plaetzchenwolf - Der Krämer 12. Teil



Der Krämer, 12. Teil


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Im Alter haben Erinnerungen denselben Stellenwert wie in der Jugend die Träume.

Erna Behrens Giegl

***

Wie geht es weiter?

Erwin wollte nach Limburg auf den Markt und sich um das Federvieh kümmern, das in die Gehege sollte,
zusammen mit der Marga sollte die Tour als kleine Reise gelten,
sie hatten noch nie die Zeit gefunden, gemeinsam zu verreisen..
Johann und Irme haben in diesen Tagen die Poststation übernommen,
so kamen sie nicht aus der Übung- man weiß ja nie, wozu das gut sein kann.

Hier ging es nicht nur um die Bewirtung, sondern auch um die Beaufsichtigung des Personals,
die Reinigungskontrolle der Fremdenzimmer, die Küche, die Kasse und die Reparaturaufträge der Kutscher,
die Anlieferer und deren Rechnungen, Begrüßung und Verabschiedung der Gäste und deren Zechen.
Es muss alles wie geplant laufen, es durfte nichts durcheinander geraten.

Abends war noch lange Betrieb in der Station, noch spät kamen die Kutschen an-
die es gerade noch vor der Dunkelheit bis hierher geschafft hatten.

Ab ging die Kutsche in aller Frühe und sie fuhr flott,
wie die Landschaft am Fenster vorbei flog!
Das Dorf zeigte sich noch viel enger, als das zu Fuß der Fall war,
überall Häuser, die mit ihren Ecken in die Strasse ragten,
holprige Pflaster und an den Häusern Holzzäune und Mauern, die verschachtelt standen.
Dann kam wieder freies Land, bergab bergauf in herrlicher Abwechslung.
Ruhig und gleichmäßig trabten die beiden schweren Pferde,
surrten die hohen Räder, wippte die Karosse und schwankte wie ein Schiff.
Bäume und Hecken, weite Wiesen - hier und da Felder, die immer zahlreicher wurden,
je näher die Bischofstadt Limburg kam, die mit ihrem hohen Türmen
des rot - weißen Dom schon von weitem erkennbar ist.
Bald fuhren sie in die weite Senke, in welcher die Stadt liegt-
immer weiter hinab bis zur Lahn, über die alte Lahnbrücke,
bis zum Wochenmarkt. http://www.woc henmarkt-limburg.de/geschichte.html

Die Fahrt war schon zu Ende, eine Herberge schnell gefunden -
Morgen früh war der Markt und wer zuerst kam, mahlt bekanntlich zuerst.
Bis zur guten Nacht war noch Zeit, sie freuten sich auf einen Spaziergang
durch die herrliche Altstadt, die weit gerühmt wird.
Die Häuser waren hier hoch und recht schmal, reich ausgeschmückt allemal
und mit den interessantesten Geschäften bestückt.
Die Preise waren, wie man so schön sagt, "gesalzen" - der Beutel wurde eng an den Leib gepresst-
Diebe lauern überall in den großen Orten.
Welches Treiben, die vielen Lichter, die Leute auf den Straßen -
das war ein so arg anderes Leben als auf den Dörfern, schon mal gar als Zuhause.

Sie nahmen unweit des Domes zur Stärkung ein gutes Stück Kuchen zu sich,
ehe sie zum Gebet in den Dom gingen-
hoch wie der Himmel steht dieses Monstrum noch heute auf dem hohen,
steil von der Lahn aufragenden Felsen, die Burg darauf verschwindet fast
hinter diesem gewaltigen Gebäude mit seinen beiden spitzen Türmen.
Seltsame Fratzen starrten von den Friesen der Mauern,
das scheunenhohe Portal war unglaublich wuchtig, das seine Flügel geöffnet hatte.
Innen war man wie in einer riesigen dunklen Höhle, mit erschreckend riesigen, hohen bunten Fenstern.
Schon die Beleuchtung war beeindruckend, in schwindelnder Höhe angebracht,
hingen die Lampen mittig in den Raum,- und doch nur zufällig zu entdecken!
Viele heilige Ecken und Kanten, viel Gestühl, breite Wege, auf denen ständig Menschen
-andächtig langsam und leise- unterwegs waren.
Nur wenige haben gekniet und gebetet, wenige waren zwischen den Bänken-
dort setzten die Beiden sich hin und staunten, ließen die Blicke schweifen-
zum Beten sind sie dabei nicht gekommen.
Dann schwoll der unglaubliche Ton der vielen, schweren Glocken an,
majestätisch und bedeutend, weit ins Land ihre Stimmen verbreitend..
"Vinum bonum, Vinum bonum.."

Nun konnten Marga und der Erwin sich die Welt der Reichen in ihren Burgen und Schlössern
schon eher vorstellen, denn die der Geistlichen war auch nicht anders angedacht.
Alles war auf eine gewisse hohe Majestät ausgelegt, auf Wirkung und Eindruck.

Devotionalienhändler vor dem Dom, die seltsame Gebilde verkauften,
blutige Herzensbilder, Jesus am Kreuz, goldne Strahlen aus Wolken herab,
hier war alles käuflich oder zu kaufen- wie man es sehen mag.
In einem Süßigkeitenladen - ja, das gab es, ein Laden, in dem nur Süßigkeiten feil geboten wurden,
nahmen sie etwas für die Ursel und den Karl mit - Lebkuchen aus Nürnberg, Marzipan aus Lübbeck, Schokolade aus Brüssel!
Es waren einige Marktplätze in dieser Stadt, wo wohlgekleidete Herren wandelten.
Frauen suchten nach Stoffen, Bedienstete trugen die Körbe hinterher -
hier war von allen Dingen so viel zu sehen, daß der Beutel geschwind leer wäre,
würde man seinen Gelüsten nachgeben..
Besonders Marga fing an zu starren - Schmuck und Geschmeide, wunderbare Kleider,
Friseure, Bader, Schröpfer allerorten, dazwischen Metzger und Bäcker,
Töpfe und Geschirr, Stoffe und Kohl, feine Kleidung und Wäsche- Spielzeug, Tische,
Stühle und wer weiß was noch alles im Innern der Läden war,
die unmöglich alle angeschaut werden konnten.
Der Stundenruf des Nachtwächters ermahnte, die Herberge aufzusuchen -
die Nacht ist nicht so lang, wie man denkt.
Sie sahen zum ersten Mal eine irdene Waschschüssel mit Krug auf den Zimmern der Herberge.
Das wollten sie unbedingt in der Poststation einführen!
Der Wirt vermittelte den Kontakt zu einem Kannenbäcker- so nah an daheim
wurden diese feinen Sachen hergestellt,
sonderbar, daß man davon nie etwas gehört, geschweige denn gesehen hätte.
Solche Dinge wurden meistens exportiert und nur wenig kam in der Heimat selbst auf die Märkte.
Damals haben noch viele Bauern ihre irdenen Sachen selbst gemacht,
wenn diese auch nicht so haltbar waren, wie Geschirr aus gebranntem Ton, was für die meisten Leute zu teuer war.

Nach einem kräftigen frischen Brot (hier gab es jeden Tag frisches Brot,
ein unfaßbarer Luxus für einfache Leute oder Bauern, (die nur alle 14 Tage gebacken haben),
frische Milch und allerlei Leckereien vor Tage!
Gestärkt und frisch gingen sie nun zum Wochenmarkt, wo schon einige Händler auf den Beinen waren.
Tauben, Singvögel, Enten, Gänse, Hühner- aha, hier sind wir richtig!
Ein paar gute Jungtiere wurden gekauft, dann ging es weiter zu einem Händler aus Trier,
der ihnen vorab die Fasane zugesagt hatte.
Es wurde noch ein wenig gefachsimpelt und die Zucht besprochen,
schon mußten sie weiter zur Poststation vor der Brücke -
so war ein (teurer) Tag in der Stadt und eine (teure) Übernachtung gespart.

Ein Bursche half beim Tragen, kassierte und bedankte sich-
so standen sie nun, mit ihren zwei mit grobem Leinen abgedeckten und doch sehr luftigen Weidekörben.
Ein Horn ertönte, schnell war die Kutsche da und alles verstaut - und schon ging die Fahrt ab.
Ein Kutscher hat niemals Zeit- Platz da- das Horn schaffte sich auf der Brücke den nötigen Raum,
die großen Braunen ließen keinen Zweifel aufkommen, wer vorfahren durfte und wer warten mußte!
Nun nur noch einmal die Fahrt genießen und nicht einschlafen-
wer weiß, wann sie die nächste Fahrt in diese Stadt haben würden.

So rumpelte die Kutsche am fruehen Nachmittag noch durch das Dorf
und schon sah man die Fürstliche Poststation, den Freihof,
auf der langen Geraden zwischen den Baumreihen auftauchen..
Daheim, endlich daheim!
Alle warteten gespannt auf die Dinge, die berichtet wurden.
Die Kleinen stürzten sich auf die Lebkuchen und die anderen Leckereien und hörten andächtig zu.
Johann schüttelte immerfort den Kopf- die Irme wunderte sich über die Idee mit den Waschgelegenheiten..
Das Federvieh wurde gut und sicher untergebracht, es bekam erst einmal Wasser und gutes Futter.
Die Fasane waren irgendwie fremd - obwohl in der Nachbarschaft schon so viele Hühner waren.
Totmüde gingen Marga und Erwin zu Bett- nicht ohne nochmal vom Dom erzählt zu haben,
der sehr beeindruckend war.

Johann und Irme waren froh, endlich wieder ihren eigenen Kram erledigen
und nicht den Trubel im Vorderhaus weiter machen zu müssen..
Die Tage verliefen wie immer, täglich kamen die Kutschen an, Gäste wurden bewirtet,
die Helfer halfen, der Schmied schmiedete, der Geselle arbeitete
an defekten Achsen und gebrochenen Aufhängungen und Federn der Kutschen..
Essen wurde gekocht und aufgetragen, die Kinder kamen aus der Dorfschule.
Der Lehrer und der Pfarrer ließen sie den Zwist nicht spüren, das war anzumerken.
Nur die Klassenkameraden waren merkwürdig zu ihnen- sie wurden zuweilen als seltene Vögel angesehen.
Das war ein untrügerisches Zeichen, dass noch immer "etwas im Busch" gewesen sein mußte..

Die Ursel und der Karl haben daheim davon erzählt und Marga hat nur gemeint:
Die sollen sich nur hüten, bei uns beißen sie auf Granit.

Lange hat es nicht gedauert, bis der nächste Angriff der Pfarr-Front mit den Wirtsleuten kam..
Der Notar kam persönlich vorbei und wollte eine Unterredung mit der Marga,
es seien "Unstimmigkeiten" bei der Erbschaft der alten Kräuterfrau "aufgetreten".
Aha, die Leute aus dem Dorf haben wieder etwas ausgeheckt-
wer hat mich zur Anzeige gebracht, sagen sie es ruhig Herr Notar!
Eine Anzeige liegt noch nicht vor, nur eine Anfrage von ein paar "besorgten Bürgern",
die eine Richtigkeit der Eigentumsübertragung ermitteln lassen wollen.
Der Notar sprach weiter:
Bei dem Verkauf der großen Wiesen durch den Sägewerksbesitzer sind sie schon abgeblitzt,
dieser Kauf ist unanfechtbar, klipp und klar geregelt.
Und nun, meint er weiter, ist eben die Erbschaft dran- tut mir leid,
aber ich kann nichts dafür, ich tue nur meine Pflicht..

Zu Marga kam nun Erwin und Margas Eltern - sie waren sprachlos,
dass so viel Frechheit in der Welt, ja selbst in einem kleinen Dorf sein konnte-
die Boshaftigkeit und der Neid treiben immer wieder neue Blüten.
Ich kann anbieten, eine öffentliche Untersuchung anzuberaumen
und die Zeugen der Anklage genau unter die Lupe nehmen zu lassen,
welche Interessen dahinter stehen, aufklären lassen.
Das kann ein teurer Spaß werden, der sich lange erstrecken kann-
Verhandlungen auf Verhandlungen, Anhörungen, Schriftstücke, Aktendurchsichten und so weiter..
Ich biete ihnen an, so der Notar, eine förmlich Widerrede zu setzen,
dann kostet es nicht viel und hat meistens eine gute Wirkung, zumal -aus meiner Sicht- die Sachlage glasklar ist:
Sie sind die rechtmäßige Erbin, die Erblasserin kann ihre Liegenschaften, Hab und Gut vererben, wem sie will,
fügte der Notar an, ich habe das Schriftstück schon vorbereitet und so brauchen sie nur noch zu unterzeichnen.
Das tat die Marga gerne, auch die geforderten 19 Kreuzer zahlte sie gern.

Der Notar reiste wieder ab, zuvor bekam er ein kostenloses Mahl serviert und einen guten Wein.

Sie war auf dem Weg zur Küche, als sie die Hilfskräfte in der Ecke vernahm-
"die haben sich wieder heraus gewunden, der Pfarrer und Frau Anger wird schimpfen"
(Frau Anger war eine der Tratschtanten, die ihren Mann,
den ehemaligen Küster früh unter die Erde gebracht hatte
und nun immer auf Streit aus war- zuhause war ja niemand mehr, den man ärgern konnte)
Aha, dachte sie - hier wird Spionage betrieben - na wartet, das koennt ihr haben !
Im Bett erzählte sie dem Erwin davon.
Am nächsten Tag bekamen die Hilfskräfte die Kündigung, noch vor der Arbeit.
Der Lohn wurde voll ausgezahlt, sie durften die Lokalität jedoch nicht mehr betreten:
Hausverbot und das gleich für alle Dorfbewohner.

Der Schultheiß bekam die Vorfälle von Johann erzählt, der dort zu tun hatte-
angewidert schüttelte dieser den Kopf- das ist ja unglaublich, die geben wohl niemals auf!
Ich habe auch schon einmal ein solches Gespräch zwischen Bäcker und Metzger
und den beiden Wirten in der Gaststube gehört-
sie wurden still, als sie mich in der Ecke mein Bier trinken sahen.
Der Pfarrer kam danach auch noch zu diesen an den alten Stammtisch, wo ich früher auch jeden Sonntagmorgen zu finden war.
Heute jedoch war dieses Treffen am Abend- zu ungewohnter Stunde..
Die haben mich das letzte Mal privat im Dorf gesehen, von nun an werde ich noch viel dienstlicher werden.
Gesagt habe ich nichts, ich bin nur aufgestanden und habe mein Bier bezahlt und bin gegangen,
ohne mir anmerken zu lassen, von der Verschwörung etwas bemerkt zu haben.
Ich werde künftig mein Bier auf dem Freihof suchen, soviel ist klar -
er fuhr fort:
Der Schmied hat mit der Sache nichts zu tun, den mögen sie auch nicht..


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*** Nachgetragen ***



"Die letzten Zeugen der alten Zeit"

























Fortsetzung auf Seite Vivarium12









"Uboot-Kartusche"

"Villa Stierstadt"

Ein älteres Ehepaar hat sich in Oberursel eine alte Trafostation (2x3mtr Gebäude, 23qm Grundfläche) zum Wohnhaus umgebaut, deren Fassade der Frankfurter Alten Oper ähnelt. Die Beiden haben die 14-Quadratmeter Wohnung darin mit einigen Highlights ausgestattet. Ein Waschsalon in der Nähe hilft, denn für eine Waschmaschine ist freilich kein Platz. Unter dem Dach nimmt das Bett den ganzen Raum ein und durch die Dachfenster sieht man den Feldberg.. 65.000 Euro hat das alles gekostet und fast 10 Jahre gedauert von der 1. Besichtigung bis zum Einzug. 100 Jahre alt ist dieses kleine Gebäude, das von Holzwürmern befreit werden mußte.. und nun als Wochenendwohnung dient. Das Paar lebt sonst in .. einem Wasserturm in Usingen. Ein Graffitikünstler hat die Fassade der ehem. Trafostation wie die alte Oper ausschauen lassen. Mit Stereo und Fernseher, Fußbodenheizung..und einer Terrasse, die eigentlich ein Autoparkplatz ist.
"Dem wahren schönen Guten"
Sachen gibt's !

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