Spurensicherung hat alles genau untersucht.

Die Aufregung steckte trotzdem in den Knochen der Bewohner-
wie ist der Mann umgekommen, war es Mord oder was?
Äußerlich waren keine Spuren an der Leiche zu finden,
auch keine Biss-Spuren der großen Hunde.
So wartete man die Obduktion des Einbrechers ab,
man wird schon erfahren, woran dieser gestorben ist.
Das war erst einmal der Gesprächsstoff Nummer 1 beim Tee,
die wildesten Spekulationen machten die Runde-
Krimifreunde kamen dabei wohl voll auf ihre makaberen Kosten.
Der Geruch, den der Tote ausströmte war irgendwie seltsam,
das fiel manchem auf,
wohl auch den Polizisten und dem Arzt.
Vierzehn Tage spaeter hielt man es nicht mehr aus
und rief bei der Polizei an und ließ sich den ermittelnden Kommissar geben.
"Was habt ihr denn heraus gefunden, woran ist der Mann gestorben?"
Die Antwort verblüffte:
Wir haben im Magen große Mengen des giftigen Knollenblätterpilzes
gefunden, die er zuvor als Mahlzeit zubereitet hat.
Dieser Pilz ist einem eßbaren Pilz in der Heimat des Einbrechers so ähnlich,
dass wir etliche Vergiftungen jedes Jahr haben.
Dieser Mann hat ganz klar viel zu viel davon gegessen
und ist an diesem Gift gestorben, - an diesem, äh, äh
wie heißt das noch gleich, rief er einem Kollegen im Hintergrund zu.
"Amatoxin, ein starkes Lebergift"
kam die bärige Antwort so laut,
daß man diese vermutlich auch ohne Telefon gehört hätte..
Man stirbt dabei an Leberversagen, daß das aber so schnell geht,
hätte ich nicht gedacht:
7 Milligramm
reichen bei einem 70kg schweren Menschen schon aus- wenn man bedenkt,
dass 50 Milligramm in einem größeren Pilz enthalten sind
und dieser Typ gut ein halbes Kilo davon gefuttert hat..
Ist schon gut, danke Herr Kommissar,
wir werden einen Pilzlehrgang anregen,
damit die Bewohner des Ottilienhofes
nicht auch noch auf den Gedanken kommen,
unkundig Pilze zu sammeln- sie wissen ja,
die Leute hier versorgen sich selber,
wir sind kein Hotel oder Gastwirtschaft.
Vielen Dank nochmal und nichts für ungut-
ok, dafür sind wir ja da, meinte der Polizist.

Die Nachricht wurde sogleich im ganzen Ottilienhof verbreitet
und ein Pilzfachmann für ein Seminar bestellt..
Dieses Seminar war so erfolgreich,
dass sich spontan eine kleine Hobby-Gruppe bildete.
Die Terrassentür wurde repariert und fertig war die Sache -
trotzdem war es manchem etwas mulmig,
dass hier jemand versucht hatte einzubrechen.
Dabei fiel auf, daß die Hunde erst spät meldeten
und die Alarmanlage keinen Sensor im Wintergarten hatte..
Viel später hörte man munkeln,
daß in dem weißen Transporter Schlafstellen von mehreren
-flüchtigen- Personen mit div. Ausweisen gewesen sein sollen.
Auch war genug wertvolle Beute unter Sperrmüll versteckt,
wie das Gerücht ging.
Jeder der Flüsterer und jeder Polizist und Stadtverwalter war stets emsig bemüht,
gebetmühlenartig darauf hinzuweisen,
"daß schließlich auch aus unserem Land genügend Straftäter und Straftäterinnen stammen,
also keinesfalls nur Ausländer.."
Ist schon klar, "Gender" läßt grüßen.
Mit Politik soll sich gefälligst unsere Meckerer - Gruppe beschäftigen,
so war die Meinung der allemeisten Bewohner,
die ständig nörgelnden Männer auf der Bank unten am Garten -
ihr wißt schon.. die von der Mupped-Show-Tribüne.
man ging politischen Gesprächen am besten aus dem Weg,
"bringt ja eh nix, außer Magenschmerzen".

Wie auch immer, das Frühstückbuffet war gerettet
und somit das allgemeine Wohlbefinden
der allermeisten Leute des Ottilienhofes,
der inzwischen ein geschätzter Arbeitgeber oder Auftraggeber geworden ist,
dem man blind vertraute.
Es hat sich wohl herum gesprochen,
daß die Eigentümer es nicht nötig hatten,
Rechnungen säumig zu bleiben und wenn,
dann aus altersbedingter Vergesslichkeit,
was dann aber sogleich beglichen wurde.
Eine kleinere Filialkirche war nicht allzuweit entfernt-
in deren Nähe war ein beliebtes Lokal mit Biergarten -
wie praktisch für den sonntäglichen Spaziergang !
Die fromme Gruppe traf sich zum gemeinsamen Gang zur Kirche
und kam sehr heiter wieder zurück.
Klar, daß das manchem Klatschmaul auffiel
und so wurden "Untersuchungen" angestellt,
die den Grund der seltsamen und nur auf den Sonntag
beschänkten Fröhlichkeiten "erforschten".
Daß bei so vielen Leuten gerne geklatscht wird,
dürfte niemanden überraschen ;)
Die Schreiberlinge störten sich nicht daran,
die waren als Stubenhocker verschrieen.
Den Naturfreunden war das so egal wie den Gartenbauern,
sollen die doch reden was sie wollen, war deren Meinung dazu.

Bei Geld- oder Versicherungsfragen
gingen die Bewohner des Ottilienhofes immer erst zu ihrem Kommissar,
was in der heutigen Zeit mehr als ratsam ist -
ansonsten wurden Versicherungsleute immer gleich zum Ausgang begleitet,
wenn sie nicht ausdrücklich eingeladen worden sind.
In manchen Mietblocks ist die Tierhaltung verboten,
in dieser Gemeinschaft war das ausschließlich Sache des jeweiligen Eigentümers,
der schließlich auch für den evtl. Schaden aufzukommen hatte- mündige Bürger,
so war man der Meinung,
brauchen keine Bevormundung.

Eines Tages rief ein Radiomoderator an
und wollte den Ottilienhof einmal besuchen,
evtl. eine kurze Reportage machen:
Einige Leute wären mit Fragen über diese Art des Zusammenlebens
an ihn heran getreten-
das war allemal ein zeitgemäßes Thema,
da immer mehr ältere und alte Menschen im Land sind.
Von unterwegs rief der Reporter nochmal in der Verwaltung an:
Wir sind in einer Stunde bei ihnen und machen die Reportage.
Hektik entstand keine,
weil immer alles in Ordnung war, ohne jeden Makel.
Sie kamen zur Stunde,
als gerade ein dutzend Bewohner im weitläufigen Bereich der Terrasse waren
und genüsslich ihre erste Mahlzeit des Tages einnahmen.
Einige lasen die Zeitung, einer war im Raucherbereich mit seiner Zigarre,
(Selbstredend gab es kein "Rauchverbot", sondern Rücksichtnahmen auf beiden Seiten)
andere schnitten gerade das knusprige Brötchen auf.
"Setzen sie sich doch, nehmen sie sich doch erst mal das Fruehstück ein!"
Wer von den Eigentümern das Frühstück vorgeschlagen hat war egal-
es war immer im Sinne aller Bewohner.
Hier hatte man nicht den geringsten Sinn für Kleinlichkeiten,
die man sonstwo findet.
Nachdem die Crew des Rundfunks sich gestärkt hatte -
aber auch schon während des Frühstücks -
wurden die ersten Fragen beantwortet, die erste Aufnahme gemacht.
"Kompetent" war jeder der Bewohner,
denn allen gehörte ein Teil des Ottilienhofes, - wie schon erwähnt.
Sehr bald gingen die Leute durch die Anlage,
mal im weitläufigen Haus, mal draußen im Park,
um den Teich bis zum Garten.
Irgendwo waren immer einzelne Leute des Hofes zugange,
der Gärtner schnitt am Efeu,
eine Bewohnerin hackte zwischen den Salatbeeten,
ein Maler stand mit der Staffelei im Park und war gerade am einpacken..
..er wollte die Morgensonne am Ginkgobaum einfangen.
Die Gruppe der Traktor-Bastler hat gerade den Luftfilter zerlegt-
während die Putzleute schon wieder nach Hause fuhren.
Etliche kamen von der Fußpflege im Haus, die gerade in der Praxis Dienst tat.

Nun kam "der Kommissar" des Hauses mit seiner Frau um die Ecke -
und ging eiligen Schrittes zum Büro.
"Ach, sie sind schon da- ich bin heute aufgehalten worden-
Familie, wissen sie, da ist immer was los.."
Der Aufnahmeleiter des Senders nickte stumm
und schob sich den letzten Bissen mit Hausmacher Wurst rein.
"Kommen sie doch einfach mit,
bei uns ist das alles nicht so förmlich, unten ist mein Office."
Seine Frau hatte schon mal aufgeschlossen, die Sicherungen entfernt,
damit die Fenster geöffnet werden konnten-
frische Luft, raus mit dem Aktenmief !
Nehmen sie doch Platz, was möchten sie wissen?
Die Professionalität hat die Radio-Leute beeindruckt,
die klare Buchführung erst recht,
die freilich nur als Rahmen offieriert wurde.
"In jedem Raum ist ein Notfall-Knopf,
mit dem man schnelle Hilfe holen kann"
Ein Bewohner ließ die Crew spontan in sein Doppelzimmer schauen-
die Leute waren allesamt recht ordentlich,
das war auf den ersten Blick jedem klar.
Sicherheitstechniken, Brandschutz und elektronische Schlösser,
wie in einem guten Hotel, nur ein wenig sicherer.
Jede der Zimmertüren war feuerhemmend
und mit mehreren Zuhalterungen, hier war kein billiger Kram verbaut.
Man sieht das schon von außen, so der Regisseur, die Materialien des Hauses sind allesamt so,
als hätte die Kirche das bauen lassen.
Wenn jemand auf den Rollstuhl angewiesen war, fand sich immer jemand,
der das Zimmer getauscht hat - um
barrierefrei überall herum fahren zu können,
zudem fand sich immer jemand, der schieben half.
Genau das sollte den Sinn dieser Gemeinschaft umschreiben:
Gegenseitige Hilfe, ohne bitten zu müssen -
jeder ist dazu bereit gewesen.

Außenfahrstühle sind an jeweils einer Giebelseite verbaut, sogar mit Notstrom betrieben.
Die Radioleute waren beeindruckt
und fragten sogar nach den "Bedingungen" zur Teilhabe-
mancher dieser Leute hatte ältere Herrschaften in der Familie,
die sich im Altenheim nicht eingewöhnen konnten oder wollten.
"Oh, da kann ich ihnen nur die Warteliste zeigen",
sagte ein alter Herr mit Stock -
die wird immer länger und länger -
die hängt hier vor dem Office offiziell aus.

Über die Art der Mitbestimmung ließ man sich noch einiges erzählen -
sie fragten dabei nicht im Büro,
sondern mehrere x-beliebige Bewohner.
Die Leute verstauten ihren Kram wieder sorgfältig
und setzten sich in die Wagen-
"Es hat uns wirklich gefallen,
wir werden entsprechend berichten, auf Wiedersehen!"

Einige Zeit später kam der Beitrag im Radio
und darauf haben viele Interessenten angerufen und sich erkundigt,
wo man Aufnahmeformulare bekommen kann.
Es riefen auch Kommunen an und private Leute,
die eine ähnliche Anlage zu gründen beabsichtigten.
Ein paar sind sogar zur Besichtigung gekommen und waren begeistert.
Der "soziale Aspekt" war der einzige Kritikpunkt:
Man muss doch schon etwas mitbringen,
um hier seinen Anteil erwerben zu können-
Langzeitarbeitslose und Sozialfälle habe hier wohl keine Chance?
Nein, die Heilsarmee sind wir nicht, meinte einer der Bewohner-
wir haben schließlich unser Haus oder Eigentumswohnung
oder alle Lebensversicherungen
dafür opfern müssen und wollen freilich nicht,
daß andere davon nutznießen, ohne entsprechende Mitgift einzuzahlen!
"Mancher verlebt seinen Teil oder verprasst alles
und will später irgendwo schmarotzen - das geht nicht."
Diese Einstellung hat manche abgeschreckt,
das muß man ehrlicher Weise sagen.
"Wir hatten schon Fälle, die hier mitmachen wollten,
denen wir gründlich auf den Zahn gefühlt haben:
Die Erben hatten ihren Teil bereits
und wollten nun den Alten für lau irgendwo unterbringen,
was sogar Pflegefälle betraf !"
So schlau sind wir auch,-
solche Ansinnen wurden geschmeidig abgewürgt.
Alkoholiker und Drogenabhängige und Straffällige brauchen wir nicht,
desgleichen nehmen wir keine Fanatiker auf,
egal welcher "Fraktion" sie angehören - keine Gewerkschaftsführer und keine Politiker.
Ach, kam zur Antwort und was ist, wenn "ethnische Minderheiten" anfragen?
"Vergessen sie's, wir wollen nicht umgeformt werden!"

Im Keller des Neubaus war der Wellness-Bereich,
sogar mit Fango und Sauna, Wassertretbecken und Hometrainern.
Alles seniorengerecht ausgelegt.
Der Masseur und Bademeister hatte nun jeden Morgen in diesen Räumen zu tun.
In Zusammenarbeit mit dem Hausarzt, der Nachmittags seine Praxis-Stunden betrieb,
konnte gleich über die Krankenkassen abgerechnet werden.
(Die örtliche Apotheke lieferte in das Office.)
Die Ottilienhof-Verwaltung selbst hatte damit nichts zu tun.

Als besondere Events gab mal ein Zauberer,
Animateure, Sport- und Fitness-Trainer,
Schwimmlehrer und Heilpraktiker oder Physiotherapeuten,
Sänger oder Gaukler für kleine Vorführungen vor dem Publikum,
ab und zu ist auch mal ein Prediger oder Pfarrer dabei gewesen.
Wichtig war die Abwechslung, die Unterhaltung und
wenn man bei einem Vortrag noch etwas lernen konnte,
um so besser - der Dalai Lama kam zu Besuch und ein berühmter Bergsteiger mit Diavortrag,
ein Chor war schon mehrmals im Hause und ein Sicherheitsberater der Polizei.

Irgendwann hörte man in den Nachrichten,
daß in div. Orten ähnliche Altenanlagen wie Pilze aus dem Boden sprossen.
Wären die Bewohner Heilige gewesen,
hätten sie den "sozialen Aspekt" bestimmt mitfinanziert,
wie Franz von Assisi alles geteilt..
sie sind aber Menschen gewesen und keine Traumtänzer und haben hart für ihren Lebensabend gearbeitet.

***

150 Namen auf dem Briefkasten - der neue Postbote staunte nicht schlecht,
als er seine neue Tour zum erstenmal machte.
In eben diesen Briefkasten kam ein grauer Brief von der Stadtverwaltung..
..der Inhalt dieses Schreibens ließ jede Lust an Spenden an Vereine erlahmen.
Eine Ratsversammlung wurde einberufen und zuerst der Brief verlesen:
Ihre Wohngemeinschaft erfüllt den Umstand diverser Unternehmungen,
deshalb sehen wir uns gezwungen, gegen sie vorzugehen,
da der Verdacht auf Steuerhinterziehung besteht.
Wir legen hiermit ein Zwangsgeld von 3000 Euro fest.
Ferner kann mit der Schließung der Anlage gerechnet werden,
wenn dieser Betrag nicht binnen 14 Tagen an die Stadtkasse bezahlt wird.
Der Kommissar hat den Betrag sofort überwiesen und die Sache auf sich beruhen lassen.
Von nun an hat er ein paar Bewohner damit beauftragt, den Hintertreiber ausfindig zu machen.
Viele Leute waren recht gut in der Stadt bekannt und gut informiert.
Lange hat man nicht gebraucht, um einen Stadtverordneten ausfindig zu machen,
der im Finanzausschuß sitzt - nebenbei betreibt er div. Mietobjekte
und ist ein Erzfeind des Catering - Sohnes.
Das hat man der Presse gesteckt und prompt hat sich einer der Fernseh-Leute dahinter geklemmt.
Die Gemeindeverwaltung hat sich mit einem "Versehen" entschuldigt,
sie hätten ja nicht wissen können, dass die Frühstücksbar nur eine Filiale des Catering
Service gewesen sei - die Kenntnis darüber sei in einer ganz anderen Bearbeitungsstelle..
..vermutlich hütten sich die Ermittlungen überschnitten.
Kein Wort von den 3000 Euro.
Erst auf bohrendes Nachfragen kam die Antwort:
Sie können den Betrag von den demnächst fälligen Gemeindegebühren abziehen.
Damit gab man sich nicht zufrieden und holte unter lautstarkem Getöse
von 150 Bewohnern den Betrag in bar von der Gemeindekasse ab-
wobei wieder die Presse zugegen war -
und nochmal hundert aufgebrachte Bürger, denen ähnliche Dinge widerfahren waren..
So viel Geld hat die Gemeinde nicht in ihrer Schatulle,
so mußte ein Angestellter mit Vollmacht in die nächste Bank gehen
und den Betrag vom Gemeindekonto abheben.
Hinterher stellte sich heraus, daß einer dieser Gemeinde - Leute "so nebenbei" noch etwas "ausgeliehen" hatte,
das er "selbstverständlich zurückzahlen" wollte-
es war der Bruder dieses Stadtverordneten im Finanzausschuß, der eine Tür weiter in der Verwaltung untergebracht war:
Ein Planungsdezernent, der mit dem Bau von Kindereinrichtungen betraut war.
Die Gemeinde war nun in aller Munde und viele Leute kontrollierten mal eben geschwind die letzte Rechnung von der Kommune..
Die Sache landete im Kreistag und zog dort noch einige peinliche Untersuchungen nach sich,
zumal in der benachbarten Großgemeinde ähnliche Vorfälle laut wurden.

Auf dem Ottilienhof war man sich einig, daß diese Geschichte der mit dem toten Einbrecher nicht viel nachsteht.
Der tägliche Ablauf ging weiter, als wäre nichts geschehen-
die Verwaltung des Hofes hatte sich nichts vorzuwerfen.

Der Ottilienhof ging einen Schritt weiter,
eine Baufirma rückte an und
der ortsansässige Architekt und Bauunternehmer rieb sich die Hände:
Er war vom jetzigen Bürgermeister ausgebootet worden - jener hat sich nie mehr für dieses Amt beworben.
Der Plan war, eine akustische Muschel zu bauen, in welche ein kleines Orchester paßt..
..entsprechend auf rundem Steinsockel und vielen Stühlen auf einem Kiesplatz davor,
ähnlich wie in Kurorten manchmal zu sehen ist.
Die Akkustik sollte entsprechend den Ansprüchen recht gut sein,
das war allen klar, als sie sich darauf freuten.
Dort, wo das L des Hauses einen Innenhof bildet, der Brunnen wurde ein Stück versetzt.
So kam der Schall hinter Muschel nochmal von den Wänden zurück..
Ein paar Meckerer gibt es immer, aber kaum jemand, der sich später dem Reiz dieser Darbietungen entziehen konnte.
5 Meter hoch war das Prunkstück aus glänzendem Metall und edlem Stein.
Einst stand dort die große Bauern-Scheune, heute ein Musen-Tempel..
..ein paar Stuhl Reihen in Gruppen wurden auf dem Kies vor der Muschel aufgestellt.
Nun kam die Theater - AG in Schwung, einige Leute aus der Stadt machten gerne mit-
ein solches Angebot war sonst nur in Kurstädten zu haben -
hier auf dem Hof ohne Nutzungsgebühren!
Das ärgerte die Stadtverwaltung ganz gehörig und trotz Einschaltung div. Stellen
für Musikrechte oder Veranstaltungsrichtlinien war dagegen nichts zu machen:
Privatgelände, Privatveranstaltung, kostenfreier Eintritt..
Theaterstücke, Gregorianische Gesänge, Sängerwettbewerbe, Dudelsackbläser und barocke Gruppen,
ja sogar junge Künstler mit schriller Musik traten hier auf.
Auf alle Fälle war immer was los und das war den Bewohnern des Ottilienhofes schon mal etwas wert:
Gratis - Sekt und Häppchen für alle..

Die Anlage Ottilienhof wurde immer etwas feiner und.. bekannter.
Nun sann man in der Bürgermeisterei wieder nach weiteren Hemmnissen,
die auch bald gefunden wurden, auch wenn sie beim Brandschutz nicht gefunden hatten:
Was ist, wenn einem der auswärtigen Besucher oder Musikanten etwas zustößt?
Wer zahlt das?
Wie schaut es mit der "Lärmbelästigung" für die Anlieger des Wohngebietes aus?
Die Stadt entsandte eine Sachverständigengruppe und nahm Lärm-Messungen vor.
Der Ottilienhof hatte vorbeugend zwei Anwälte eingeladen,
die - unerkannt - die Szenerie verfolgten und dann die Stadt wegen Nötigung,
Verdacht der Erpressung und Kostentreiberei, Eindringen in einen Privatraum oder Mobbing anzeigten.
Die Sache wurde vor Gericht ganz schnell beigelegt, die Stadt zahlte ein Bußgeld
an eine gemeinnützige Organisation und schickte eine formelle Entschuldigung durch einen Vertreter des Bürgermeisters.
Das wurde überall erzählt und hat ihn die Wiederwahl gekostet.
(Bevor er die lebenslange Pension dafür bekam- also vor der 2. Wahlperiode)

Die kleinen Konzerte jedoch gingen munter weiter und wurden zum freudig erwarteten Event.
Ein Stadtbewohner hat die Sache weiterverfolgt und den neuesten Gag der Stadtverwaltung
in den Medien ausgiebig bekannt gemacht.
Eine ähnliche Sache hatte ihm damals die Konzession für sein Musikcafe gekostet
und die Insolvenz gebracht, unter welcher er noch heute leidet.
Heute klagt er auf "Armenrecht" auf Wiedergutmachung oder Schadensersatz.
Nur wenige alte Männer führten diese heutigen Zustände auf die Verakademisierung zurück,
die Gier ohne Grenzen fördere, wie sie meinten.

Die Fraktion, die bislang in der Kommune das große Sagen hatte- und das schon seit den ersten Nachkriegsjahren,
war danach weg vom Fenster, die Wogen sind über ihr zusammen geklappt.
Ein Untersuchungsausschuß hat ganze Arbeit geleistet und so manche "Ungereimtheit" in den Finanzen
und im Bauhof entdeckt, besonders bei der Auftragsvergabe a la Vetternwirtschaft.
Diese Sachen sind eigentlich "fast normal" in den kleineren Landstädten,
wo gemauschelt wird, daß sich die Balken biegen.
(Jahre nach dieser Story kamen ähnliche Vorfälle in Frankfurt ans Licht)

Ein verglaster Zugang zu den beiden Enden der Wintergarten-Terrassen ergänzte den Komfort der Aufzüge.
Viele ältere Leute sind arg zugempfindlich, wie schlimm so etwas werden kann,
erfahren die allermeisten später am eigenen Körper:
Ein Vortrag eines Facharztes über "Fibrillose" war gut besucht.
Diese Vorträge wurden vom "Fachausschuß für Veranstaltungen" gemacht,
den ein paar Bewohner auf freiwilliger Basis betrieben.
Dieser neue Ausschuß hat selbstverständlich vor dem endgültigen "ok"
durch die anderen Bewohner viele interessante Redner
und Bildvorträge oder Filmabende organisieren können.
Besonders beliebt waren Reiseberichte aus fernen Ländern.
So mancher Bewohner ist mit einem eigenen Reisebericht von der letzten Urlaubsreise dabei gewesen.
So war immer "etwas los" auf der Terrasse, die man bald nur noch Atrium nannte.
Durch den Mittelteil zwischen den Gebäuden, das ebenfalls aus Glas war,
über alle 3 Stockwerke zur Süd- und über die 4 Stockwerke der Nordseite
kam man Parterre zur Muschel und zum Brunnen, es war der Haupteingang und Verwaltungssitz.

18qm waren die Einzelzimmer (6x3mtr) und 36qm die Doppelzimmer (6x6mtr) groß,
wie die Bilder der Musterräume im Eingangsbereich zeigten, dort wo die Warteliste aushing.

Nach ein paar Jahren wurde das nächste Bauvorhaben geplant:
Die gleiche L Form nochmal - so dass der Ottilienhof ein Ensembel mit großem Innenhof bildete.
Dieses Ensembel mit oben rundherum laufenden Innenbalkon,
wie schon zuvor auf zwei Seiten, spiegelbildlich angelegt.
Die Bauarbeiten haben sich bald zwei Jahre hingegezogen, bis die Einweihung war.
Durch eine Einfahrt inmitten des Frontbaues,
durch die man über Kies am Brunnen und an der Konzertmuschel vorbei zur Anmeldung ging.
Hier war auch die Zufahrt für den Notarzt.
Zuvor war allerdings der Pfördner, der nicht jeden herein lassen sollte.

Vor dem ganzen Fronthaus hat man einen neuen Parkplatz angelegt.
Nun war wieder Platz im Haus, 100 Einzel- und 100 Doppelzimmer,
also für künftig 300 genossenschaftliche Mitbewohner.
Die "Neuen" kamen z.T. von weit her und wurden so ausgesucht,
daß sie "paritätisch" den Schnitt durch die Gesellschaft spiegelten.
Nur so war garantiert, daß Sektierer ausgeschlossen werden konnten.
Die Verwaltung blieb gleich, bekam noch eine Hilfskraft dazu,
wie einige andere Hilfskräfte aus der Stadt sich freuten, endlich wieder einen "Job" zu haben.
Das Atrium blieb- es war ja auch die Sonnenseite des Hauses.
Die Resonanz des Ottilienhofes wurde groß und größer,
die Zimmer waren schneller belegt, als man gedacht hatte.
Und wieder gab es eine Warteliste und das gegenseitige Versprechen,
das Werk nicht noch weiter auszubauen.
Irgendwann war mal genug.
Die Überschaubarkeit war wichtig, von Anbeginn an die Maxime.
Die Akustik war nun nochmal besser in diesem geschlossenen Innenhof !
Die Konzerte waren ständig ausgebucht, wenn ein Konzert oder Aufführung oder Versammlung war.

***

Der Medizinische Dienst half bei Pflegefällen, die bei so vielen älteren Menschen freilich auftreten.
In Zusammenarbeit mit einer heimischen Pflegedienstfirma ging man auf dem Ottilienhof ein und aus.
Die Menschen sind freilich alle mündig gewesen bis auf einen Fall,
der unklare Verhältnisse ergab.
Ein staatlicher Vormund schaltet sich in Fällen ein, wo man keine "Pflegeverfügung" bestimmt hat.
Es kam so weit, daß diese Person in ein staatliches Pflegeheim überführt wurde,
sein Anteil aus dem Ottilienhof wurde vom Vormund "liquide" gemacht,
seine Bank- und Sparkonten wurden dazu verwendet, das neue Heim zu bezahlen.
Exakt das hat man verhindern wollen mit diesem Modell "Wohnanlage Ottilienhof".
Nun ging jeder Bewohner ganz eilig daran, eine Pflegeverfügung auszufüllen und diese dem Testament zuzufügen.
Das nun frei gewordene Zimmer bekam eine Nachrückerin,
eine ehemalige Sophranistin, die sich später sehr für das musikalische Angebot der Gemeinschaft interessierte.
Man hörte nur, daß einige Bewohner aus dem Ottilienhof im Altenstift zu Besuch waren und entsetzt bemerkten:
Er hat uns wohl nicht mehr so recht erkannt..
Mit einem Schaudern berichteten sie über die anonymen Bedingungen in diesem Heim,
über die fließbandartige Versorgung und die armen Patienten, die dort lagen -
wie abgelegt, abgestellt, allein gelassen von den Angehörigen und was noch viel schlimmer war,
von ihrem eigenen Ich !

Das Modell Ottilienhof hat wenig später viele Nachahmer gefunden..




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Zwischenruf im 73. Lebensjahr..


Heute Morgen kam die Frage auf: Wer ist am häufigsten beim Wocheneinkauf dabei, Frauen oder Männer? (Die Diskussion kam auf, als es um den Sinn von Ladenöffnungszeiten bis 22 Uhr ging)
Die KI meint: "Die meisten Menschen in Deutschland (knapp 20 Prozent) geben unabhängig von der Haushaltsgröße wöchentlich einen Betrag zwischen 76 und 100 Euro für Lebensmittel aus 1. Es gibt keine spezifischen Daten darüber, wie viel Prozent davon Männer sind"
"so übernehmen zu 65,4% die Frauen und zu 28,6% die Männer allein den Einkauf"
"dass Frauen häufiger als Männer beim Discounter einkaufen: 43 zu 39 % Männer. Die Männer sind in Fachgeschäften 6 zu 4 5 vorne."

"der Montag und der Freitag sind die stärksten Tage im Einzelhandel"
Wir sind der Meinung, daß der Mittwoch angenehm ist, besonders vormittags.

..froh zu sein bedarf es wenig. Für jeden Tag des Jahres habe ich 4 Rezepte parat..

Ob der Satz Heinemann's
am Start der Seite stimmig ist oder nicht- daran habe ich meine Zweifel.