plaetzchenwolf - Schattenseite 62





Schattenseite 62








Der Herr Graf -Fortsetzung-


Du hat gut daran getan, mir den Schatz zu zeigen, so sagte sie voller Stolz -
denn ich wußte davon, weil mein Mann diesen Tontopf auch schon einmal ausgegraben hat -
und anschließend wieder genau dort verbuddelt.. (Wir brauchten zum Glück nie an diese Werte gehen,
weil die Brauerei genug abwarf- aber heute schaut das so aus, als ob diese Firmenlenker alles
herab gewirtschaftet hätten und wir unserer Apanagen beraubt werden.)
Der Graf war erleichtert, die Freifrau ebenso.
Ab und zu veräußerten sie ein ganz klein wenig vom "Familienschmuck", wie sie sich ausdrückte.
Dazu kam eigens ein Käufer mit einem Gutachter aus Holland angereist.
Der alte Adel hat doch immer nochmal was für uns, so scherzten die Männer aus dem Nachbarland.
Ja ja, es gab schon bessere Zeiten für uns, so sprach die Herrin ein wenig herablassend.
Der Verwalter steckte das Geld in den Tresor, am nächsten Tag hat er es auf der Bank eingezahlt.
Die Bankleute sahen:
Oh, die sind ganz schön liquide, diese Adelsleute -
auch wenn die Brauerei schon bald pleite ist.
Das Ansehen des Hauses war gewahrt und keiner wußte, wie die Freifrau das gepackt hatte-
"vermutlich", so munkelte man, "vermutlich hat der Herr Graf ordentlich was mitgebracht"
oder seine Ländereien gut verkaufen können, meinte der Banker.

Grüßen sie den Herrn Grafen recht schön!

***

Wer die Lisza kennt, weiß um ihren abschätzenden Blick in die Ferne -
das hat sie lange geübt, als ihr Mann so plötzlich verstorben war und sie auf sich alleine gestellt war,
alleine mit dem riesigen Haus und den vielen Bediensteten, von denen sie immerhin die Hälfte gehalten hat.

Die Brauerei war danieder und so wurde der Notar in den Salon gerufen.
Wir möchten diese Liegenschaft zurück kaufen, lassen sie ein Angebot unterbreiten !
Eine Woche später fuhr der Graf - er ließ sich immer genau eine Woche Zeit - mit dem neueren
Landaulet vor die Werkshallen fahren, der Chauffeur öffnete den Schlag und geschniegelt wie immer stieg
er aus und ging gemessenen Schrittes zur Pforte:
Holen sie mir den Konkursverwalter, mit dem ich heute verabredet bin!
Kein "Bitte" oder "Seien sie so freundlich".
Der Mann kam eilig an und führe den Grafen in den Hallen herum.
Die Verbindlichkeiten sind nicht so hoch wie erwartet, aber einige Dinge müßten erneuert werden.
Die Kaufsumme wäre dann aber sofort fällig, sollte das Angebot von einer Million zusagen.
Gut, setzen sie den Vertrag auf und werfen -
bis auf den Braumeister und andere integere Mitarbeiter -
alle Leute raus.
So kam der Vertrag schnell zustande, die Bank wickelte die Sache flott ab.
Danach hat sich der Graf höchstpersönlich mit den Abnehmern der Bierlieferungen getroffen
und die Verhandlungen geführt.
Der Traditionname "Gräfliches Lagerbier" wurde beibehalten und so begann alsbald die Produktion und die
Auslieferungen mit den firmeneigenen Lastwagen.
Das Bier war gut und so war bald wieder der alte Markt zurück erobert.
Sie brauten nur eine einzige Sorte:
Lagerbier, kräftig und dennoch mild, mit glockenreinem Geschmack und ordentlicher Krone.
Ein Bild von einem Bier, wenn es im kühlen Glase stand.

***

Der Braumeister bekamen einen Lehrling zur Seite, die anderen zuverlässigen alten Kräfte ebenso.
Das Büro wurde von Fachkräften besetzt und die Geschäftsleitung mußte
bei größeren Dingen den Grafen oder die Freifrau unterzeichnen lassen.
Ein Familienunternehmen mit festen Zügeln, schmunzlte man -
die Einkommen der Mitarbeiter waren sicher -
ein wichtiger Faktor in der heutigen Zeit, weil jeder wußte:
Wenn man keine goldenen Löffel klaut, bleibt man angestellt bis zur Rente.
Die Brauerei lief prima, ohne jede Werbung und ohne Promotion, manchmal war die Produktion
ausverkauft aber der Mengenausstoß wurde nicht erhöht und keiner wollte expandieren:
Lieber knapp und edel, als billig und fremdbestimmt, das war die Devise.

***

Die Brauerei vertrieb diese schlanken 0,33ltr Pfand - Flaschen sehr erfolgreich, das "Gräfliche Lagerbier"
war wieder ganz oben auf und die erste Adresse.
Die Brauerei wurde entsprechend ausgeschmückt, die alten Etiketten beharrlich beibehalten:
Biertrinker sind sehr tradionsbewußt und wer hier nur ein klein wenig etwas verändert,
erntet Mißtrauen - das wußte auch der Bankmensch vor Ort, der immer mal wieder versuchte,
den Fuß in die Tür zu bekommen und daraus ein Investorenprojekt zu machen.
Der Graf "sah von einer solchen Audienz aus ungenannten Gründen ab" und empfahl sich.
Luisza bekam alles haarklein mit uns amüsierte sich gut dabei - so war ihr Leben nicht mehr langweilig,
das war ihr die ganzen Jahre hindurch, als ihr Mann sie zurück gelassen hat, fast zur Depression gekommen.
Nun warf die Brauerei wieder guten Gewinn ab und die
- nach außen hin niemals sichtbaren finanziellen - Probleme hatten ein Ende.
Man legte wieder "Taler auf Taler" im Familienhort aufeinander, die Bank bekam nur die Tagesgeschäfte,
so war der Bankmensch immer im Nebel, was die tatsächliche Liquidität des Hauses anbelangte.
Das wurde so richtig deutlich, als der Graf einen Immobilienmarkler kommen ließ,
der als ein guter Freund des Bankmenschen bekannt ist.
Taktisch geschickt, denn es gab noch viele andere Immobilienmarkler in der Gegend..
..und dieser war nicht der in allernächster Nähe taktierende.
Wie immer war dieser Empfang im Salon eine Ausnahme und Besonderheit, dort gab es nur die
feinsten Dinge - diesmal wurden erlesene Konditorwaren und eine Sonderröstung Kaffee gereicht,
die der Privatröster persönlich kredenzte.
Zuerst die Arbeit, dann das Vernügen, meinte der Graf, ohne eine Miene zu verziehen,
so bot er dem Markler an, seine Kaffeepause hier zu nehmen.
Der Gast konnte den Pomp nicht fassen, der in jenem alten großen Haus war - alles war tiptop in Ordnung.
Der Gast wurde vom Butler zu einem Stuhl geleitet,
während der Graf an der Stirnseite Platz nahm-
auf Luiszas "Thronstuhl".

Wer kann sich heute noch so viel eigenes Personal leisten?
Das war wirklich beeindruckend, wie betont unauffällig und professionell aufgetragen wurde.
Als dann der Diener die große Salontür öffnete und rief:
Der Bankier Umpermann bittet um Einlaß!
Der Inhaber dieser Privatbank interessierte sich für das avisierte Projekt,
das der Graf im Auge hatte.
In aller Ruhe klatschte der Diener in die Hände - ein Gedeck bitte!
Gerade noch so, daß man es im Salon vernahm.
Sogleich wurde ein weiteres Gedeck aufgeladen und die Kaffeetafel ging noch eine Zeit weiter.
Ein wenig Sahne gefällig, einen Likör oder Pralinen?
Stilles Abräumen und unauffälliges Entschwinden der zwei Servicekräfte mit Spitzenhäubchen und Schürze.
Die Dienstkleidungen waren genau vorgeschrieben, die Luisza legte großen Wert auf Etikette:
Noblesse oblige oder Nomen est Omen.
Der Graf führte die Unterhaltung, auf - auch nur ansatzweise dirigistische Übernahmeversuche
seitens der beiden Gäste, die eigentlich gewohnt waren die Gespräche zu lenken - ,
ist er nicht eingegangen.
Wenn der Gast sich beruhigt hatte, ging der Graf mit einem feinen, genau einstudierten Lächeln
vollkommen anders im Thema weiter, das er und nicht der Gast eingeläutet hatte oder führte.
Wir kommen zur Sache, sprach der Graf, der sich nicht in der Einzahl nannte, wenn es um wichtige Dinge
ging - wir beabsichten eventuell die insolvente "Klinik am Rheinbogen" zu erstehen.
"Ein ordentliches Projekt und nicht billig" meinte der Markler dazu.
Soll ich meine Fühler ausstrecken?
Der Graf antwortete nicht, sondern blickte den Bankier an.
Dieser murmelte etwas von "Das ist allemal eine rentable Größenordnung für alle"
und sprach später erfurchtsvoll von dem guten Grafen - Sitz,
wo er gerne als Gast, wie auch als finanzieller Berater tätig sein wolle.
Man spürte wohl, daß der Bankier zuvor ganz genau abgeklopft hat, wie es um die Bonität des Hauses stand.
Ihm war der unklare Vermögensverlauf mit nicht ergründlichen Pfründen wohl aufgefallen.
Dieser uralte Adel hatte zuweilen noch viele wertvolle Sachen in der Hinterhand.
Wie immer diese Spitzbuben damals an die Kohle gekommen sein mögen - durch deren Hände Arbeit
haben sie kein Gold und keine Juwelen in Mengen sammeln können..
..das lief wie mit diesen Kirchengütern:
Das Land bis zum großen Fluß ist des Grafen, das hat der König versprochen,
dem wir mit unseren Rittern und Vasallen den Rücken frei halten, gegen Angriffe aller Art.
Die Bewohner und alles an Natur gehörte automatisch dem Grafen, an den folglich Steuern
bezahlt werden mußten.
So war das damals.
Bei der Kirche kamen Schenkungen dazu, beim Adel heirate man ein Nachbargebiet dazu.
"tu felix Austria nube"

Ein Grinsen ging über die Gesichter der Gäste, als sie sich wieder trollten
und im Hinausgehen vom Diener den Mantel und Hut gereicht bekamen, wie in alten englischen Filmen.
Der Chauffeur des Hauses stand bereit, damit die Gäste kein Taxi rufen mußten.
Dann schwebte das alte Laudaulet mit bestimmender Wucht fast lautlos Richtung des kleinen Flugplatzes,
wo die Maschine des Bankiers wartete - unterwegs setzte man den Markler in seinem Büro ab,
dessen Wagen gerade in der Werkstatt war.

***

Der Pilot war beeindruckt und fassungslos, als er den schweren Wagen nähern sah,
dessen Motorhaube so bestimmend war, wie ein mächtiges Portal am Hause eines wohlhabenden Mannes..
"Und wir hatten ständig Vorfahrt, unglaublich so etwas!"
Der Bankier war beeindruckt und tief erschüttert von seinem Besuch im Hause des Grafen:
Meine moderne Penthouse-Wohnung ist ein mobiliertes Zimmer dagegen
und nur mit einer angemieteten Putzfrau für ein paar Stunden..
ich habe nicht mal einen Chauffeur - wie arm!
Nun verstehe ich auch, wieso der Graf niemals selbst fährt..
Das hat sich sehr in ihn eingegraben, so daß diese Erlebnisse
im Club und auf dem Golfplatz gerne unter der Hand erzählt worden sind, immer und immer wieder.
Besonders beeindruckt hat das geschliffene Verhalten des Grafen,
das eindeutig die hohe Schule der Rhetorik inne hielt, in jeder Situation die Oberhand hatte.
Die Geschäftsfreunde des Bankiers interessierten sich für das Projekt
und wären gerne dabei, wie man vielstimmig versicherte.
Deshalb bat Umpermann den Grafen um eine Audienz mit gut 30 Geschäftsfreunden.
Die Antwort kam nicht etwa per Telefon, sondern per Brief mit dem Grafenwappen auf edlem Bütten.
Gerne, kommen sie und bringen ihre Partner mit, der Herr Markler Belheimer wird ebenfalls zugegen sein.
Wer spricht heute noch so gedrechselt, schüttelte der Bankier den Kopf..
Der Tag kam und die Versammlung wurde nach dem alten Muster abgehalten:
Die Geschäftspartner kamen nur untereinander zu Wort, die Sitzung
führte der Graf, wer sonst?
Der Wert unserer Bauerei hat sich vervielfacht, wie sie sicher wissen und
dass wir auf die Verpachtung unserer Ländereien nicht angewiesen sind, werden sie
wohl bemerkt haben.
Wir können ohne weitere Probleme auf eigenem Grund eine kleine, aber feine Klinik
-ausschließlich für Privatpatienten- und das beabsichtige ich aus der avisierten Klinik
zu machen, bauen lassen - aber die Unkommoditäten in der Sichtachse des Hauses wären
meiner verehrten Tante, der Freifrau Luisza von Oswilde wohl nicht recht.
Sie wohnt der Sitzung aus gesundheitlichen Gründen nicht bei.
Niemand ahnte, daß diese in ihrem Gemach alles mitverfolgte.
Die Sicherheitsleute haben ganze Arbeit geleistet und die Kameras gut im Stucksims versteckt
und die Mikrophone in den Lüstern ebenso sauber verlegt.
Keiner der Anwesenden bemerkte diese Dinge, obwohl sich einige sehr genau umsahen.
Bei der Saalhöhe von 8mtr ist so ein kleines Spionagetool nicht sichtbar.
Man kam überein, daß der Markler die Kaufsumme noch etwas drücken sollte und
im Anschluß den Auftrag zum Umbau der Anlage organisieren könnte.
Die Stückelung war kommod, selbst bei größeren Summen gut als Abschreibungsobjekt
unterzubringen, da war man übereins gekommen.
Der Markler ließ sich nicht lange Zeit und bekam eine Summe zu fassen,
die auch noch mit Fördermitteln gestützt werden kann, weil die Region
einen dringenden Bedarf an Krankenhausbetten hatte.
Der Bürgermeister des Städtchens hat zähneknirschend den Bedingungen des Grafen
zugestimmt, welche ihm nicht einmal persönlich übermittelt wurden.
Besser ein fetter Steuerzahler als soziale Belange um jeden Preis durchpeitschen zu wollen,
so war auch der Kommentar der Stadträte.
Die Kaufsumme war an den öffentlichen Träger, der mit dem Rücken zur Wand stand,
in Raten abzugelten, so die Vereinbarung - das ist allemal gesünder, als ein jahrelanger Leerstand.
Der Vertrag wurde im Salon ratifiziert, wo zwei Leute aus Holland dabei waren,
welche den 30 Teilhabern und dem Bankier nicht bekannt waren - Letzerem dämmerte
sehr wohl der Zusammenhang der Einladung.
Als die Beteiligungssummen festgeschrieben wurden, die Unterschriften geleistet waren,
kam der Graf an die Reihe:
Wie schaut der Goldpreis aus, was zahlen sie meine Herren?
Die Holländer packten die Waage und die Prüfutensilien aus, als der Graf in die Hände klatschte.
Der Diener kam mit einem Servierwagen heran, der mit schwarzem Samt überzogen war,
darauf lag eine Sammlung alter Goldstücke, die wohl aus sehr alter Zeit stammten -
ganz einfach mit dem Wappen derer gestempelt, ohne Nominal oder staatlichem Gepräge.
Die Münder der Anwesenden standen offen, ganz einfach fassungslos.
Die Holländer rechneten und schlugen eine Summe vor, die fast doppelt so hoch wie die
Beteiligung des Grafen an diesem Projekt gewesen ist.
Die Summe in Euro hatten die Beiden schon im Koffer mit dabei - hier war man schließlich sicher
und ging kein Risiko ein:
Für diesen Tag hat der Graf die Sicherheitskräfte verdreifachen lassen.
Der Bankier nahm die Beteiligungssumme des Grafen -nebst Köfferchen- gleich mit nach Hause,
nachdem er die Quittung unterzeichnet hatte.
Wieder klatschte der Graf in die Hände und der Diener fuhr mit den restlichen Goldstücken
- eben nochmal so viel wie die Kaufsumme ausmachte -
durch die Salontür nach draußen.
So, meine Herren, das war wohl das Geschäftliche.
Nun darf ich noch zu einem Glase Champagner einladen - da ging auch schon die mächtige Türe auf
und mehrere Servierkräfte kamen mit Häppchen der edelsten Art und dem edlen Getränk.
Niemand ließ sich lange bitte und bald war alles verputzt und die lockere Verabschiedung begann.
Der Graf ließ sich nichts entlocken und niemals verbal in die Enge treiben, wo denn diese
Goldstücke ihren Ursprung hatten - "alte Familien-Reserven" - mehr war nicht zu entnehmen.
(niemand ahnte, daß der Graf diese selbst aus den gefundenen Münzen umgeschmolzen
und seinen Siegel aufgedrückt hatte -
ihm war der Materialwert lieber als ein fragwürdiger Sammlerwert, der zwar höher lag,
aber viel zu viele Fragen aufgeworden hätte -z.B. vom Denkmalamt- das Risiko ging er nicht ein,
da hatte er Luisza's hundertprozentige Unterstützung.)
Luisza hat sich während der ganzen Veranstaltung köstlich unterhalten und den Valter gebührend gelobt:
Die Arbeit hat sich gelohnt.
Die Privatklinik wird ein Renner, besonders wenn ein Graf dafür zeichnet, da wette ich!

***

Und so geschah es auch, daß die Klinik kräftig aufgebügelt worden war,
mit dem gräflichen Wappen am Eingangstor und einem kleinen, "abgemilderten" auf den Papieren.
Den Teilhabern war das nur recht, denn ein leibhaftiger Adliger, der galt auch heute noch was.
Das stand für Dauerhaftigkeit und garantierte ganz einfach nochmal deutlich besser, als
jede noch so namhafte Bank, gerade in der heutigen Zeit der Skandale.
Man sollte denken, daß nur feine ausländische Patienten dorthin gekommen wären,
aber weit gefehlt:
Die Akzeptanz der dortigen Unterbringungspreise war gut, recht gut sogar:
Hier mußte niemand damit rechnen, daß in einem Mehrbettzimmer dauernd türkische gesprochen
und sich über alle Ruhe-Anordnungen dreist hinweg gesetzt wurde, wie beim fahrenden Volk.
Es gab weder halal noch koscheres Essen, sondern bunte, internationale Küche a la Card,
elekronisch vom Bett aus bestellt und flott ans Bett geliefert.
Diese Kurklinik war auch für das Personal bald die erste Adresse, weil eben ein wenig
besser dotiert, mit moderaten Dienstzeiten, Kindergrippe
und vor allen Dingen mit guten Personalzimmern ausgestattet,
ein wirkliches Entspannen in der dienstfreien Zeit ermöglichte.
Mit Schwimmbad, Sauna und Wellnessbereich, Massagesalon etc.
Alles war so schalldicht wie möglich gehalten, mit eigenen Hygienebeauftragten,
die schnell ein Schott schließen konnten, wenn sich diese heutigen Masseninfektionen zeigten.
Jedes Schott war mit Hygieneschleuse ausgestattet - ein Novum im Klinikbereich - eine Dekontaminationsschleuse
wie in einem Atomkraftwerk und das war keine übertriebene Maßnahme:
Wer sich mit Herzproblemen erholen wollte, sollte nicht noch eine Ehec Infektion erleiden müssen,
nur weil an der falschen Stelle gespart worden war !

"Wer billig kauft, kauft zweimal",
so war der Leitspruch der gräflichen Rheinbogenklinik.

Die Sache sprach sich herum, ohne Reklame dafür schalten zu müssen - bald kamen
auch Diplomaten und hohe Kirchenleute, die eine "eingebaute Sicherheit" schätzten:
Auch hier waren genügend Sicherheitskräfte unterwegs, wie bei den Grafens zuhause.
Die Sicherheitsfirma, die das Haus mit dem Salon betreute, hat sich über diese zusätzliche
Aufgabe sehr gefreut.
So mancher ehemalige Polizist oder Bundeswehrangehörige hat sich hier ein Zubrot verdient.

***

Valter erklärte der Tante Luisza wie die Sache ablaufen sollte und wieviel von den Reserven noch übrig geblieben sind.
Ich mußte den Eindruck erwecken, daß es am Golde nicht mangele, so hob er an - nur so weckt man die Gier
der Gemeinen, auch wenn sie eine Bank betreiben und Geld besitzen - es sind und bleiben kleine Leute.
Der Diener war ganz bleich nach dieser Aktion, die aus seiner Sicht eine unglaubliche Summe
auf dem Servierwagen darstellte.
Den Rest hat der Graf wieder ins Versteck gepackt - noch war genug übrig und von den Edelsteinen
war noch nichts veräußert worden.
Luisza ließ sich zur Klinik chauffieren und genoß ein paar Tage des Aufenthaltes dort,
wo sie gründlich durchgecheckt und "neu eingestellt" worden ist.
Ihre leichte Zuckerkrankheit und etwas Gicht, ein wenig Rheuma - eben alles Altersbeschwerden,
wie auch die deutlich schlechteren Augen, die ebenfalls dort in der Klinik behandelt wurden:
Man flog eben geschwind mal einen Patienten zu einer Spezialklinik - alles kein Hexenwerk,
Hubschrauber kann man mieten, die muß man nicht kaufen, so Valter.
Sparsamkeit ist eine Tugend, so Luisza.
Bald liefen die Tandiemen in die Kassen der Teilhaber und des Bankiers, der sich freute,
diesen Deal abgeschlossen zu haben - gerade in einer Zeit, wo Zinserträge echte Ausnahmeerscheinungen waren.
Jeder war es zufrieden, besonders die Patienten, die jeden Abend
ein Fläschchen des "Gräfliches Lagerbier" nehmen durften.
Das ist ein echter Gesundborn und spart Schlaftabletten für die Klinik, so wurde im Prospekt geworben:
Tabletten sind Heil- und Schmerzmittel, keine Einschlafhilfen !
Von diesem Angebot machten - anfangs zögerlich, dann aber die meisten Patienten doch gerne Gebrauch.
Von einem kleinen Fläschchen Bier wird niemand zum Alkoholiker.
Ansonsten war Alkohol dort strikt verboten, genau wie das Rauchen.

Wie auch immer, es war das zweite Projekt, das ordentlich Geld in die gräfliche Kasse brachte.
Beim Banker des Ortes kam das an und so kratzfußte er nochmal doller,
zumal der Graf dort ein Golddepot eröffnete, wo jeden Monat eine bestimmte Menge an
gängigen, modernen Goldmünzen und kleinen Barren eingelagert wurde.
Bargeld lacht und ein goldiges Lächeln entzückt noch heute jeden Geschäftsmann,
gleich welcher Art dieser auch sein mochte.
Die Makler-Angebote häuften sich und es waren nette Sachen dabei,
die sich der Graf als Frühstückslektüre einrichten ließ - wie andere Leute die Tageszeitung lesen,
so betrachtete Valter mit Freude die Angebote.
Ab und zu kreuzte er etwas an, legte dieses Blatt auf einen anderen Stapel.
Luisza las das Angekreuzte - nur dieses, den Rest beachtete sie nicht.
Der Graf bekam genügend Heiratsangebote vom Adel aus dem ganzen Land -
so daß Luisza ihn schon ärgerte und stichelte, wie Frauen das nun mal so tun..
Irgendwann war Valter das Treiben leid und gab ihrem Drängen nach:
Wir haben nun wirklich genug Platz für eine junge Familie - was brauchen wir so viele Gästezimmer?
Ich weiß schon gar nicht mehr, wann hier der letzte Gast genächtigt hat!
Die Heizkosten für diese sinnlosen Räume kosten ein Vermögen und so viel Geld haben wir schließlich nicht,
daß wir es verschleudern müssen - oder?
Gewiß, ja das stimmt wohl.
Sparen ist eine Tugend, so Valter, die Braut sollte schon genug in die Ehe einbringen..
..die Mädchen oder junge Frauen aus der Umgebung verdrehten sich die Hälse,
obwohl sie ganz genau wußten:
Hier kannst du niemals landen.
(Das ist aber auch bei den heutigen Besserverdienern so, daß die Braut mindestens genau so viel Kohle
heran bringen mußte, wollte sie eine Chance auf eine Heirat erhaschen.
Die Zeit, wo ein Arzt
eine Krankenschwester heiratet, ist definitiv vorbei)

***

Ein Familientreffen ist immer so etwas wie ein Heiratsmarkt, sagte Luisza,
dort werde ich dich einführen.
Nächste Woche im Norden der Republik in einem bekannten Haus, findet eine Party statt.
Und so kam das denn auch zustande - die Einladung kam auch bald an,
als hätte man darauf gewartet.
Die Party vor dem riesigen Anwesen wurde vom Catering Service bestückt und
alle engeren und weiteren Verwandten - zumindest jene, die an den Zusammenkünften noch interessiert waren,
stellten einander vor, ganz zwanglos.
Da waren einige interessante jungen Damen, aufgedonnert und aufgebretzelt,
wenige waren richtig hübsch, nur eine einzige war das, was man als eine Schönheit bezeichnet.
Wie auf dem Heiratsmarkt so üblich, waren die häßlichen Entlein, diejenigen mit dem meisten Geld und
besten Titeln, die in der Mitte waren in der Mehrzahl.
Eine Tochter namens Helene war aus einer rumänischen Adelsfamilie, die byzantinische Herkunft hatte und
die Walachei regierte -aber das ist lange her und heute leben sie in Deutschland;
sie war keine Schönheit, aber wohlgeraten, besonders ihr heller Geist und Witz hat
den Valter angezogen - Helene war eher klein, aber auf Draht, wie man so schön sagt.
Fast unmerklich kamen sich die Beiden näher und das haben die nicht mal bemerkt, so
unterhielt sich Luisza mit den gleichaltrigen Damen der Party über diese Beiden.
Als sie wieder ein paar Tage zuhause weilten, meldete sich die Prinzessin,
die wohl Lunte gerochen hat und um einen Besuchstermin bat,
welcher ihr auch gerne gewährt wurde.
Helene wußte, daß sie zur Gräfin aufsteigen könnte, wenn das paßt und ihre Kinder würden wieder zu
Prinzen und Prinzessinnen werden.
Allerdings war der Valter seines Zeichens als Graf und nicht als Landgraf eingetragen,
weil die rumänischen Unterlagen wohl nicht so eindeutig waren:
Die Bezeichnung Landgraf gab es nur im Deutschen, dort nicht.
Sein Vater und die ganze Ahnenreihe jedoch hielt die Macht des Landgrafen fest in Händen.
Das soll Luisza regeln, wir haben erst einmal wichtigere Dinge zu besprechen,
so dachte Valter und Helene nickte, als sie alten Unterlagen durchackerten.
Daß sich beide ziemlich schnell ziemlich nahe kamen, spürte auch Luisza,
die eine "knisternde Spannung" bemerkt hat, wie sie - nachdem Helene wieder
abgereist war, dem Valter berichtete.
Ja ja, so kann es gehen, meinte sie versonnen, das war bei meinem Seeligen und mir ganz genau so.
Wenn erst einmal die Leidenschaft geweckt ist, gibt es kein Halten mehr.

***

Die Zeit verflog und jeden Tag wurde telefoniert.
Nun wurde Valter unruhig und fuhr in den Norden zu seiner evtl. Braut.
Deren Familie lebte ganz normal in einem Appartmenthaus, betrieb einen
recht bekannten Versandhandel für Textilien und war nicht arm, aber auch nicht
standesgemäß wohlhabend.
Also hier kommt schon mal kein vergleichbares Vermögen zu uns, dachte er sich -
was auch Helene spürte und deshalb recht schüchtern reagierte.
Wie schnell ist so ein Goldfisch wieder von der Leine weg, so dachte wohl auch ihre Mutter.
Valter ließ sich nichts anmerken, gab sich bürgerlich, zumindest was er darunter verstand.
Helenes Eltern waren mehr als nur begeistert und freuten sich für die Beiden.
Es war ihr einziges Kind und noch nicht "unter der Haube", mit ihren 27 Jahren.
Eine Schönheit war sie nicht, aber auf keinen Fall eine "Bückware" oder für die "Reste-Rampe", wie man so schön sagt.
Stur wie ein Muli, so meinte ihre Mutter, was ihr von Helene einen schiefen Blick einbrachte.
Was Valter am ehesten auffiel an Helene, war ihr sehr sehr gewählter Ausdruck, die Feinheit der Sprache.
Sie studierte Sprachwissenschaften, sie war in diesen Dingen schon immer bewandert,
und machte dann ihren Abschluss als Bachelor, wie man das heute nennt.
Das Ziel war ein Lehramt, das sie noch immer nicht bekam, es ging über das Praktium nicht
hinaus, weil die festen Stellen immer rarer wurden und..
..selbständig denkende Menschen nicht unbedingt gefragt waren bei den Behörden.
(Man hat das zu tun, was gesagt wird und keine Einwände anzubringen - basta und -
es wäre wohl eine Parteimitgliedschaft zweckdienlich gewesen)

Nach dieser "peinlichen Befragung", wie sie sagte, war ein Spaziergang im Kurpark angesagt.
Hier blühten die Tulpen und die Bienen flogen schon fleißig herum, der Springbrunnen
spie seine Fontaine in die Höhe, das Eiskaffee lud ein.
Die Blicke trafen sich immerfort und so wurde eben mehr daraus -
das hat auch der Eiskaffeebesitzer gesehen und gleich romantische Musik aufgelegt.
Am Abend noch mußte der Valter nach Hause, weil am nächsten Tag die Geschäfte zu führen waren.
Das haben die künftigen Schwiegerleute gut verstanden, sehr gut sogar.
Nach der herzlichen Verabschiedung entschwand das schwere Landaulet
(das neuere) mit dem Chauffeur wieder,
um das sich die Nachbarn ständig scharten und bewunderten.
So etwas unglaublich Protziges sieht man nicht alle Tage !
Der Chauffeur wischte und polierte, er war immer beschäftigt,
ab und an hat er auch mal einen Einblick in das Fahrzeug gestattet,
wenn Buben danach fragten - ganz klar, er war ja auch mal ein Knabe!
"Darf ich mal den Motor sehen?"
Klar, der wuchtige Achtzylinder war schon toll und wie dieser so leise bollerte,
die Buben konnten kaum davon lassen.

Auf der Autobahn fuhr man auch schon mal ein wenig flotter,
wo besonders der Spurt so manchem modernen Fahrzeug den Schneid abkaufen konnte.
In aller Regel glitt man dahin, das war angemessener.

***

Daheim angekommen, wartete wieder eine Menge Arbeit, die durch die beiden Unternehmungen
gekommen waren, wie immer nur Arbeit, Arbeit, Arbeit.
Eigentlich hatte Valter kaum mehr Zeit, sich um die privaten Dinge zu kümmern und
so beabsichtigte er die Leitung der Klinik den anderen Teilhabern anzuvertrauen,
so daß ihm nur noch die Brauerei blieb, die gut kontrolliert werden wollte.
Hier arbeitete er ein junges Paar ein, das sich beworben hatte.
Gut qualifiziert auf Dauerposten, wenn das Vertrauen entsprechend gewachsen sei -
das Glück des Paares war kaum in Worte zu fassen, denn gerade in der Zeit des Aufbaues
ist so ein sicherer Job für beide Teile schon fast exklusiv zu nennen:
In der Brauerei war eine kleine Wohnung - die eigentlich früher dem Hausmeister angedacht gewesen war.
Bald zogen die Beiden ein und .. konnten praktisch mietfrei darin wohnen.
"Bis zur Rente, wenn ihr kein Mist baut!"
Mensch, sagte der Junge zu seiner Frau - das spart eine Unmenge an Zeit und Fahrtkosten!
Bald wirtschafteten - zuerst unter strenger Anleitung - wie wie knickrige Profis den Laden -
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser !
Der Notar hatte einen Steuerberater eingesetzt, der die weitergehende Buchführung übernahm.
So waren für den Betrieb vor Ort in der Brauerei die Hände frei.
Der Graf rieb sich dieselben und sprach zu sich selber:
So, nun kann die Braut kommen.
Und sie kam sehr bald an - zusammen mit ihren Eltern - die wie alle Gäste gebührend
im Salon empfangen wurden, mit großem "Diner":
Auf dem mächtigen Tisch stand ein Tischgrill und Zutaten für einen Käsetoast mit Schinken,
Gläser für das eigene Bier und .. dabei bediente der Valter höchstpersönlich.
Er wollte sich auf keinen Fall nachsagen lassen, dass er ein Protzer sei und der Tochter nicht würdig.
Zuvor gab es eine kleine Spargelsuppe, selbst gemacht.
Die Suppe haben die beiden jungen Leute in der Küche gemeinsam fabriziert,
unter Gekicher und Geklecker,
während Luisza die Brauteltern im Haus herum führte.
So lernt man sich am besten kennen, sagt sie immer.
Bald wurde gegessen und alle waren zufrieden.
Am nächsten Morgen trug das Personal wieder auf und das mit allem Tamtam:
Eine kleine bunte Overtüre am Klavier spielte Valter selbst dazu.
Helene griff zum Cello und stimmte mit ein.
Der Raumklang im Salon war wunderbar, der Kamin war angeheizt und die Lüster gedimmt,
als die Beiden ihre Verlobung bekannt gaben.
Der Jubel kannte keine Grenzen und das Personal bekam eine Gratifikation
zum Einstand des jungen Paares, nebst erneuerter Beschäftigungsgarantie.
Statt Mittagstisch lud Valter die Brauteltern und Helene ein, zu Fuß ein wenig
die Besitzung zu erkunden, wo sie auf der Burgruine ankamen.
Dort hat der Chauffeur bereits einen Picknickkorb und Getränke deponiert,
der während eine kleinen geschichtlichen Einführung geplündert wurde.
Auf bei einem Graf gibt es zuweilen "Essen aus der Hand", auch wenn das alles andere als Fastfood war:
Streifen vom Fasan, frische Forellenfilets, feinste Sülze,
mild eingelegtes buntes Gemüse, Salat, Wachteleier und Kaviar, feinsten Höhlenkäse..
Die Küche des Hauses wollte sich auf keinen Fall blamieren.
Zur verabredeten Zeit kam das alte Laudaulet angefahren und holte alle ab.
Bald war die Stunde des Abschieds gekommen, denn auch im Norden lief die Arbeit weiter,
so ein Versandhandel war ein forderndes Projekt.

Die Prinzessin blieb gleich da, denn es wollte eingerichtet sein und das machte sie am
besten mit Luisza, viel lieber als mit dem unpraktischen Valter, wie sie scherzhaft sagte.
Die Freifrau ließ sich nicht lange bitten:
Endlich war wieder was los im Haus !

***

Bald kam der Schreiner und nahm Maß, hier und dort und auch schon für das Kinderzimmer -
wenn schon, denn schon - eine Küche war nicht nötig.
Zwei Gästezimmer blieben, eines im 2. und eines im 3. Stock.
Den weiteren Einrichtungskram überlassen wir den beiden Damen,
das tut der Erzählung keinen Abbruch.

Die Brauteltern unterhielten sich auf der Autobahn sehr eindringlich über das Gesehene.
Beide Eheleute haben bekanntlich eine etwas andere Auffassungs- und Erlebnisperspektive,
wie das eben meistens so ist.
"Der alte Kasten ist ja riesig", sagte der Vater, Mutter schüttelte nur immer wieder den Kopf:
"20 Dienstboten, kaum zu fassen!
Der Valter scheint im Geld nur so zu schwimmen".
Ja, er hat nicht mal die adlige Verwandtschaft nötig zu konsultieren - er macht sein Ding und fertig.
Und wie fein die Manieren sind, da kann sich mancher "Pinkelprinz" eine gehörige Scheibe abschneiden.
Mit dem blamiert man sich garantiert niemals, die beiden jungen Leute sind ein Stück,
das merkt man sofort, begeisterte sich die Mutter.
Bevor die Möbel geliefert waren, lag schon die standesamtliche Heiratsurkunde im Familienstammbuch.
Ohne Trara, ohne Feier, ohne Hochzeitsreise - ganz einfach so -
"gefeiert" hat man das im Eiscafe der Stadt, direkt gegenüber des Standesamtes.
Die einzige feierliche Geste war, daß der Cafe-Betreiber allen Bediensteten der Gemeinde
einen Gutschein für ein Luxus-Eis überreichte, bezahlt vom jungen Paar.
So haben wir viel Geld gespart, das man sinnvoller ausgeben kann,
meine Helene, die diesen Einfall hatte.
So brauchten ihre Eltern auch keine "Mitgift" zu zahlen, die sie aus dem
Geschäft hätten ziehen müssen.
Die Tochter erbt ja sowieso mal alles.
Geschäftsleute haben immer ihre Sorgen, das war Valter wohl bekannt.
Die Trauzeremonie wurde als Video aufgenommen und den Eltern zugeschickt,
die beiden jungen Verwalter der Brauerei, er und sie - waren als Trauzeugen geladen.
(Keine adeligen Leute)
Das war eigentlich ein Sakrileg in den Augen der Standesbewußten,
was die Brautleute und auch Luisza kaum juckte, die auch nicht dabei war,
weil sie nichts zuvor erfuhr - es sollte eine Überraschung sein.
Und die war wohl gelungen.
Auf dem Amt waren die Beiden praktisch nicht bekannt, nur dem Namen nach.

***

Der Schreiner war recht flott und verarbeitete die alten Kirschbaumstämme
zu feinen Möbeln, die Jahrhunderte alt werden konnten.
Eine Investition für fast ewig, wie das in einem Grafenhaus eben schon immer war.

Niemand wurde eingeladen zur Hochzeit, niemand kam, später aber wohl die Vorwürfe
und so rückten nach und nach alle Verwandten ein, um zu gratulieren.
Einige etwas sauer, die anderen gönnerhaft, die nächsten froh - wie die Menschen eben sind.
Das Haus ließ sich nicht lumpen und so kam denn doch der alte Adelsstand heraus,
wo sich die Jungvermählten sehr konservativ und reserviert zeigten.
Luisza war stolz wie ein Pfau und Helenes Eltern murmelten etwas wie "Schauspielschule"
und schüttelten nur noch die Köpfe.
Luisza meinte zu den Brauteltern:
Er, der Graf Valter Ottokar von Rumpenstein - Zerbeg ist
tatsächlich so, wie er sich hier gegeben hat und er wird seine Gemahlin zur Gräfin bringen,
da bin ich mir sicher, so wie es das Amen in der Kirche hat.
Nachdem alle wieder abgereist waren, ging das tägliche Leben seinen Gang und
weder Graf noch Gräfin ließen jemals wieder ihren Titel heraus hängen - zumindest
nicht in der Familie und auch nicht in der Brauerei.
Nur zu offiziellen Anlässen zelebrierten die Beiden ihr uraltes Amt.
Die Klinik warf weiterhin beste Gewinne ab, das Konzept ging auf.
Die Brauerei tat das Ihrige, alles lief zur besten Zufriedenheit.

***

Helene sammelte alte deutsche Volkslieder in einem Album und spielte diese Stücke andauernd
und sang mit hinreißender Stimme die uralten Texte, die noch aus der Ritterzeit und davor waren.

Das brachte eine heiter-melancholische Stimmung in den Saal, die von allen Bediensteten heimlich
inhaltiert wurde - die Salontür stand dabei auf:
Das war noch ein echtes und wahres Liedgut, das die Volksseele spiegelte.
Die Beiden gingen sogar wandern und vertrieben sich die Zeit im eigenen Wald, berieten sich
mit der Beförsterung und wollten nahe an der Natur sein.
Fredericks von Oswilde ist jung gestorben, wir müssen deshalb so oft wir können zusammen sein,
so meine Helene dazu, jeden Moment des Glücks genießen, nachher ist es zu spät dazu.
Die Einigkeit wurde mehr und mehr, der Graf wurde mehr und mehr zum Valter,
was auch Luisza bemerkte, mit einer hochgezogenen Augenbraue.
Als eines Tages sich der Versicherungsmakler anmeldete, um mit der Freifrau über deren
Altersabsicherung zu sprechen, war Valter mit einem Satz wieder der Herr Graf.
Diesen Trick übte auch Helene ein, so lange, bis das perfekt bis in die kleinsten Poren saß.
Mimik und Gestik und Sprache müssen ganz klar zueinander ausgewinkelt formuliert sein,
sagte die Freifrau dazu - das ist eine der ersten adligen Übungen.
Das müßtest du eigentlich ebenso wissen.
Sie sagte das, obwohl sie ihre Eltern kennen gelernt hatte und schon ahnte, daß Helenes Erziehung
deutlich lockerer gewesen war.
Bei jedem dieser "offiziellen Auftritte", wie man selbst den Empfang eines Maklers oder Notars etc.
betitelte, herrschte die uralte strenge Sitte - unabwandelbar, als ein Prinzip des Hauses.
Luisza achtete streng darauf und Valter war stolz auf diese Gepflogenheit, die bald
auch Helene beherrschte - vor der Familie einstudiert mit anschließender Kritik.
Wir dürfen uns nicht nicht geringsten Schwachpunkte leisten, sonst sind wir geliefert.
Wir sind das letzte Bindeglied des Volkes zur uralten Zeit, sozusagen die Siegelbewahrer.
Nicht erst seit Karl der IV ist der Adel hier zuhause, sondern unter anderen Bezeichnungen
bereits seit der Antike, so Luisza zu Helene, wir haben eine hohe Verpflichtung und warten heute wieder
auf die Zeit, wo wir die Regentschaft übernehmen können, sollen oder müssen -
je nachdem wie man das sehen mag.
Das ist eine hohe Verantwortung den ganzen Menschen gegenüber.
Sicherlich wird die Zeit der Leibeigenen nicht mehr wieder kommen, aber schau mal,
was ist denn ein Lohnabhängiger anderes als ein Leibeigener?
Was ist ein eingesetzter Verwalter, Manager oder Geschäftsführer, Politiker oder Chefarzt anderes als ein Diener oder eine Zofe?
Wir sind die letzten Verständigen dieser Art, die meisten Menschen bedürfen dringend der Führung.

***

Die Zeit ging weiter und Helene war in Umständen, die Wohnung war fertig eingerichtet
und die Beiden führten ein gutes und heftiges Leben bis zu dieser Zeit.
Luisza lauschte regelmäßig der Hausmusik, die nunmehr zu einer ganzen Sammmlung von alten Volksliedern anwuchs.
Helene schrieb dazu ihre Kommentare und Bemerkungen in ein Heft, manchmal ließ sie auch ein Tonband laufen,
welches die Darbietung aufzeichnete, sobald diese durch lange Übungen reif genug geworden.
Das konnte sie bis zur Niederkunft locker durchhalten, danach war erst einmal das Baby an der Reihe.
Alle waren sozusagen in froher Erwartung und das ganze Personal nahm daran teil, weil die neue Herrin
so herzlich und persönlich zu ihnen war, im totalen Kontrast zu den öffentlichen Auftritten,
welche die Bediensteten wie ein Schauspiel auffassten, wo man sich keine Schnitzer erlauben durfte.
In den herrschaftlichen Küchen wurde schon immer über die Herrschaften getuschelt und gespöttelt -
hier war das ganz anders:
Das Personal war sich der besonderen Ehre eingeweiht zu sein bewußt
und stichelte ausschließlich über die manchmal dreisten Gäste,
wie diese von den Herrschaften von oben herab abgekanzelt und kleinlaut aus dem Haus gingen.
Die springen mit dem Bürgermeister und dem Banker oder Notar um, als wären das ihre Bediensteten
oder Gläubiger, so sagte man in der Küche.
Die neue Herrin stand schon mal dabei und lachte mit,
machte sich selbst eine heiße Milch oder naschte an den Keksen,
welche die Köchin für sich selbst gebacken hat.
Ei Kindchen, die sind doch nich gewordn, sind doch viel zu dunkel,
deshalb eß ich die nebenbei - wie man an meinem Leib sehen kann..
Die Köchin war schon etwas älter und eine Witwe, die immer von "ihrer Küche" sprach,
wo niemand was verloren habe.
Die Helene jedoch genoß hier so eine Art Welpenschutz, besonders jetzt, wo sie in Umständen war.
Die Köchin hatte vier Kinder, die alle was jeworden sind, wie sie das nannte.
Ich weiß, wo's lang geht, icke helf dir, ist doch logisch!
So wurden die beiden Frauen Freundinnen, so ganz und gar unstandesgemäß und keiner wagte
dagegen etwas zu sagen, niemand, auch Luisza nicht.

***

Die Tage gingen ins Land und der Bauch der Gräfin wurde immer dicker.
Der Pfarrer schlich wie eine Katze herum und wartete auf die Gelegenheit die neue Seele
in geistige Gefangenschaft zu bringen, wie die Kirche das von diesem Teufel behauptet,
den sie selbst erfunden hat, um den einfachen Leuten Angst zu machen und gefügig zu halten.
Eines Tages faßte sich der Pfarrer ein Herz und lud sich einfach mal ein,
um zeitig die Taufe und das Prozedere dazu abzuklären.
Nun kam der große Auftritt der Helene, im Armlehnenstuhl - dem "Thron" der Luisza.
Der Diener kündigte durch die mächtige Salontür das Kommen des Gastes an,
nicht mit "Herr Pfarrer", sondern mit dem Familiennamen..
Die Saat war gelegt, wie abgesprochen.
Der Diener versteckte sein Lächeln in einem Tuche, das er geschwind- wie beim Husten-
vor seinen Mund hielt um nicht laut los zu lachen.

Die Gräfin Helene von Rumpenstein - Zerbeg im Hause von Oswilde läßt bitten!
Der Pfarrer war schon eingeschüchtert, als er den Blick in den Salon warf.
Pfarrer sind bekanntlich dreist und so wollte er gleich die junge Frau am Arm fassen
um Vertrautheit aufzubauen und sich womöglich neben sie setzen.
Der stabile Diener packte geschickt des Pfarrers Ellenbogen und schob diesen mit
Nachdruck auf einen weiter entfernten Stuhl in die Mitte des Tisches,
den er mit der anderen Hand gekonnt aus der Linie zog.
Bitte sehr Herr Pfarrer, hier haben wir ihren Platz reserviert.
Die Platzkarte war demonstrativ auf dem Tisch bei dem Glas und dem dem Wasserkrug aufgestellt.

Der Pfarrer machte ein Gesicht, als hätte er in eine Limette gebissen, als er mit
seinen Forderungen zum Ablauf anhob:
Wir haben sie noch nie in unserer schönen Kirche gesehen, obwohl ihre Familie hier
in vorbildlicher Weise gönnerhaft war und eine eigene Familienbank besitzt.
Die Gräfin antwortete nicht auf diese spitze Bemerkung und entgegnete:
Es freut mich, einen Vertreter der Geistlichkeit in unserem Hause begrüßen zu dürfen,
was bis jetzt noch nie vorgekommen sein muß, wie mir glaubhaft versichert wurde.
Wir beabsichtigen mitnichten eine Taufzeremonie christlicher Art, weder in einer Kirche
noch zuhause stattfinden zu lassen.
Sollten sie uns jedoch von einer zwingenden Notwendigkeit dieser Taufe überzeugen können,
ginge das wohl nur über die Erklärung, warum der Gönner ihrer Kirche, Fredericks von Oswilde
so früh hat sterben müssen und warum dies Gott zuließ, sollte es diesen tatsächlich geben.
Sie sprach ohne Bewegung der Augen, mit hoher klarer und lauter Stimme,
stand auf und setzte sich an den Flügel.
Sie spielte das Lied "Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt",
wobei Instrumental bei diesem Anlaß geboten schien.
Der Pfarrer verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und der Diener öffnete die hohe Tür,
ohne auf das Klatschen der neuen Herrin zu warten.
Dann begleitete er den "Geistlichen" hinaus zu seinem Auto, das fast in die Rosenstöcke gefahren worden ist.

Im Treppenhaus vor dem Salon bogen sich alle vor Lachen,
die ganze Dienstbotenschar und die Familienmitglieder unisono.

Was Helene nicht wußte:
Alle, ja alle mitsamt dem Chauffeur und der Köchin, waren bei Luisza im Gemach
und schauten sich die Szene auf dem Monitor an..
.. das war ein bühnenreifer Auftritt, den wohl nur Adlige schaffen- war die Rezension
Luisza's, als sie wieder alleine waren.
Du hast Würde bewiesen und Geist und auch mit den Dienstboten ist der Umgang in neuer Art perfekt gelungen.
Dein Gang vom Stuhl zum Flügel war bühnenreif, mit Grandezza den langen Rock geschwungen..
Auf diese Weise werden wir bestimmt nicht das berühmte Messer im Rücken befürchten müssen.

***

Der Pfarrer heulte sich beim Bürgermeister aus, dieser erzählte dem Bankleiter davon,
dessen Frau tratschte das im Kirchenvorstand weiter u.s.w.
Manche Leute im Ort lachten, andere waren verärgert über den "typischen aristokratischen Hochmut",
wie sie sagten - obwohl sie genau wußten, wie gut es die Beschäftigten des hohen Hauses hatten.
Das hat dem Bürgermeister den Schneid abgekauft und nun ließ er von dem Vorhaben ab, dort im hohen Hause aufzutauchen -
spontan, wie das seine Art war, wäre ganz und gar nicht gut angekommen..
Seine Frau stichelte und sprach von "Feigling" und "Drückeberger", denn du bist schließlich der Bürgermeister
und alle müssen tun, was du willst..
Nee, sagte er, schön wär's, aber diese Zeiten sind schon lange vorbei und damals hatten wir Schultheiße
die Macht vom Grafen verliehen bekommen - merkscht' was?
Gehe nicht zu deinem Fürst, wenn'de nicht gerufen würscht.
Damit hatte sich die Sache für ihn erledigt.
Der Bankleiter ersuchte um eine Audienz nach, so nannte man den Wunsch einen Besuchstermin zu erhalten.
Er traf aber nur auf den Notar, der gerade aus den Büro kam und die Sache regeln konnte.
So leicht ist es nicht, bei den Herrschaften vorstellig zu werden.
Nicht lange hin und die Pachtverträge für unser Land laufen aus, meinte Valter, dann fällt das Land wieder zu uns zurück- ich spiele mit dem Gedanken
auf den Feldern Hopfen anzupflanzen und habe schon einmal Kontakt mit einem schwäbischen Anbauer
aufgenommen, welcher uns in Bälde besuchen kommt um die Äcker auf ihre Tauglichkeit für den Hopfen
zu untersuchen, sein Equipment bringt er gleich mit, um eine entsprechende kurze Analyse zu machen.
Am nächsten Tag schon hielt ein Transport-Fahrzeug der flotten Sorte im Hofe und ein älterer Mann
mit grauem Kittel sprang heraus - eilig, immer geschäftig, wie sie so sind, die Schwaben.
Valter wartete bereits und so ging es zu Felde - am frühen Abend war klar, Hopfen geht da wunderbar,
weil im Schutze des hohen Waldes der harte Wind abgehalten wird.
Die Fläche ist allemal lohnend, das würde ich also tun, sagte der Fachmann.
Ich kann ihnen für die erste Zeit einen meiner Arbeiter überlassen, der alle notwendigen Schritte
kennt und bald können sie ihren eigenen Hopfen in der eigenen Brauerei verwenden.
So wie ich das sehe, benötigen sie für ihr Kellerbier ausschließlich Aromahopfen,
ich empfehle ihnen die neue Sorte Hallertau blanc, den verkaufe ich oft
und die muß man nicht so penibel gegen Insekten und Pilzbefall spritzen.
Valter bedankte sich, zahlte im Voraus die Mühe und das komplette Eqipment,
das in Schwaben zusammengestellt wurde und den Lohn für den Arbeiter
für die nächsten zwei Jahre, wie vereinbart.
Der Arbeiter wohnte in einem Dienstbotenzimmer und wurde im Haus verköstigt.
Die Gerätschaften wurden in eine neue Halle auf dem Gelände der Brauerei geliefert
und der schwäbische Arbeiter begann damit, die Mitarbeiter entsprechend zu schulen.
Die Hopfenfeld-Anlage wurde mit den typischen langen Stangen und der Verspannung
errichtet und auf den Namen "Hopfengarten Fredericks von Oswilde" getauft und beschildert.
Luisza war sehr gerührt, so arg, daß sie die erste Zeit nicht in der Lage war, darüber zu sprechen.
So einen Hopfenanbau zu betreiben, ist auch eine Reminiszenz an die alte Zeit,
denn schon recht früh ist der Anbau dieser Pflanze Kulturgut gewesen.
Der Mitarbeiter berichtete jede Woche seinem eigentlichen Arbeitgeber, wie die Sache gerade stand
und erhielt von dort noch nähere Anweisungen, wenn Klärungsbedarf entstand.

Es war von vorne herein klar, dass dieses Vorhaben gelingen mußte, einen Fehltritt hätte den Grafen
in sein Selbstbewusstsein getroffen und das war für alle undenkbar.
Wie der Kapitän auf einem Schiff mußte er die Richtung vorgeben und haftete
-im Gegensatz zu dem Kapitän- mit seinem Vermögen.
Einen Lustgarten, so wie in andere Herrenhäuser, ja sogar Villen hatten,
hat es bei diesem Haus nie gegeben, man wollte nicht nach außen hin etwas beweisen müssen,
was sowieso alle wußten.

***

Das Haus hatte den Keller ganz in der Erde und trotzdem ragte es wie ein quadratische Festung
aus der Landschaft, mit seinem altmodisch steilen Dach war etwas Kathedralenhaftes im Baustil.
Wie alt dieses Haus wirklich war, wußte Valter nicht, bis er irgendwann einmal eine Rolle
in der Bibliothek fand, die vom 15.Jhd. kündete und von einem riesigen Besitz, der in Erbteilung
geviertelt worden war.
Das erklärte auch die Dimensionen der Räume, es war wohl ein herrschaftlicher Bau,
der Mittelbau eines mächtigen Anwesens, welcher eben heute ganz alleine da steht und von den Vorgängern
in bestem Zustand gehalten worden war.
Valter hatte sich schon über die Größe des Salon gewundert, über die Deckenhöhen und Gesimse.
Man hatte damals wohl einen heftigen Umbau vorgenommen und aus einem Rittergut eine Villa gemacht,
die an Komfort nichts zu wünschen übrig ließ.
Es war die Rede von einer Ruine des Haupthauses und der Burg, was in dieser Zeit nicht verwunderlich war.
Zweihundert Jahre lang zerfielen die Bauten und wurden den Leuten ringsherum in den Orten als
Steinbruch genutzt, bis im 17.Jhd. sich ein Nachkomme derer .. entschloß dort diesen Trakt wieder
aufbauen zu lassen um sich - fernab den Städten - zur Ruhe zu setzen.
Dieser Ahnherr war Freiherr Eberhard Brunhold von Oswilde, der Jahre damit verbrachte, alles zu gestalten.
Er erhielt diesen Besitz als Abfindung für lange treue Dienste in des Fürsten Heer,
das er wohl erfolgreich anführte, wie handschriftlich und beurkundet zu lesen war.

***

Nun kam die Nachricht der Luisza, die mit ihren Nachforschungen fertig war, was die Titelechtheit
anbelangte, die Antwort aus Rumänen war da:
Valter war wohl kein Land - Graf im Sinne des deutschen Adels, er galt
als Erlaucht (regierender oder mediatisierter Reichsgraf),
die Nachkommen wären somit Erbgraf / Erbgräfin, Komtess, also eindeutig niederer Adel.
Nun ja, diese Zeiten sind sowieso lange vorbei und heute ist das eher ein Namensbestandteil
oder Herkunftsnachweis, als ein Anspruch auf ein Beherrschen.
Dennoch müssen die Vorfahren in hohem Ansehen gestanden haben, sonst hätten sie nicht so viel
Gold und Werte anhäufen können - oder?
Wir werden das Beste daraus machen, meinte Luisza.

Bald war die Zeit der Niederkunft und alle waren schon ganz aufgeregt.
Helenes Eltern haben ihr Kommen angekündigt, um alles ganz genau mitzubekommen.
Ihren Ärger wegen der "ausgelassenen" Hochzeit haben sie wohl überwunden, so Helene
erleichtert, es wird nicht leicht für sie gewesen sein.
Die Ahnenforschung war immer schon eine wichtige Sache, die Eingliederung
des Nachwuchses hing untrennbar damit zusammen.
Adel war viel wichtiger in ihren Traditionen als das Herrschen, sagte Luisza dazu,
es war und ist noch immer eine Vorbildfunktion mit hoher Verantwortung.
Vor der Zeit der Könige gab es uns schon, da waren wir viel wichtiger als nach diesen
willkürlichen Titeln, damals, als noch nur die Fürsten über ihre eignen Länder regierten.
Der Zusammenschluß mit dem Königstum war anfänglich nur Strategie gegen Angreifer aus fremden Ländern,
die in regelmäßigen Abständen plündernd und brandschatzend durch unser Land zogen.
Ich muß nicht einmal zurück zu Hunnen und Tataren zu gehen, nehmen wir nur einmal Frankreich,
wo die Herrschsucht .. und auch der Adel verrückte Zustände erreichte -aber auch
in der Revolution endete, so Valter im Einwand.
Sehe ich mir die Schlösser an, wird mir ganz schwindelig, meine Luisza,
die den Prunk eigentlich nicht mochte, den die Vorfahren ihres Mannes gestaltet haben.

Aber es ist wie es ist und wir haben die Pflicht und Aufgabe, das Anwesen mit allem drum und dran
zu erhalten und zu bewahren, so Valter ganz trocken argumentierend.
Wir müssen sehen, dass die Zukunft sicher gewahrt bleibt, damit die Nachkommen es genau so halten,
ergänzte Helene, ganz zum Erstaunen Luiszas.

***

Die kleine Julia kam zur Welt, ein gesundes Kind, das bald die Herzen der ganzen Hausbewohner
eroberte und alles mit neuem Leben erfüllte.
Helene war beschäftigt und wenn diese ihre eigenen Dinge tun mußte, sprang Luisza mit Freuden ein.
Das hielt sie jung und frisch, wie eine Kur, ein Jungborn, wie sie dazu sagte.
Dem jungen Paar war das wohl recht, denn solche Anwesen und das Hauswesen waren immer schon
zeitraubende Kümmernisse, die man niemals vernachlässigen durfte, hier durfte nichts aus dem Ruder laufen.
Die Brauerei funktionierte prima, genau wie der Hopfenanbau, wo die Ernte bald anstand -
alle Mitarbeiter warteten mit Spannung auf den Einsatz der Maschinen und wie wohl die erste Ernte
ausfallen wird, qualitativ und mengenmäßig.
Der schwäbische Fachmann war zufrieden und beruhigte die Fragenden.
Die Gemeindeverwaltung kam übereins, dem Grafen ein angrenzendes Stück zur Brauerei hinzu anzubieten,
falls dieser irgendwann mal expandieren will - lieber bei uns, so der Bürgermeister, als
sonstwo, denn wir brauchen die Steuereinnahmen in der Tat sehr dringend.
Ständig werden uns neue Bewohner aufs Auge gedrückt, die im Leben nicht und nie keinen Heller
in die Kasse bringen werden, da wette ich meinen besten Hut drauf!
Also fassten sie Mut und meldeten sich im Haus an, bekamen einen Termin
und referierten dem Valter um ihren Vorschlag.
Der Grund war wirklich sehr preiswert, zumal der Acker recht steinig war und
sich infolge des wirtschaftlichen Abschwungs, der sich abzeichnete, als Schnäppchen anbot.
Valter sagte zu, erwarb das Land und bestellte über den Notar eine Ausschreibung
für die Vorbereitungsarbeiten, verbreiterte die Zufahrt und die neue große Halle und die Umzäunung
des erweiterten Geländes.
Das Bier sollte nicht knapp werden, so Valter, das schaut nicht gut aus -
dem stimmte jeder offenen Herzens zu, denn dieses Kellerbier war richtig gut.
Im Privaten meinte Valter nur:
Ich muß mich wieder auf die Geschäfte besinnen,
jetzt kommt es darauf an, keine Luftschlösser zu finanzieren:
Wir haben Verantwortung für 50 Bedienste und für eine Menge Land und dann noch für die eigene Familie.

Bald waren die profanen Modalitäten unter Dach und Fach, der Bau begann.
Die Einkünfte flossen gut und auch von der Klinik war nur Gutes zu berichten -
deshalb bat der Graf die Anteilseigner zu einer Sitzung, diesmal in der Klinik selbst.
Der Notar war dabei und so sprach man über die Veräußerung der gräflichen Anteile
zugunsten der Eigentümergemeinschaft:
Wir möchten uns auf das Kerngeschäft zurück ziehen, meine Familie erfordert nun mehr Aufmerksamkeit
und zudem bin ich dabei die Brauerei deutlich auszubauen, damit der Ausstoß Reserven hat und
nicht immer spitz auf knapp verläuft, von Angebot und Nachfrage.
Ich bitte um Verständnis und bin mir sicher, daß sie mein Angebot gerne unterzeichnen.
Dieses liegt 20% unter dem eigentlichen Marktwert.
Der Name wird selbstverständlich beibehalten werden können, wenn das gewünscht ist.
Aber man kam übereins, dass fortan die Klinik wieder nur "Rheinbogenklinik" heißen soll und
nahm das Angebot dankend an:
Gute Anlagen gehen auch heute noch weg wie warme Semmeln.
Bald kam frisches Geld in die Bank des Ortes, ein gehöriger Batzen, wie man sich vorstellen kann:
Die Klinik hatte in der Zwischenzeit einen hohen Marktwert erreicht, das war allen klar,
auch dem Bürgermeister des Wohnsitzes, der davon - vom Eigentümer selbst - unterrichtet worden ist.
Dieser konnte es kaum glauben, daß der Graf ihn ins Vertrauen zog..
..er klärte dem Bürgermeister bei einem Cafe nahe der Verwaltung der Kommune,
daß er in der Abgeschiedenheit seines rumänischen Besitzes irgendwo im Mittelalter
festgesteckt haben mochte, total von der Bevölkerung abgehoben und für sich alleine.
Als seine Eltern nicht mehr waren, ist die Sache nochmal schlimmer geworden.
Hier in Deutschland sind eben ganz andere Verhältnisse, wie er weiter ausführte,
man wird zum Unternehmer, wenn das Haus nicht untergehen soll.
Und eben diese Verantwortung will ich gerne mit dem Bürgermeister oder dem Stadtrat
gemeinsam für die Kommune übernehmen.
Wichtig ist, daß die Arbeitsplätze in der Region gehalten werden und wir auf uns
selbst fixiert, aber dennoch nicht ohne Blick auf den Tourismus als nachhaltige Resource
das Leben in die Hand nehmen müssen.
Einer muß eben sagen, wo es lang geht.

Solche weltoffenen bis saloppen Redensarten war man vom Grafen nicht gewöhnt und
man führte das auf den "säkularen" Einfluß Helenes zurück, deren Eltern bekanntlich
Geschäftsleute sind, die mit beiden Beinen mitten im realen Leben stehen mußten.
Die ganze Versammlung war inzwischen eingetroffen und das Cafe war voll bis zum letzten Platz.
Wir, so hob der Graf erneut an, müssen zusammen halten und zwar felsenfest und genau hier
sollte eigentlich der Adel stehen, der sich aber - wie Menschen nun mal sind - leicht,
ja allzuleicht gottgleich wähnt.
Die Gläubigkeit der Gemeinen oder der Bevölkerung half dabei noch,
so kam eine gewisse Überheblichkeit zustande, die langsam, aber sicher abklingen wird..
Die Bildung ist heute verweltlicht und vervielfacht, damals war nur der Klerus und der Adel
in der Lage die Dinge zu überblicken.
Mein Haus sieht sich in hoher Verantwortung, der Gemeinde bei der Sanierung zu helfen,
soweit das in unserer Macht steht.
Ich habe mich von der Beteiligung an der Rheinbogen-Klinik getrennt, die eigentlich als Altervorsorge
gedacht war und habe davon den Ausbau der Brauerei finanziert,
welche unserer Kommune deutlich näher ist.
Das wird vermutlich schon durchgesickert sein.
Unsere Gemeinde soll davon vorrangig profitieren, durch diese neuen Arbeitsplätze vor Ort.
Ich habe vor, einen Pendelbus in den Ort einzurichten, damit die Mitarbeiter ohne mit dem Auto
fahren zu müssen, noch einmal mehr ein Einkommensplus spüren.
Der Hopfenanbau auf unseren Äckern ist inzwischen, wie sie wohl wissen, in der Ernte und
wie mir der schwäbische Spezialist versichert, das für eine Verzehnfachung des Ausstoßes - theoretisch.
Wie sich das später in der Praxis verhält werden wir bald wissen.
Wir haben vor, eine Trocknungsanlage und eine neue Reinigungs- und Lagerstraße einzurichten.
Es soll beim bewährten "Lagerbier" bleiben, das in dem langen Kellerstollen reift.
Dafür muß freilich der Stollen entsprechend verlängert und vergrößert werden,
die geologischen Gutachten liegen bereits vor.
Das alles liegt - bekanntermaßen - auf unserem eigenen Grund und von daher
erwarten wir keine Schwierigkeiten durch die Behörden oder von der Kommune.
Das Bier liegt im hochpreisigen Segment, denn handwerkliche Tradition kostet eben Geld.
Hier wird noch alles im Handbetrieb gelöst, ohne nennenswerten Maschineneinsatz,
den ich auf Mühlen etc. beschränken möchte.
Ich habe den schwäbischen Spezialisten bereits instruiert, daß wir künftig gedenken,
auch die Ernte "händisch" einbringen zu lassen,
aus Gründen des äußert schonendem Umgangs mit dem edlen Rohstoff,
welcher nicht weiter verkauft, sondern ausschließlich hier bei uns verwendet werden soll.
Nach dem Reinheitsgebot von 1516 soll nur Gerste, Wasser, Hopfen und Malz und Hefe verwendet werden,
ein untergäriges Bier mit eigener und unverwechselbarer Note ist uns immer im Sinn gewesen,
genau wie das betriebseigene Mälzen und der Bezug von regionaler Gerste.
Ich habe mit den Bauern bereits Kontakt aufgenommen und gemeinsam wollen wir die Sache angehen.
Biologisch-dynamisch.
Unsere Preise liegen allemal weit über den EU Abnahmepreisen.
Unsere beiden jungen Leute bilden zusammen mit unserem Hause und ihnen, Herr Bürgermeister als
Vorsitzender, ein sogemäßes auf den Nachfolger vererbbares Amt, den Vorsitz, der einmal im Vierteljahr
hier in dem Cafe zusammen treten soll -öffentlich- weil die Inhalte alle Beschäftigten betreffen,
die ausschließlich aus dieser Großgemeinde requiriert werden sollen.

Der tosende Beifall war dem Grafen sicher und so beschloß man in dieser 1. Sitzung des Aufsichtsrates,
in welchem alle rein ehrenamtlich tätig waren und bleiben sollten, den Grundstein zum Ausbau zu legen.

***

Wieder einmal gab der Adel den Ton an und alle liefen nach - im Gegensatz zu früher diesmal ohne Zwang.
Das Vorhaben gedieh und die örtlichen Bauunternehmer begannen mit der Arbeit.
Von der Planung bis zur Produktion wurde alles innerhalb der Gemeinde bewerkstelligt.
Bald war ein recht freundschaftliches Verhältnis zwischen dem Grafen und der Gemeindeverwaltung erreicht,
das sich auf die Belegschaft übertrug.
Bald wurde der Bau aufgerichtet und gut isoliert, mit Solardachförderung auf den neuesten Stand
gebracht, was auch die Abwasserreinigung mittels Klärteiche betraf.
Die notwendigen Maschinen - alle ohne Elektronik oder automatischen Steuerungen -
wurden geliefert und installiert.
Der Bierbrauer und der schwäbische Spezialist hielten Schulung für die neuen 50 Mitarbeiter ab,
die den gleichen Kündigungsschutz wie alle Bediensteten des Hauses erhielten.

Es lebe das "Gräfliche Lagerbier", riefen alle im Chor und das war nicht gestelzt oder aufgesetzt.
Zusammenhalt war sehr wichtig und Vertrauen, das Vorschlagswesen wurde "direkt" gestaltet,
als Kasten vor der Tür der Verwaltung, in den alle Verbesserungsvorschläge mit Namen
und Kümmernisse (auch anonym) eingeworfen werden konnten.
Auf diese Weise sparte man eine ganze Menge Spezialisten ein, weil jeder noch so kleine Vorschlag
sofort geprüft und entweder zur Geschäftsleitung, zum Braumeister oder zum Labor weitergeleitet wurde.

Eine ganze Reihe Fachleute wurden zum festen und unerläßlichen Stamm,
bald hatte alleine die Brauerei hundert Beschäftigte.
"Refa" - Leute waren überflüssig, weil jeder Hand in Hand arbeitete und die nötigen Vereinfachungen
effizienter als ein Maschinenpark umsetzen konnte, welcher ständig repariert,
gewartet und modernisiert werden mußte - vom Schuldendienst mal ganz zu schweigen!

Wir wollen hier nicht zu sehr in die betrieblichen Interna eintauchen und so überlassen wir
die Brauerei dem Geschick der beiden jungen Leute und des Braumeisters,
die vom Aufsichtsrat kontrolliert werden -
Anteilsveräusserungen wurden von vorneherein ausgeschlossen, alles sollte in der Hand Luiszas
und später der jungen Grafenfamilie bleiben.
Das war eine Sicherheit, auf die jeder einzelne Beschäftigte bauen konnte,
was logischerweise eine nicht zu unterschätzende Habenseite bei einer Kreditaufnahme
bei der Bank für alle Bediensteten war - wenn z.b. jemand bauen oder sich ein Auto kaufen wollte:
Lebenslange Beschäftigungsgarantie.
Somit zog sich der Graf zurück und auch Luisza, die das schon lange zuvor tat.
Valter wollte eigentlich keine Geschäfte betreiben, denn sein Metier war eher das Leben als Adliger,
was er sorgsam hütete und pflegte - das sah man ihm, seiner Frau und erst recht der Luisza an.
Der Abstand zum Volke war beträchtlich, wie alle fanden.
Aber nunmehr war die Akzeptanz dieses feinen Hauses im Ort eine vollkommen andere geworden.
Wer Sorgen und Probleme hatte, fragte ganz einfach Helene, die sich ab und an mit ihrem Kinderwagen
durch die Einkaufsstraße bewegte - in vollkommener Sicherheit und immer sehr freundlich bedient.

150 Leute aus der Gemeinde hatten also einen krisenfesten Job und das war schon einmal eine Hausnummer,
die aller Achtung wert war, denn bei den meisten Leuten hing eine ganze Familie am dort verdienen Gelde.

***

Die Summe aus der Rheinklinik - Beteiligung war mehr als ausreichend für die Erweiterung der Brauerei,
die bald selbständig lief und gut nachgefragt wurde - trotz des doppelten Preises
für ihr "Gräfliches Lagerbier" gegenüber der - maschinell arbeitenden - Konkurrenz.
Die Einzigartigkeit des Bieres wurde durch den deutlich verbesserten Malz und dem Hopfen nochmal klarer betont.

Liebhaber hatte dieses Edelbier allemal genug, die Grenze der Mindesthaltbarkeit wurde nie und nimmer erreicht..

***

Die sozialen Belange waren schon immer ein Anliegen des Hauses und so zog sich diese Fürsorge
durch alle Unternehmungen und deshalb konnte und wollte niemand etwas gegen den gräflichen Hochmut sagen.
So sind sie halt, die Adligen, die können eben auch nicht aus ihrer Haut, gell?
Im Hause unterdessen war die kleine Julia die Hauptperson, die alle Aufmerksamkeit auf sich zog.
So wuchs eine kleine Prinzessin heran, der man ihren Rang aber erst später verriet,
als sie danach fragte - sie sollte "ganz normal aufwachsen", wie alle Kinder der Gemeinde.

***

Ohne das gräfliche Engagment war die Rheinklinik bald in Nöten, weil sich akademische Vetternwirtschaft
breit gemacht hat und viel zu hohe Löhne für viel zu wenig Leistung den Ruf der Anlage in Bedrängnis brachte.
Die Gewerkschaften forderten für ihre Mitglieder ständig Verbesserungen und höhere Löhne.
Man rief nach dem Grafen und er kam:
Was er sah, war erschütternd:
Leere Zimmer, untätige Mitarbeiter, teilweise verhökertes oder ramponiertes Mobiliar.
Nun rief auch er und zwar nach dem Aufsichtsrat und Vorstand, nach den Teilhabern.
Graf Valter unterbreitete diesen sein Angebot, die Klinik komplett in Eigenregie zu übernehmen,
wenn die Eigentümergemeinschaft mit der Hälfte der Einlagen einverstanden wären.
Er meinte:
Das ist immer noch besser als die Insolvenz - oder?
Ich mache allemal Verlust mit dieser Sache, aber weil mein Wappen dorten prankt,
fühle ich mich persönlich verpflichtet.
Die Teilhaber dachten wohl:
"Was für ein armer Irrer, der weiß nicht, worauf er sich einlässt"!
So willigten sie zähneknirschend ein und schrieben die Summen ab- was für diese Leute sowieso
von Anfang an eine Abschreibungsgeschichte gewesen sein mag.
Man rief nach den Bankern und machte einen Termin aus, selbstverständlich im Salon des Hauses.
Die Holländer kamen am Vortage und kauften Edelsteine.
Hochbegeistert zogen sie wieder ab, fürstlich mit Speisen und Getränken bedacht.
Sogar mit Übernachtung in den Gästezimmern.
Diese Leute waren immer ganz stolz, in dieses alte Haus eingeladen zu werden,
weil das etwas ganz Besonderes war.
Die junge Dame spielte so schön auf dem Flügel dabei und auf dem Boden krabbelte
der Nachwuchs.. was irgendwie ein wenig zu normal und wie ein starker Kontrast erschien.

Was brauchen wir diese Klunker, so meinte Valter ganz leutseelig zu Luisza und zu seiner Frau
Helene - wir haben ja uns und am Hungertuche werden wir gewiß nicht nagen müssen.
Wir haben noch einige von diesen Steinchen und noch ordentlich Goldreserven.
Aber wartet nur, die Rheinklinik werde ich auf Trapp bringen!

Unterdessen war die Sache längst in aller Munde und die Presse stürzte sich auf Valter.
Warten sie bis sie zur Pressekonferenz geladen werden!

***

Der Tag X kam und der Termin im Salon des Hauses, wo bereits alle Teilhaber und
der Vertreter der Gläuberbanken und des Grafen Hausbank aus dem Ort anwesend waren.
Den Vorsitz hielt der Graf selbst, nicht Luisza, die alles aus ihrem Gemach anschaute.
Wir haben uns auf die Hälfte ihrer Einlagen geeinigt, wovon sie persönlich die von ihnen
eingegangen Verbindlichkeiten gegenüber ihren Banken übernehmen müssen, sonst kommt der Deal nicht zustande.
Wir sind in der Lage, alleine und ohne Geschäfte dieser Art leben zu können, ganz gewiß sogar,
schob der Graf hinterher.
Die Einigung erfolgte in der vorgeschlagenen Art, der Notar übergab die Summe jedem
der Berechtigten persönlich gegen beglaubigte Quittung und grundbuchlichen Verpflichtungserklärungen,
in bar und sofort.
Was die Augenbrauen aller Anwesenden sehr in die Höhe trieb.

Anschließend ließ man Häppchen und Champagner auffahren.

Die "Party" war zuende, wie es Valter formulierte.
Von den Edelsteinen waren nur noch die Aussteuer-Stücke für Julia übrig,
das hat er erst später gebeichtet.
Auch die Goldstücke waren sehr eingeschmolzen im Bestand.
Was nicht mehr da ist, kann auch nicht geklaut werden - alle lachten!
(Sie wußten genau, der Graf macht seine Sache gut)
Etwas später:
Er warf den kompletten Vorstand der Klinik raus und kürzte die führenden Gehälter auf ein Normalmaß,
kontrollierte höchstpersönlich die Küche und die Pflege und die Hygiene,
fragte die Patienten einzeln nach ihren Wünschen.
Er hat persönlich um Fördergelder für dieses Projekt geworben und auch erhalten.
Auch dort war die Kommune in Bedrängnis, wenn dieser Arbeitgeber weg brach.
Dafür brauchte er gute drei Wochen, die er in einem der Angestellen-Zimmer verlebte.
Verlebte war gut gesagt, er arbeitete bis in die Nacht an den Büchern und Unterlagen,
an Patientendateien und hatte den Chefarzt und den Notar an seiner Seite.
Wer sich beklagte bekam zur Antwort:
Gut, dann forschen wir genau nach
und sie zahlen die veruntreuten Gelder sofort, vermutlich landen sie im Gefängnis danach,
denn wir haben hier eine doppelte Buchführung entdeckt, die sehr nach Korruption riecht.
Sicher wird das auch die eine oder andere Krankenkasse interessieren,
wie hier mit deren Geldern umgesprungen wird.
Alles war kleinlaut und trollte sich, die einen in die Arbeitslosigkeit, die anderen ans Werk.
Die Presse war eingeladen und feierte den Triumpf über die Vetternwirtschaft.
Durch diese Verbreitung war keine Reklame mehr nötig und der Laden fing an zu laufen wie früher.
Die Patienten waren sehr zufrieden und lobten die Betreuung und Fachkompetenz.

Um vor weiteren Problemen und Gewogenheiten geschützt zu sein, wurden nur Mitarbeiter
eingestellt, die ganz persönlich vorstellig wurden - für viele Bewerber war das die letzte Chance
und die vertut man nicht, denn auch Mitarbeiter haben Kredite zu bedienen und die Miete wird immer teurer.
Schlau wie er nunmal immer schon war, hat der Graf die Klinik mit unter dem Namen Rheinbogenklinik
weiter betrieben, die gräflichen Wappen stillschweigend entfernen lassen.
(Angeblich gingen diese zur Restaurierung,
aber in der Zwischenzeit kam das Rheinbogen - Emblem an die Pforte
und auf die Korrespondenz.
Er wachte persönlich und war - unberechenbar - hier und dort aufgetaucht, um alles genau zu kontrollieren.
Ein paar "Köpfe rollten" noch - und dann lief der Laden.)

***

Im Hause war unterdessen alles eitel Sonnenschein, Luisza und Helene waren mit Julia unterwegs
in den Anlagen und bewunderten die Arbeit der Bierbrauer oder Hopfenleute, wie sie von denen genannt wurden.
Das Bier war dennoch bald wieder Mangelware, es gab Vorbestellungen, die auf einer Liste eingetragen wurden.
Nur die Klinik bekam bevorzugt ihre Zuweisung geliefert.
Das ist ja wie im Ostblock, schimpfte der Graf - aber nur daheim, denn die Mitarbeiter
haben nie und nimmer einen seiner seltenen Wutanfälle mitbekommen, die sowieso eher leise waren.
Einerseits ist dieser rasende Abverkauf gut, andererseits ruft das nach einer Betriebserweiterung,
die zu arg nach Fabrik riecht und das darf nicht passieren.
Hier möchte ich eine gewisse Exklusivität vor dem Gewinn sehen!
Und so entwarf er seine Rede vor dem Aufsichtsrat und alle waren froh,
daß in dieser schönen Landschaft kein Schandfleck mit viel zu viel Verkehr entstehen wird.
Ich habe eine Idee, rief auf dem Flur ein Lehrling frech los:
Wir sollten nur noch Faßbier machen und diesen billigen Flaschenkram lassen !
Komm einmal in's Büro Junge - wie heißt du?
Ich bin der kleine Karl, wie die mich alle nennen, nur weil mein Wachstum noch nicht so recht
kommen will - meinen Vater ging das früher auch so,
der ist erst am Ende der Lehre deutlich gewachsen und ganz normal groß geworden.
Was ist denn das für ein Geschnatter, schalt der Graf.
Ich meine ja nur, dieses Flaschengerappel ist doch nur nervig und kostet viel Wasser,
-zwischendrin rieb er sich mit dem Ärmel die Nase ab-
wo wir hier sowieso nicht allzuviel von haben und dann die teuren Abwässer, die Reinigungsanlage
und die gigantischen Leergutmengen !
Die Vorstandsmitglieder wollten den Jungen schon rauswerfen, als der Graf meinte:
Gar nicht so dumm, der Karl!
Wir sollten uns auf die Kernkompetenz festlegen und Flaschen nur noch für die Klinik abfüllen.
Halt, bleibe - ich schenke dir ein Mokick für diese Idee, -
das kannst du dir gleich nach der Arbeit unten im Laden abholen.
Das Personalbüro wird das sogleich anweisen -
und vergiß nicht, das Ding braucht ein Versicherungskennzeichen!
Fahr' vorsichtig, wir brauchen dich noch !
Ach ja, hier hast du ein Päckchen Taschentücher ..

Ein Geraune ging durch die Reihen und ein Lachen löste diese Spannung auf.
Wir brauchen solchen Nachwuchs, sagten sie unisono, was in keiner Weise sonst immer so einstimmig war.

Ab sofort lassen wir die Fässer von den Käufern selbst abholen und liefern in die Klinik
die benötigten Kisten mit dem Firmentransporter, ich muß dort sowieso zur Kontrolle immer wieder hin.
Das spart nochmal Kosten, sprach der Graf, denn wir haben schließlich kein Geld zu verschenken, gell?!
Geraune in den Reihen, aber kein Widerspruch..
Die nun arbeitslosen Transportfahrer werden auf den Erntebetrieb und die Hopfen- und Mälzerei
umgeschult - hier gibt es immer Arbeit und die ist sicher, wie ihr wißt!
Auf diese Weise würden die Flaschen und Kisten wohl ewig halten,
sinnierte er auf seiner ersten Tour zur Rheinbogenklinik im rappeligen Transporter..
Die Luisza, die eigentliche Eigentümerin der Brauerei war immer auf dem Laufenden.
Sie hatte den Karl als "Spion" angeheuert, der sich damit ein Taschengeld verdiente.

***

Und so lief die Umstellung auch gut an, die Kunden spielten gerne mit, denn es waren zumeist
Gastwirte, Eventmanager und Hoteliers, welche dieses teure Bier kauften - vor der Abholung wurden die Fässer
versiegelt mit dem gräflichen Siegel verschlossen und nach Bezahlung mitgenommen.
So einfach ist das - Bargeld lacht, scherzte der Graf.
Wobei jeder genau wußte - dieser Edelmann ist in keiner, der leichtfertig lacht.
Das sparte Mahnungen und Außenstände, die man nur schwer herein holen konnte -
wenn das Bier weg war, war es gerne auch die Zahlungsmoral, die flöten ging.
Alles lief wie am Schnürchen, nun war sehr viel mehr Platz in den Hallen, die man für
das Versuchslabor und für die Mälzerei gut gebrauchen konnte.

In den erweiterten Kellern reifte nun genug des edlen Getränkes heran und
der schwäbische Spezialist verabschiedete sich nach Hause.
Das Prozedere war erlernt und dokumentiert, die Stecklinge für das neue Jahr gleich beordert,
bis man auch die, sich über Rhyzome verbreitende Pflanze selbst zu ziehen gelernt hat.
Ein Problem ist die Ernte per Hand nicht gewesen, obwohl die Maschinerie aus Schwaben
noch dabei war, sollte die Handernte bereits jetzt eingeübt werden.
Handarbeit, Handarbeit über alles, so das Firmenmotto der Brau - Manufaktur des "Gräflichen Lagerbieres"
Eine Fabrik wollte niemand am Ortsrand haben - aber eine Manufaktur,das war ein angenehmer Arbeitgeber.
Die Zustimmung war sehr breit geworden, mehr als Valter je erhoffte.
Bald kamen Redakteure und TV- Leute, die sich diese altmodische Art der Bierherstellung oder Braukunst
besehen wollten - eine bessere Reklame kann es nicht geben, so meinte der Braumeister, der
gut ausgeschenkt hat:
Kellerkühl und perlend, nicht zu herb und nicht zu mild, ein Idealbier,
das jeder gerne hat, süffig und doch edel.
Die Berichte sind entsprechend positiv ausgefallen und die Rezensenten waren des Lobes voll.
Es wurde danach nochmal mehr, ja wilder bestellt und die Vorbestellungen gingen sprunghaft voran.
Der Stadtrat warnte vor einer weiteren Expansion,
damit der nächste Einbruch kein Loch in die Personaldecke reißen kann.
Dem stimmte man im Hause vorbehaltlos zu.
Die Leute sind vernünftiger als man denkt.
Luisza war schon ein wenig verwundert und positiv überrascht.
Das Mokick knatterte pünktlich zur Schicht und fuhr genau so pünktlich wieder weg -
wie man im Büro bemerkte:
Nach dem kann man die Uhr stellen !

***

Der Lagerkeller war groß genug geraten, um in der verkaufsschwachen Zeit jede Menge Fässer einlagern
zu können, um bei der Saisoneröffnung - Lagerbier wird traditionell erst im Frühjahr gezapft -
wieder voll mitmischen zu können.
Ab und an ging Luisza in diesen Keller, der schon immer eine Verbindung zum Haus hatte,
gut abgeriegelt - versteht sich.
Julia gedieh prächtig, Helene schaute bereits etwas angewidert auf die Wurst des Abendbrot-Tellers
und alle Bediensteten redeten darüber..
und so war das denn auch - sie war in froher Hoffnung.
So hat jeder seine Sache eingelagert, tuschelte man vergnügt, aber nie mißgünstig.
Das kann man beileibe nicht von den Bediensteten anderer feinerer Häuser behaupten.
"Niederer Adel, brummte der Graf, die spinnen doch!
Wir sind schon länger in der Linie,
als es überhaupt diese Klassifizierungen nach Art des Karl IV gibt;
viele Jahrhundete zuvor
sprach man bereits von denen "von Oswilde" und auch von seinen direkten Ahnen, den "Caradjia" ,
da kannte man den angeblichen "Hochadel" noch gar nicht.

Valter kam langsam in seinem Gemach zur Ruhe, als die Gemahlin fordern rief:
Einen Eimer, schnell !
Ach herrje, geht das schon wieder los, kam es ihm in den Sinn.
Ach, deshalb tuscheln die Bediensten so herum, ich habe mich schon gewundert.
Am nächsten Tag ging wieder eine Ladung 0,33er Flaschenbier zur Rheinbogenklinik,
die an der Pforte ausgeladen wurde - während sich der Graf in den Verwaltungsräumen umsah.
Alles war in bester Ordnung, auch wenn dieser Kontrolltag ein anderer Wochentag war - alles prima.

Am Hintereingang sah er einen der alten Teilhaber mit seinem Kombiwagen stehen und
etwas einladen, was wie größere weiße Kisten ausschaute.
Der Graf zitierte den Hausmeister heran und zwei kräftige Pfleger,
dann wurde mit dem Hausrecht in der Hand untersucht, was da wohl drinnen sein mochte.
Akten!
..die der Teilhaber in einer Besenkammer hat verschwinden lassen.
Man holte die Polizei und die den damals vorgesehenen Konkursverwalter und sagte der Staatsanwaltschaft
bereits im Vorfeld, was sich hier gerade abspielt.
Die Akten wurden beschlagnahmt und der Mann mit seinem Helfer - nach Feststellung der Personalien -
wieder auf freien Fuß gesetzt.
Der ehemalige Companion hatte nach einem Landaulet Ausschau halten lassen und nicht
mit dem Biertransporter gerechnet, in welchem der Graf leibhaftig hockte.
Die Sache hatte ein Nachspiel vor Gericht und so wurde der Klinik eine ganze Menge an
entwendeten Verbrauchsmaterialen bis zum Röntgengerät ersetzt und eine gehörige Freiheitsstrafe ausgesprochen,
die deutlich über der Bewährungsgrenze lag.
In unserem Grafen reifte danach der Entschluß, dieses Krankenhaus wieder zu veräußern, sowie
es in einer gesunden Gewinnzone war.
So einen Zirkus tue ich mir bestimmt nicht mehr an, soviel ist schon mal klar.

***

Daheim gab es wieder einiges zu erzählen, auch wenn er zwischenzeitlich immer telef. Kontakt hielt,
weil das Eheleute eben so zu tun pflegen, die sich nicht bereits schnuppe geworden sind.
Den Lieferwagen hat er auf dem Hof der Brauerei abgestellt und ist zu Fuß den Weg zum Haus
gegangen, vorbei an den Ginsterbüschen und an den zur guten Nacht singenden Vögeln.
Das war vielleicht wieder ein Tag, sagte er im Bette zu seiner Gemahlin, furchtbar.
Ich mache drei Kreuze, wenn ich diesen Wahnwitz wieder los bin.
Die Brauerei sollte uns als Einkommensquelle genügen, das trägt spielend auch die
große Zahl an Beschäftigten und wir haben einen sehr sozialen Ruf dadurch erlangt und brauchen die
Gewerkschaften nicht zu fürchten.
Luisza hat inzwischen Landesfördermittel für den Hopfenanbau erstritten, die über
die europ. Union liefen - wie schön!
Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach !
Der Gemeinderat und der Bürgermeister haben sich bald wieder aus den Versammlungen verabschiedet,
das war den Herren wohl zu anstrengend, die ganzen Zahlen durchzuackern -
zusätzlich zur eigentlichen Arbeit
in den Amtstuben und sonstwo - ohne dadurch einen Zuverdienst zu haben..
Die beiden jungen Leute schafften die Verwaltung der Brauerei auch ganz alleine und zudem viel fachkundiger.
Die Beschäftigten waren mit den Arbeitsmodalitäten sehr zufrieden, niemand wurde gedrängelt oder geschupst
oder litt gar unter dem heute üblichen "Zickenalarm", wie man diesen Psychokrieg nennt, den die
Leute unter sich veranstalten, um schnell nach oben zu kommen.
Die Leute arbeiteten in der Brauerei sichbar ruhiger als sonstwo,
aber letztlich kam das gleiche Ergebnis dabei heraus.
Man fuhr ohne Magenkrämpfe zur Arbeit und normal müde wieder nach Hause, aber keineswegs so kaputt,
wie das in den modernen Gewerken der Fall ist und .. man braucht dafür so gut wie nicht zu pendeln!
Wie viele Menschen verbringen jeden Tag viele Stunden im Stau und sind daheim gerädert bis zum Burnout-Syndrom.
Hier spielte das Radio, mancher sang leise mit und so lief die Tätigkeit wie am Schnürchen.

***

Nach und nach wurde der eigene Hopfen verarbeitet, das Getreide - Braugerste - gemälzt
und die Fässer auf die nächste Füllung vorbereitet.
Die Lagertunnel waren tief genug angelegt um immer die gleiche Temperatur halten zu können.

Dem kleinen Karl ist schon wieder etwas eingefallen, was er gleich der Luisza gesteckt hat:
"Wir sollten die beiden Tunnel mit einem U verbinden und an der Wand eine Rollenbahn anbringen,
auf welcher oben die frischen Fässer eingelegt und auf der anderen Seite - hinter dem U und
am nächsten Tunneleingang, der dann ein Ausgang wäre, die gut abgelagerten Fässer entnehmen könnte.."
Was kriege ich?
Sei nicht so frech, Rotzlöffel und danke erst einmal, ich melde mich über die Verwaltung.

Luisza ließ das gleich am nächsten Tage prüfen und beratschlagen, ob das umsetzbar ist-
Valter meinte, das wäre machbar und würde einige Transportmittel einsparen helfen,
die in der kühlen Feuchte dort unten sowieso nicht allzulange halten.
"Es geht eigentlich nur um das exakt ausgerechnete Gefälle.."
Die Mitarbeiter hatten noch diesen und jenen Vorschlag, das junge Verwalterpaar
hat Beziehungen zu einer Schlosserei und bald begann der erste Abschnitt
- wo am Start eine leicht stärkere Steigung eingefügt wurde, also die Fässer fast von oben
eingeschoben wurden - hochkant, denn Lagerbier soll nicht rollen,
weil sich die Hefe absetzen muß, also aufrecht gestellt -
so verblieb die Hefe unten im Fass.
Eine kleine Überdachung hier und da, dort etwas Fels abnehmen,
die U Röhre brauchte nicht allzulange - und ganz gerade gewinkelt mußte das Ding auch nicht sein -
und der Tunnel Nr. Zwei wurde etwas tiefer gegraben - unten ging ein einfacher Lastenaufzug direkt in die
Auslieferung, ganz automatisch, wenn man einen Knopf drückte.
Erst, wenn der Kunde schon mit dem Wagen auf sein Faß wartete wurde dieses aus dem Keller gefahren
- so blieb das Bier wunderbar kühl.
Bald war "das rollende Bierlager" fertig.
Der Graf war begeistert und freute sich richtig!
Das spart mir 5 Leute!
(Freilich nur diejenigen, die sowieso bald in Rente gehen, entlassen wird niemand)
Der "kleine Karl" ist inzwischen schon etwas gewachsen und das Mokick ist nun einem richtig schicken Kleinkraftrad gewichen,
das nur gedrosselt gefahren werden darf - gekostet hat es den Karl nichts, wie zu erwarten.

***

Der Bauch Helenes wuchs jeden Tag ein wenig mehr an, Valter betrachtete das immer mehr mit Sorge.
Der Hausarzt kam öfter in das Haus, schon wegen Luisza, die etwas hypochondrisch veranlagt war.
"Ihr fehlt nichts, die Kinder liegen richtig, keine Bange, es werden gesunde Zwillige werden!"
Ach du Schreck, oje oje.
Helene hat das längst schon geahnt und nun wußte sie es ganz genau.
Der Arzt hat in weiser Voraussicht eine Assistentin und ein tragbares Ultraschallgerät dabei gehabt.
Sachen gibt es, man glaubt es nicht, so meinte Luisza.
"In unserer Linie gab es schon immer Zwillingsgeburten, das ist nichts Besonderes, Helene wird
das locker schaffen, heute aber rate ich doch eher zum Kaiserschnitt!"
Ach du Schreck, oje oje.

Wer die Prozedur eines Kaiserschnitts kennt, gruselt sich davor:
Die Beträubungsspritze wird in den Rückenmarkkanal gesetzt, man muß sich nach vorne beugen,
damit der Arzt zwischen die Wirbel die Spritze setzen kann.
Ungefährlich ist das nicht und auch noch sehr schmerzhaft..

***

Während die ersten Fässer auf diese Bahn gebracht worden sind,
lief die kleine Julia mit ihrer "Oma" auf dem Anwesen herum, mal hier, mal da,
das hielt die Alte vom Altsein ab - keine Zeit dafür, jammern kann ich später immer noch,
so sagte sie zu sich selber.

***

Bald kam die Zeit und Helene kam mit zwei gesunden Kindern nieder, zwei Knaben bereicherten die junge Familie.
Nach ein paar Tagen ging das Geschrei im Hause los -
unüberhörbar tönten die beiden Säuglinge los und jeder vermutete,
daß diese wohl mal Opernsänger werden würden - scherzhaft freilich,
aber mit dem Brustton der Überzeugung.
Fortan war Leben im Haus und das sollte sich noch deutlich ausweiten.
Valter war die Klinik leid, die ihn von der Familie abhielt und so
suchte er nach Käufern.
Ein großer Klinikkonzern meldete sich und auch bald der Konkurrenzkonzern,
der sich seit vielen Jahren ein Kopf an Kopf - Rennen mit dem größeren der Beiden lieferte.
Hier ging es um die wettbewerbbeherrschende Stellung und ganz besonders um den Standortvorteil.
Die Preisverhandlungen fanden selbstverständlich gräflich im Salon statt.
Mit allen Finessen und gelerntem Abstand eines überzeugten Adligen.
Valter, sein Notar und ein Rechtsanwalt, welcher ein Studienkollege dieses Haus-Notars war.
Ein Bevollmächtigter von Amtsgericht des Kliniksitzes war ebenfalls dabei, denn bei dieser Größenordnung
macht man keine halben Sachen.
Die Übernahmekosten wurden aufgelistet, Gebäude- und Inventarwerte nebst Personal,
das 1:1 übernommen werden sollte - eine Beschäftigungsgarantie zu geben, fiel den Klinikleitern leicht,
denn es herrschte schon seit Jahren arge Personalknappheit.
Nun ging es um das Feilschen beider Geschäftsvertreter und Graf Valter besah sich die Situation
ab und an mit dem Samttuch vor dem Munde.
Im 3. Stockwerk besahen sich Luisza und Helene die Szenerie, hörten die Wortwechsel
und rieben sich die Hände - siehst du, wie der Valter ins Tuch sabbert?
Aber meine Liebe, das würde ein Graf nie tun - beide lachten herzhaft.
Die Klinik war inzwischen so auf Vordermann gebracht, daß sie ordentlich brummte und gut ausgelastet war.
Die Analyse haben die beiden Kontrahenten längst getan, unmerklich - man kennt einander recht
gut in der Branche.
Das war der nächste Pluspunkt.

Man war sich bald handelseinig und so sollte in wenigen Tranchen das Geld auf das Konto
der örtlichen Bank fließen.
Die Summe war selbst für die Grafen gewaltig und so hob man das Geld ab,
das eigens mit einem Transporter geliefert werden mußte.
Die Holländer kamen und verkauftem dem Grafen sein eigenes Gold wieder zurück,
mit Abzügen versteht sich und noch viel mehr an gängigen Goldstücken dazu.
Diese geschäftliche Transaktion war ein wenig am Finanzamt vorbei, wie zu erwarten.
Die Kaufsumme wurde mit nur der Hälfte angegeben, den Rest zahlte man in bar.
Auf diese Weise haben beide Parteien ihre Schäfchen ins Trockene bringen können.
Der Salon hat, wie immer, ganz enorm punkten können, so meinte Valter hinterher
zur Familie - das zieht immer noch.
Was für ein Glück, diese Last bin ich los und endlich wieder frei.
Das Gold hat er an einem neuen Ort verborgen und das Finanzamt hielt seinen Teil der
Kaufsumme sehr geschwind ein.
Auf dem Bankkonto blieb noch genug, daß der Direktor immer etwas blaß war,
wenn es um dieses Konto ging und da war da noch das Golddepot, in welches der Graf
die gängigen Goldmünzen einlagern lie8, welche von den Holländern kamen.
Graf müsste man sein, so sprach er immer wieder fassungslos.
(Daß er nur die halbe Wahrheit kannte, ahnte er nicht einmal)

***

Der satte Gewinn, selbst wenn man die nun fehlenden Juwelen bedachte,
war ziemlich erheblich, um das einmal vorsichtig zu formulieren.
Luisza war sehr stolz und hochzufrieden:
Die Zukunft des Hauses mit allen Insassen und Bediensteten war wohl für alle Zeiten gesichert,
ohne nochmal einen Finger krümmen zu müssen.

***

Nun gönnte man sich einen Familienausflug mit dem alten Landaulet in die Kerngemeinde
und der Chauffeur stellte diesen protzigen Riesenkübel direkt vor dem Eiscafe im Parkverbot ab.
Ein kleiner Spaziergang mit Kinderwagen, ein Eis aus der Hand, eine neue Bluse und
ein wenig Schmuck - "Oma hielt die Wacht", während Helenes Frisur gerichtet wurde.
Die drei Kinder beschäftigten die Luisza so, daß sie am Abend totmüde ins Bett fiel
und nie wieder Schlaftabletten genommen hat, nicht mal mehr ein Glas des eigenen Bieres.
Ein wenig Spielzeug, etwas Süßkram und für Vater einen neuen Rasierapparat..
Der Tag war gerettet und alle waren zufrieden.
Der große Wagen hatte die Aufmerksamkeit des Ortspolizisten erregt, der gerade
ein Strafmandat ausstellte - lassen nur die Hände von den Scheibenwischern !
Die habe ich gerade geputzt - her mit dem Wisch !
Der verdutzte Mann tat dem Chauffeur ein wenig leid.
Daheim hat der Notar den 10fachen Betrag überwiesen - als Spende an die Gemeinde.
Ein glücklicher Tag ging zur Neige und nur die Julia, die fehlte - Julia!
Die Haussprechanlage tönte:
Julia ist in die Küche gerobbt und futtert gerade
mit dem Löffel aus der Puddingschüssel, die für Morgen gedacht war..
Alle hörten mit und lachten.
Am nächsten Tag gab es tatsächlich auf dem riesigen Tisch Pudding - aus der Schüssel
mit den kleinen Löffelspuren darin..

***

Der Herr Pfarrer war freilich die ganze Zeit wie eine Katze um den Mäusebau geschlichen
und wartete auf eine Gelegenheit, um ins Haus zu schleichen.
Das tat er denn auch und wurde prompt vom Sicherheitsdienst in Gewahrsam genommen,
bekam mit Kabelbindern die Hände gefesselt und dann wurde die Polizei gerufen.
Er bekam eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs und eine Geldstrafe.
Darauf hat Luisza bestanden.

In der Küche war zuweilen ziemlich Betrieb, denn nun sollten auch noch die Baby-Breie
geliefert werden, was für die geübte Köchin und mehrfache Mutter überhaupt kein Problem war.
Sie freute sich eher darüber, wieder einmal solche Dinge abschmecken zu können,
das ist irgendwie wie früher, meinte sich zu sich selber.
Die kleine Julia war schon wieder in der Küche, diesmal unter dem Tisch:
Man muß wirklich aufpassen, um nicht versehentlich auf ein Händchen zu treten!
Du bist ja schlimmer als ein Hundchen, lachte sie und die Kleine freute sich.
Auf dem Weg nach oben traf sie schon auf die "Oma", die Julia in Empfang nahm.
Helene hatte genug zu tun mit Wickeln, stillen, füttern und bemuttern -
aber eine Hilfskraft wollte sie auf keinen Fall.
Valter zog die Schultern hoch und resignierte:
In anderen Häusern hat man eine Amme und du?
Die Kinder machen dich noch kaputt!
Ach was, das ist doch eine ganz natürliche Arbeit für jemanden, der Mutterwürden empfing.
Schubladen wurden nun zugebunden, Tischdecken mit extra Klammern befestigt,
Die Türen immer gut verschlossen - so ein Krabbelkind ist wie ein Sack voller Flöhe.

***

Durch die Spitzbogenfenster, die in diesem Haus überall vermauert waren, schien
in den Regenbogenfarben die Sonne auf das Parkett, was Kinder immer besonders fasziniert.
Dieses riesige alte Haus war innen heiter und nicht so dumpf wie es von außen wirkte,
durch die fast schwarze Basaltverblendung sämtlicher Mauern, die nur durch die weißen Marmorsäulen
und weißen breiten Treppenstufen am Portal aufgelockert wurden.
Die düstere dunkle und massive Eichen-Portaltüre war wie ein derber Kontrast dazu.
Unter der Balkonage hingen 4 große Ampeln mit geschliffenen Bleikristall-Gläsern, wo jede gut einen halben Meter mal einen Meter
groß und somit eher distanzierend wirkten.
Dieses alte Herrenhaus war eben nur der dritte Teil des einstigen Wohnsitzes alter Grafen..
..und so sinnierte Valter nach Erweiterungsmöglichkeiten dieses Gebäudes.
Der Goldwert des Bankdepots war noch da und ehe das Finanzamt sich davon auch noch
was abgreift, was wäre wenn ich etwas Nettes dort anbauen würde?
Bei drei Kindern und evtl. später einmal 3 Familien im Haus, die dann nochmal Kinder bekommen könnten..
Die Luisza schüttelte zwar den Kopf, holte aber aus ihrem Gemach eine Rolle hervor,
die das komplette Haus in der Bauzeichnung zeigte.
Wie kommt denn das?
Die hatten früher keine Bauzeichnungen, zumindest keine, die überliefert waren?
Oh doch, denke nur nicht, die Alten wären auf den Kopf gefallen - beileibe nicht!
Die Urfassung des riesigen Gebäudes lag nun vor ihm auf dem Schreibtisch -
ein gewaltiger Kasten.
Die beiden Seitenflügel waren um ein Viertel zurück versetzt angeordnet,
so daß der Salon den Mittelpunkt des Hauses bildete, durch welchen praktisch
ein ziemlicher Durchgangsverkehr gegangen sein mußte.
Nun wurde ihm klar, warum beide Wände des Salons zur hinteren Aussenseite
eine Schattierung aufwies, als wären zwei große Flügeltüren zugemauert worden.
Alle drei Gebäudeteile waren gleich groß und praktisch identisch,
bis auf das Portal, das nur am Mittelbau war.
Auf der Gebäuderückseite des jetzigen Salons war ebenfalls eine Ausmauerung,
die nach draußen führte - an nur einem Fenster.
Er las den Plan noch einmal und noch einmal -
dann dämmerte es ihm:
Der Salon ging links und rechts in einem Viertel so breiten, aber genau so langen Raum über,
was man als "Orangerie" bezeichnete, also 2x20mtr lang, aber "nur" 5 mtr breit !
Mit fast raumhohen Fenstertüren, die zueinander geklappt, auf jeder Hausseite 4 große Lichträume
frei gaben, wo man die Sonne genießen konnte.
Hinter dem jetzigen Haupthaus, also am Salon und zwischen den beiden Orangerien
war auf dem alten Plan eine riesengroße überdachte Terrasse eingezeichnet,
wo ein mächtiger Springbrunnen gestanden haben muß.

***

Valter begeisterte die beiden Frauen recht schnell von diesem Vorhaben -
aber gemach, zuerst müssen wir die Kosten sondieren !
Am nächsten Tag ließ der Graf das Golddepot auf der örtlichen Bank schätzen.
Dann befragte er den Architekten vor Ort und beriet sich mit den zwei Bauunternehmern,
die sich sehr interessiert zeigten - es war wieder einmal Flaute bei der Bau-Branche,
weil die Neubauten sehr zurück gegangen waren:
Für abhängig Beschäftigte waren die Zeiten recht unsicher, feste Anstellungen eher selten geworden.
Jede dieser beiden Baufirmen sollte einen Gebäudeteil haben, so der Architekt, dann
laufen die Kosten nicht aus dem Ruder- die beiden Inhaber können sich nicht riechen!
Der Goldpreis war gerade ziemlich hoch und so verkaufte der Graf - nicht ohne die Holländer
eingeladen zu haben, dem Höchstbietenden dieses Depot.
Der Bankmensch war ärgerlich - wen wundert's?
Der Graf hatte immer den alten Hausverwalter dabei, den man schon fast vergessen hatte,
in seinem versteckten staubigen Büro im Keller,- der Notar kam auch zu jeder dieser Verhandlungen mit.

Nun hatte der Architekt mehr als genug zu tun, bis er die alten Pläne richtig in das neue
technische Verfahren umgesetzt hatte.
Das hat sein komplettes Büro zwei Wochen lang beschäftigt, nebst ein paar Hilfskräften.
Das sprach sich im Ort ganz schnell herum, denn diese Jobmaschine war ganz enorm wichtig für die Gemeinde.
Der Bürgermeister wurde selbstverständlich ganz früh eingebunden, so waren diese evtl. Schwierigkeiten
schon einmal im Vorfeld weggeräumt, die von diesen Leuten gerne gemacht werden - eifersüchtig
wacht jeder über das große "sagen", wie überall.
Der Plan gedieh und wurde nach der Fertigstellung beim Bauamt eingereicht und verdächtig schnell genehmigt:
Man sagte mir, so der Architekt, daß der Bau in seiner Gänze schon immer in den Akten wäre,
nur eine Abrissgenehmigung der beiden Nebenhäuser wäre daran geklammert worden.
Die Fotokopie des alten Originales wurde mit dem Plan aus dem Haus und mit der Erarbeitung
des Architekten verglichen und etwas korrigiert.
Bald kamen die Bagger und Baufahrzeuge und die Ruhe war dahin.

***

Man stieß auf alte, gut erhaltene Fundamente, die nur mit Erde abgedeckt worden waren.
Der Abgleich brachte eine vollkommene Übereinstimmung an den Tag.
Die Arbeit der alten Baufachleute war so gut, meinte der Bauunternehmer,
daß wir direkt darauf bauen können - durch die Erdabdeckung hat der Frost keinen Schaden anrichten können!
Das war doch schon mal ein "Bonus", wie man so schön sagt.
Mit den heutigen Techniken geht zwar vieles deutlich schneller als damals, aber die Kosten
sind heute nochmal höher, weil die Basaltsteine und Bruchstein-Maurer sehr rar geworden sind.
Also hat man die beiden Nebenhäuser aus modernen Materialen gemacht und nur mit Basaltplatten verblendet.
Ein Unterschied ist nicht festzustellen, solange niemand Löcher in die Wände macht,
sagten die Fachleute unisono.
Die beiden Häuser wurden recht geschwind hochgezogen, das Dachgestühl aufgeschlagen,
Blitzableiter angebracht und Richtfest gefeiert.
Die beiden Nebenhäuser hatten keine Balkonagen, weil auch kein Portal dort vorgesehen war.
Der Innenausbau sollte modern sein, wie ein Neubau, aber mit exakt den gleichen Vorgaben gemessen.
Die Wände wurden mit weißem kristallinem Innenputz gestaltet, der ewig hält.
Die Türen verrieten die alte Handwerkskunst und waren ein Nachbau der Originale,
genau wie die Fenster - Spitzbögen allerorten.
Der Parkettboden und die Lüster wurden geliefert - nur eben in moderner Ausführung.
Ebenso protzig und ebenso wuchtig.
Die Orangerie bekam Orangenbäumchen - was auch sonst?
Eine ganze Reihe Zitrusfrüchte schmückte nun diese beiden ellenlangen Galerien.
Ab und an war ein Stuhl dazwischen, wie Lese-Ecken mit einer Wandlampe.
Die mehr als großzügige Terrassenüberdachung wurde, abweichend vom Original,
z.T. mit Drahtglas eingedeckt, damit etwas mehr Licht auf den Brunnen fiel.
Beim Aushub für die Terrasse stieß man auf den zerbrochenen alten Marmorbrunnen,
den die Fachleute wieder repariert und neu aufgerichtet haben.
Fünf Meter im Durchmesser und mit einer 2 Meter hohen männl. Figur,
die ein langes wallendes Gewand trug aus dem gleichen Marmor.
Zur Linken der Waden, die mit Lederschnüren
umwickelt waren, stand der .. Fenriswolf.
Der Bildhauer fertigte eigentlich nur noch Grabsteine an,
deshalb war er um diesen speziellen Auftrag sehr froh und stolz.
Jedes Gewerk blieb in der Großgemeinde und das ist gut so, lobte der Bürgermeister.
Nach einem Jahr war die Anlage endlich fertig, der Gärtnereibetrieb legte letzte Hand
an die Beete und an das Rosenspalier.
Luisza ist stets in ihrem 3. Stock des Mittelbaues geblieben.

***

Das Haus!
Es wurde gefeiert, wie selten und so lud man ein paar ausgewählte Gäste ein,
feierte die Eröffnung standesgemäß.
Der Cateringservice von zwei Metzgern und Bäckern hatten alle Hände voll zu tun,
denn auch die Köchin und das gesamte Personal sollte mitfeiern, wo sie doch zur Familie gehören, wie Helene sagte.
Überhaupt hatte die Helene einige Ideen einbringen können, wie z.B. die Verbesserung
der Wohnsituation in den Gesinderäumen, welche zu modernen Einzimmerappartements umgestaltet wurden.
Manche alleinstehende Kraft in dieser Anstellung lebte ständig hier und das sparte doch schon
eine Menge Geld, die für Miete hätte ausgegeben werden müssen.
Aber ein wohnliches und individuelles Ambiente sollte dort schon sein, so Luisza lobte Helenes soziale Art.
Nur ihre Eltern schüttelten den Kopf "so ein Wahnsinn", weshalb wohnt ihr in einem Schloß?
Das sagten sie aber nicht bei Valter und Luisza.

***

Fortan hieß dieses Haus im Ort nur "das Schloß".
Die Bewohner wurden von Valter gefirmt, "das Haus" dazu zu sagen.
Neunzig Meter lang und 30 Meter breit und 3 hohe Stockwerke mit einem Spitzdach obenauf,
das nochmal 2 hoch Stockwerke aufragte,
war eigentlich kein "Haus" mehr, sondern eine Welt für sich.
Der alte Verwalter hat hingeschmissen und ist in Rente gegangen:
So einen Wahnsinn tue ich mir nicht mehr an in meinem Alter!
Er bekam eine schöne Prämie und wurde bald - nachdem er den Valter noch einmal genau
instruiert hat, in Ruhe gelassen.
Die Prämie bestand in einem lebenslangen Wohnrecht in seinem alten Dienstbotenzimmer,
das ihm vollkommen genug war, selbstverständlich mit Versorgungsanspruch.
Der Valter hat bald die Verwaltung in seinem Keller - Refugium
den westlichen Flügels gehalten, das als Büro umgebaut wurde.
Die beiden prächtige Familien - Wappen an der Tür zu diesem Büro war schon beeindruckend!

***

Das Gelddepot bei der Bank blieb unangetastet, das Golddepot daheim ebenso.
Das Golddepot war allerdings deutlich kleiner als ehedem -
"man soll den Neid nicht schüren", meinte Valter.
Das war allen Beteiligten klar, die diesem Hause jemals dienlich waren -
die dort oben haben noch mehr als genug auf der hohen Kante!

***

Das Bier verkaufte sich prima, trotz des recht hohen Preises,
welcher durch die rationellen Mengenausstoße preiswerter hätte werden können, was man aber nicht in Erwägung zog.
Exklusivität hat ihren Preis.
Dadurch, daß die Klinik nicht mehr beliefert wurde, kamen die 0,33ltr Flaschen nur noch
als Personal-Trunk in die Füllung:
Jeder Beschäftigte konnte sich eine davon Abends abholen, gratis und aus einer Liste abgehakt.
Aufheben oder Sammeln war nicht drin, nur wer sich an diesem Tage sein Fläschchen selbst abholte bekam eines.
Die strikte Handhabung garantierte den Fass-Abnehmern eine gewisse Exklusivität.
Das Gräfliche Lagerbier hat sich nie an irgendwelchen Preisverleihungen beteiligt
oder versucht diese begehrten Medaillen zu erhaschen - Noblesse oblige !

Später hat man den u-förmigen Lagerkeller nochmal zu den offenen Seiten hin deutlich verlängert
und ein Führungsschiene oberhalb des Transportrollenbands angebracht, wo ebenfalls
kleine Rollen ein leichteres Gleiten brachten - der kleine Karl ließ grüßen,
welcher gerade Geld für seinen Autoführerschein brauchte..
Nun paßte die doppelte Zahl an Fässern in die Anlage und das Bier war noch
länger in dem Lagerkeller, die Qualität konnte nocheinmal einen Takt gesteigert werden.
Die alten Abnehmer sind stets treu geblieben und wenn neue nachfolgten,
blieben auch diese bei der Marke, die keine Abnahmeverpflichtungen und Verträge nötig hatte,
so wie das die anderen Brauereien machen:
Viele Gastwirtschaften haben Verträge mit Brauereien, die mit der Einrichtungsfinanzierung halfen.
Das hatte man hier nicht nötig.

Die gestiegenen Umsätze sind dem Haus gut bekommen, das darf man ruhig sagen.

Den 20 Halbtagskräften hat man Vollzeitverträge angeboten, wo gut die Hälfte der
Beschäftigen zugesagt hat.
Dieses - inzwischen drei mal so große - Haus brauchte einen gewissen Personalstand.
Im Ort herrschte Ruhe und Frieden, also hat der Graf diesen Spagat zwischen
der "Neidkultur" und dem Ansehen des Hauses geschafft.

***

Eines Tages kam ein junger Journalist eines einschlägigen Blattes auf den Gedanken,
dieses Treiben des Adels näher zu beleuchten.
Er zündelte herum und wollte ein meinungspolitisches Feuerchen legen,
das angeblich der Gerechtigkeit helfen kann, wie er das formulierte.
Er warf mit Pauschalvorwürfen nur so um sich und schrieb von "Ständischen Gesellen",
die ihre rechtslastigen und chauvinistischen Einstellungen in die Gesellschaft
erneut einfließen lassen wollten, um die Bevölkerung wieder zu Leibeignen zu machen.
Das Blatt wurde verkauft, so wie sich Sensationsmeldungen immer gut verkaufen lassen.
Bald gingen einzelne Leute mit Spruchbändern am Haus vorbei,
auf welchen die Abschaffung des Kapitalismus gefordert wurde.
Luisza sagte nur:
Die meinen, daß der Adel mit dem Kapitalismus gleichbedeutend ist,
dabei übersehen sie glatt, was dieser Ausdruck in Wahrheit bedeutet.
Ich kenne viel mehr steinreiche Leute, die nicht adlig sind..
Sie ging höchst persönlich vor das Haus und sprach zu den Demonstranten,
von denen einige bereits mit Flaschen warfen und versuchten die Wände mit
kommunistischen Parolen zu besprühen.
Sie kam aber nicht zu Worte und mußte den Sicherheitsdienst kommen lassen.
Dieser hat mit der Polizei zusammen diesen Zug aufgelöst, der nicht angemeldet war.

***

Doch die Saat war gelegt und die sensationslüsternen Schreiberlinge und Moderatoren
stürzten sich auf diesen Quotenbringer.
Das Volk will belustigt werden oder sich entrüsten dürfen, so Luisza -
wer immer der Buhmann sein mag, ist dabei ziemlich egal.
Wichtig ist einzig und allein, daß die Käseblätter verkauft werden und diese
aufpeitschenden Skandalsendungen anschaut werden, die Quote bestimmt das Handeln,
nicht die Notwendigkeit einer Berichterstattung oder das berühmte "Öffentliche Interesse".
Bald war man das ständige Anfeinden und Anprangern leid und beorderte eine massive Einzäunung
mit Sicherheitspforte und aufgestocktem Security - Personal mit Gummiknüppeln.
Die Skandierer kamen wieder und wieder vor die Einfahrt - manche beschmierten die Zäune,
andere bewarfen die Sicherheitsleute und die Kameras mit Steinen und schlossen mit Zwillen etc.
Bald flogen Drohnen über das Gelände, weshalb man im Haus sich auf den alten Sport
des Tontaubenschießens erinnerte, das diesem Treiben bald ein Ende machte.
Der Chauffeur hatte noch ein Jagdgewehr aus seiner Zeit als Jagdhelfer -mit Jagdschein-,
das er all die Jahre sorgsam pflegte:
Man weiß ja nie.
Pitsch - und wieder ein toller Schuß!
Man applaudierte, wie bei einem Wettkampf.

Der Graf traf eines schönen Tages mit einem kleineren Trupp dieser Demonstraten zusammen,
als er gerade zu Fuß von der Brauerei ins Haus unterwegs war.
Er war gesprächsbereit und lud die jungen Leute zur Diskussion in den Salon ein,
ganz spontan, so daß sich die Chaoten und Gewaltbereiten garnicht erst formieren konnten.
Die jungen Leute gingen mit und einer dieser Leute war ein verkappter Kameramann eines
Skandalsenders, wie sich bald heraus stellte.
Der Diener öffnete die Pforte, nahm den Leuten die Mäntel ab und verstaute diese,
während die Truppe hilflos im riesigen Vestibül wartete.
Die Julia krabbelt durch ihre Beine hindurch auf den Gang zur Küche, wo
sie abwärts verschwand - ein geübter Vorgang.
Der Diener öffnete die Salontür und rief dem Grafen zu, der bereits durch einen Hintereingang
in den Salon gegangen und nun auf "Luisza's Thron" saß.
Herein und nehmen sie Platz, entschuldigen sie bitte, daß wir in der Eile keine Platzkarten
vergeben konnten.
Luisza verfolgte das Geschehen, wie immer.
Der Graf klatschte in die Hände und zwei Serviererinnen brachten "vollwertige" Getränke und Snacks.
Die Diskutanten waren nun schon recht kleinlaut in diesem riesigen Prunksaal, den man
bescheiden "Salon" nennt.
Sie haben ein Ansinnen, das uns in diesem Hause so tangiert, daß man uns bereits
auf sehr undemokratische Weise behelligt?
Eingeschüchtert kamen die einstudierten Einwände und Vorwürfe, die nur in abgekürzter Form
und nicht in der linkstypischen Schwafologie ausgetextenen Überlänge vorgetragen werden konnten:
Jeder Diskutant bekam 15 Minuten Redezeit, die der Diener mit einer Uhr überwachte.
Die Argumente der jungen Leute gingen schnell aus, weil gerade die sozialen Belange ins Leere liefen,
selbst die umweltpolitischen waren hier vergebens, denn auch hier war das Haus vorbildlich.
Wir haben unseren Titel geerbt, wir herrschen schon lange nicht mehr, das machen inzwischen
ganz andere Nebelkerzenwerfer, wie z.B. ihre "gutherzige" linke Partei, aber diese Richtungen sind,
wie sie wissen, auf keinen Fall ehrlicher als andere oder rechte oder Multimedia - Despoten !
Der gewalttätige Auftritt, der als "Demo" getarnt war, erinnert an die "Reichskristallnacht" - haben sie das nicht gemerkt?
Sie wissen, daß die kommunistische Ideologie, die dahinter steckt und Neid schürt,
pleite ging - also nicht lebentüchtig gewesen ist?
Sie wissen, daß an Randale und Skandalen die Quotenjäger sich goldne Nasen verdienen?
Wir alle, ob Adel oder Arbeitsloser, sind in diesen Gesetzesstricken verfangen und können
uns nur durch ein persönliches Habitat der Sache erwehren.
Einige machen das mit Sturheit oder Unbeugsamkeit, andere mit Geld - wir hier im Hause sind
eine Mischung aus beiden - wir hatten das Glück, daß unsere Vorfahren Resourcen hinterließen,
die uns unabhängig gehalten haben - bis zum heutigen Tag.
Die Interessen des Hauses gelten in keiner Weise der politischen Einflußnahme, sondern
vielmehr der Zukunft unserer Kinder und dazu gehört untrennbar auch die Zukunft der Großgemeinde,
was wiederum nur geht, wenn die Natur geschont und erhalten wird.
Sie haben auf der staatlichen Uni studiert, die von unseren Steuergeldern finanziert wird -
und hierbei bitte ich einmal in sich zu gehen, wer denn diese Gelder tatsächlich zahlen kann -
ich war im Internat und hatte Lehrer,
die wirklich frei und unabhängig waren und nicht ideologisch verblendet -
die Lehrer in den öffentlichen Schulen und Universitäten sind in den Parteien engagierte Mitglieder.
Merken sie was?
Sie werden nur an der Nase herum geführt und das auf ganz geschickte Art und Weise,
sie werden instrumentalisiert durch eben diese Trittbrettfahrer - Organisationen.
Ein besonderer Mittäter ist die Religion und - zumindest heute - ist das der Adel
mit Sicherheit nicht und wir regieren auch nicht mehr.
Wir ringen um unsere Unabhängigkeit, was kein leichtes Spiel ist, das können sie mir glauben.
Wir sind fast so alt wie die Zivilisation, die Hüter der Kultur und das schon lange vor den Königen!
Ich spiele ihnen einmal zwei Videos vor, die sich mit dem Pfarrer hier im Hause zugetragen haben.
Ein Ahnenbild an der Galerie schob sich beiseite und ein großer Flachbildmonitor kam zum Vorschein.
Freifrau Luisza von Oswilde führt ihnen diese Aufnahmen nun vor..
Die Luisza erschien kurz auf dem Monitor und begrüßte die jungen Leute,
mit der inzwischen wieder eingefangenen Julia auf dem Arm.
Anschließend war das Gelächter im Saal recht offen, die Partyhäppchen verputzt,
die Getränke geleert und mit einer Spende des Grafen für die Heimfahrt und Wegzehr
verabschiedete man sich, aber nicht ohne zuvor den "kleinen Karl" als Zeugen
an der Pforte gesprochen zu haben.

Die lässige Souveränität des Grafen Valter beeindruckte sie alle und bald
war der Spuk der Demos vorbei, der Chauffeur konnte die Flinte wieder im Schrank einschließen,
die Zahl der Wachleute wurde wieder auf das Normalmaß herab gefahren.
Der Tag ging ruhig zuende und bald war die Zeit des Schlafes gekommen:
Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen.

***

Im Familienkreis sprach der Graf von der Würde des Standes,
welche man nicht mit den orientalischen Ehrbegriffen vergleichen kann
und daß diese nicht nur der Besitzende habe, sondern jeder pflegen solle,
welcher dieses Standes sei - dazu müsse man aber selbst Willens und in der Lage sein,
dieses vorleben zu können.
Nur darauf pochen reicht nicht, Geld reicht auch nicht.
Wirtschaft sei wichtig, fuhr er fort, aber nicht so sehr, als daß man seine
ganz persönliche Würde verkaufen muß.
Irgendwo, so schlußfolgerte er, müsste dann eine Grenze gezogen werden und
da sei er gerade dabei.
Zwischen Expansion und Rückschnitt gibt es die "goldene Mitte",
die noch Zeit zur Kontemplation lasse..
Dieses Gespräch wurde aufgezeichnet - man weiß ja nie.
Man hätte wohl die Bauern dazu bringen können, ihr Land zu verkaufen um
das Haus zu einem riesigen Gutshof zu verwandeln - aber wir sind keine Bauern
und wir machen auch die Wurst nicht selbst - also lassen wir uns beliefern
und zeigen uns damit großzügig und behalten die Mittel fest in der Hand.
Er sprach nie von "Geld", nur von Mitteln und der Begleichung einer Zeche, von Verbindlichkeiten etc.

So blieb ihm eigentlich nur die Hilfe bei der Kontrolle ihrer Brauerei,
während Luisza noch immer die Unterschriften leistete.
Valter zog sich zunehmens in das Privatleben zurück,
stürzte sich in den kleinen Weinbau, den der alte Gärtner begonnen hatte,
um das Haus mit erlesenen Weinen zu bedienen.
Valter wollte diese Mission, zusammen mit dem jungen Gärtner -
weiter führen und so lernten sie beide, der Junge und der Graf vom alten Gärtner.
Eine kleine Champagnerproduktion folgte - eben alles nur für den Eigenbedarf.
Alles ohne jede Chemie, darauf war mal stolz.
Familie, der Weinkeller und Garten, sowie die Verwaltung des Hauses waren mehr als genug "Jobs",
wie er sich ausdrückte.
Eine neue Zufriedenheit kehrte im Hause ein, die sich bald auf alle Bewohner ausbreitete.
Wer hier eingeladen wurde, zählte zu den Priviligierten, ganz ohne Frage.
Die jungen Demonstranten waren erschüttert, als sie im Bericht des Skandalsenders
eine totale Verstellung der Tatsachen sehen mußten.
So ein Lügenbär, ich glaube immer mehr, daß man uns an der Nase herum geführt
und als Instrument mißbraucht hat, so einer der Anführer:
Aufputschen, aufmischen, übernehmen.
Sie verbreiteten die Richtigstellung aus eigenen Stücken und bekamen Beifall
und viele Zuschriften, - das hat den Sender die Hälfte seiner Zuschauer gekostet.
Die andere Hälfte war verblendet genug, um die ideologischen Scheuklappen aufzubehalten.
So geht das mit "Rechts", so geht das mit den "Parteien der Mitte", genau mit dem gleichen
Hintergedanken wie bei den "Linken":
Divide et impera.

***

Die Gewinne aus der Brauerei sind gut geflossen, die Beschäftigten
sind sehr zufrieden gewesen und hatten ihre sicheren Einkommen "bei Hofe",
wie man unter der Hand sprach.
Das "Hofzeremoniell" wurde strikt eingehalten, es wurden keine Ausrutscher geduldet.
Die Trennung von Hausdienern und Kammerdiener gab es hier jedoch nie,
die Angelegenheiten eines Kammerdieners erledigten alle selbst.
Der Diener des Hauses beschränkte sich auf die Funktion des Empfangs und er beaufsichtigte
die Servier- und Reinigungskräfte.
In der Küche war auch er nur "geduldet", offiziell zumindest.
Bald war die Julia soweit, daß die ihre Kindergartenfreunde einladen wollte.
Deren Eltern brachten die Kleinen und holten diese auch wieder ab und so ergab sich
der eine oder andere nette Kontakt zwischen Helene und diesen Eltern - meistens waren es die Mütter
der Kindergarten-Freunde.
Man empfing diese gleich außen hinter dem Haus auf der Terrasse, wie salopp am Telefon besprochen wurde.
"Hinter dem Haus auf der Terrasse, wie drollig, hier läuft man sich ja die Hacken ab",
schimpfte eine der Mütter und eine andere pflichtete ihr bei.
Du meine Güte ist was ist das für ein riesiger Kasten !
Die Brunnenfigur war inzwischen aufgestellt und der Landeskonservator kündigte sich an:
Der Steinmetz hat mich benachrichtigt, daß diese Statue schon sehr sehr alt sein müsse,
denn weder wäre diese aus Marmor noch aus einem heimischen anderen Stein gehauen.
Und dann auch noch in einer nicht mehr bekannten Technik, fügte er hinzu.
Valter hatte diese Nachricht des Steinmetzes als Kopie vorliegen, aber sich keine weiteren
Gedanken darum gemacht, es waren gerade so viele Sachen zu erledigen.
Der Konservator kam zu dem Schluß, daß diese Figur einmal am Rhein gestanden mußte,
er hat auch einen alten Stich gefunden, der eben diese Figur an einem der Umladestationen
der Fluss-Schiffe zeigte, gegenüber der Steuerburg.
Aber das ist nur für Historiker und unser Amt interessant, wohl für sonst niemanden.
Einen Wert hat das Ding auch nicht unbedingt.

Unterdessen kamen sich die Mütter näher und merkten, daß Helene und auch Luisza
eigentlich "ganz normal" sind - ebenfalls mit Kindern und den ganzen Sorgen daraus.
Die Bewirtung erfolgte nach Art des Hauses, fremde Personen in der Küche oder frei
durch das Haus streifen lassen, wäre undenkbar gewesen für die Etikette, auf die
immer geachtet wurde und wenn der Besuch noch so zwanglos auftauchte.
Von der Terrasse aus war ein direkter Toilettenzugang zur linken und rechten Orangerie.
Edel die Toilettenausstattung, mit Mosaiken und Stuck und Amaturen, die man sonst nicht findet.
Sehr praktisch, dieser direkte Zugang !

***

Die Besucher waren immer fix und fertig nach einem solchen Besuch und erzählten noch
wochenlang davon, wie heftig in diesem Palast geprasst wird.
Dabei sind die meisten Sachen schon ziemlich alt, aber sind in entsprechender Qualität
erstanden worden, welche dem normalen Volk eben kaum zur Verfügung stand, hätten diese
das Geld dafür aufbringen können.
So kostete eben mal ein Saucen-Schälchen so viel, wie ein Arbeiter in der Woche verdiente.
Allein das Gold für die Verzierung der Stuckdecke des Salons war ein Vermögen wert.
Der Flügel so teuer wie mehrere Autos.
Deren Badewanne war damals schon in den Boden eingelassen und aus Marmor, mit Beheizung.
Die Spitzbogenfenster aus wertvollstem Glas, teils so bunt wie Kirchenfenster.
(Was auch auf Protzerei schließen läßt)
Valter sann immerzu nach neuen Dingen und nach Sachen, die er verbessern konnte.
Der kleine Karl war wieder einmal dabei, sich etwas dazu zu verdienen und
diesmal war das eine ganz erhebliche Verbesserung des Betriebes.
Er wollte, daß der Hefesatz nicht mehr im Fass verblieb, sondern
jedes Fass einzeln nochmal abgezogen werden sollte, dann zurück in den
Kreislauf durch die Lagerstollen kam - aber auf einer 2. Rollenbahn
auf der Gegenspur sozusagen.
Die erste Bahn brauchte also einen Stollen - Erweiterungsraum, wo dieses Umfüllen
stattfinden kann - nebst Hefeabsaugung - dann sollte nach seinem Vorschlag nur noch kurz
mit kaltem Wasser ausgespült und mit dem gleichen Inhalt neu befüllt werden.
Alle 8 Fässer wurde ein Opferfaß nötig, damit der Inhalt stimmt.
Das bedeutet einen 2. Aufzug auf der Startseite der Anlage für das fertig gelagerte
und sauber geklärte Lagerbier.
Ein kleiner Aufzug hob die nun frisch abgezogenen, fertigen Fässer an und setzte sie auf die Rollenbahn II.
Eine einfache Hebevorrichtung läßt diese Arbeit von nur einer Person ausführen.
Die abgestorbene Hefe aus den Fässern soll getrocknet und in Tablettenform als
Nahrungsergänzungsmittel verkauft werden.
(Oder zu Schönheitspillen verarbeitet werden, weil Bierhefe gesund ist und gegen Akne hilft)
bessergesundleben .de/bierhefe-fuer-eine-gesunde-ernaehrung/
Luisza und Valter staunten nicht schlecht und gaben das Vorhaben gleich in die Planung,
ohne einen gesonderten Ratschluß darüber zu fassen.
Das Labor machte sich an die Arbeit und beorderte bald eine Pillenpresse -
das Büro hat eine Pharmafirma gefunden, die dieses Produkt verpackt und vertreibt.
Der Name "Bierhefe-Kur aus der Gräflichen Brauerei".
So würde, sagte der freche Karl, sogar noch für den Abfall und für den Namen Kohle in die Kasse kommen.
Aha, unser Name mit dem Abfall zusammen zu erwähnen, - was fällt dir ein?
Aber das hat der Karl nicht verstanden und so beließ es der Graf dabei.
Die Machbarkeit der Verbesserungsvorschläge dieses schon wieder ein Stück gewachsenen Karls
war immer unumstritten und auch noch billig zu haben.
Der Karl bekam sein Auto von der Brauerei, sowie der Führerschein vorgezeigt wurde,
durfte er mit dem älteren Firmenwagen als sein Eigentum fahren.
Inzwischen wurden die Firmenlogos entfernt und eine Grundreinigung und Durchsicht gemacht.
Nicht lange und der Transporter der Pharmafirma hat die ersten Tabletten-Säcke abgeholt.

Man freute sich im Ort und dachte:
Diese Adligen machen aus allem Geld, es ist nicht zu fassen!
Der Karl wurde -für nach der Lehrzeit- als Kandidat zur Meisterschule vorgesehen,
aber das erfuhr er zunächst nicht.

***

Das neue Lagerbier war im Verkauf und die Kunden des Lobes voll, weil nun bis zum Rest des Fasses
gezapft werden konnte, ohne daß die Hefe aufstieg und durch den Hahn ins Glas kam.
Luisza war des Lobes voll und der "kleine Karl" wurde als Spion entlassen,
denn inzwischen war er - trotzdem er noch in der Lehre war- eine Art Aufsicht
für das Rollenlager geworden und konnte sich schon jetzt ein Zubrot verdienen.
Unnötig zu erwähnen, dass praktisch kaum Störungen auftraten, denn der Karl lief
sofort mit dem Werkzeug los um zu schrauben wo es hakte - ob gerade Mittagspause war oder nicht.

Die Brauerei war irgendwie ein reiner Familienbetrieb geworden, wo jeder jedem half.
Der Wert der Anlage ist kontinuierlich angewachsen, die beste Geldanlage die man haben kann,
lobte Helene diese Idee.

***

Die klare Trennung zwischen der Verwaltung und dem Haus war von Anfang an vorgesehen,
auf diese Weise war keine der Behörden - Kontrollen ein Angstfaktor,
zumal der Notar und der Steuerberater hier ihre Arbeit getan haben.

Vom täglichen Brauereigeschäft hat sich der Graf leise zurück gezogen,
denn was läuft, soll man nicht stören.
Publicity hatte das Gräfliche Lagerbier nun wirklich nicht nötig.

Der Valter ging zum nächsten Paukenschlag über, sowie er mit seiner Hausverwaltung fertig war, jeden Tag ein wenig.
Auf diese Weise entstand eine Skizze der alten Burgruine, wie diese vor ihrer Zerstörung
einmal gestanden haben muß.
Es war nur eine kleine Steuerburg im Hinterland, kein bedeutendes Bauwerk.
Die Lage war aber für die damals regierenden Fürsten interessant,
weil eindringende Feinde nicht mit einer im Wald gelegenen Burg gerechnet hatten,
die nirgendwo verzeichnet war.
Der Söller wurde erst spät hochgezogen, zuerst war eine gedrungene Wehrfestung da.
Zusammen mit dem Denkmalpflegeamt versuchte er den Wiederaufbau anzukurbeln,
was aber so vollkommen dageben ging, daß sich die Parteien total zerstritten haben.
Diese Vorschriftenmacher!
So verkaufte der Graf diese Liegenschaften mitsamt dem Waldstück
an die Gemeinde als Abtrag für die Steuerschuld
seines Anwesens für die nächsten 100 Jahre - ein guter Deal, wie er fand.
Ohne Wald keinen Förster und keine weiteren Kosten, sagte er sich,
diesen bringe ich bei der Gemeinde unter, die wollten sowieso auf eine eigene Beförsterung
umstellen, statt das Land dafür sorgen zu lassen, was immer teurer geworden ist über die Jahrzehnte.
Die Felder rund um die Brauerei und um das Haus waren noch so groß, dass alle Vorhaben
leicht in die Tat umgesetzt werden konnten.
Konzentration auf die Kernfelder, war seine neue Devise.
Die Kinder sollen weniger Last mit dem ganzen Besitz haben und da gehören die heutigen
Umwelt- und Naturschutz- und Denkmalschutzvorschriften als immer stärker belastender Faktor dazu.
Mit weniger Kümmernis lebt es sich entschieden leichter und das Wild kann man sich auch
kommen lassen, das ist heute nun wirklich kein Problem mehr und wenn, dann eines der Köchin.

***

Graf Valter Ottokar von Rumpenstein - Zerbeg erhielt bald Post von verschiedenen Adelsleuten
aus dem ganzen Land, die ihn gerne kennenlernen wollten.
Vordergründig war der Zusammenhalt angesagt, hintergründig wollten einige Pleitefürsten
in Erfahrung bringen, wie er so erfolgreich und wohlhaben geblieben oder geworden war.
Hohe und niedere Titel lösten sich ab, alle blieben eine Woche und spuckten ihre Sorgen aus.
Valter sagte nur Helene:
Sind wir ein Hotel oder Psychiatrie?
Wieso habe ich den Eindruck, daß die meisten dieser Leute einen Schuß haben?
Helene lachte und meinte:
Wir werden wohl berühmt, weil sich unsere Lebensart herum spricht -
wir leben nicht nur nach außen so, wie vor 500 Jahren, sondern tatsächlich, jeden Tag.
Wer unterhält noch so viel eigenes Personal, das auch noch im Bedarfsfall verdoppelt wird,
wenn z.B. Besuch im Hause ist?
Die Standesleute waren um so mehr verwundert, daß sich niemand der Bediensteten
gegen diese altmodischen Regeln auflehnte und bereitwillig Leute aus der Gemeinde nachzog?
Valter sagte:
Die Leute wollen Sicherheit, Einkommenssicherheit und Zuverlässigkeit - mehr nicht.
Sie finden uns Adlige nicht kommandierend, sondern mehr beschützend vor,
wenn man sich etwas besser kennengelernt hat.
Eine letzte "heile Welt", wie aus einem Sagen-Buch.
Die Führungsrolle unseres Standes muß eben gewahrt bleiben und da darf man sich
keine Skandale oder Lächerlichkeiten leisten, sich niemals dem Gespött der Presseheinis preisgeben.
Luisza gefiel dieser Satz, sie bekam wieder einmal alles mit, in ihrem Horchposten,
den ihr niemand nehmen wollte.
Pallim - Pallam - Pallim Pallam - ich höre die Glocken läuten, murmelte sie in ihr Kissen.
Selbst höherrangige "Durchlauchten", die hier eingetrudelt waren, haben die Etikette spüren müssen,
wenn sie sich Sonderrechte" oder ungezieme Freiheiten heraus nehmen wollten.
Valter war dann ganz der Graf Valter Ottokar von Rumpenstein - Zerbeg, wie alle seine Ahnen -
und mit denen war wohl nicht zu spaßen.
Niemand ist heute verpflichtet, einen anderen Menschen mit "Durchlaucht" ansprechen zu müssen,
so hob Luisza an, wie aus Wolken sprechend, von oben herab.
Die Zeit hat sich eben gewandelt, aber bei uns nicht - so kam man leicht überein.
Vom dem rumänischen Adelsstamm kam ein schwerer Brief gesandt, den habe ich dir noch nicht zeigen können,
so rief Luisza durch den Lautsprecher von oben.
"Aus der dako-romanischen Bevölkerung und aus Geten oder Griechen sind sehr wohl Gaugrafen dieses Namens
überliefert, rief sie herab, ich habe den Beweis erhalten.
Nun, meint Valter, die Geschichte dort ist besonders bunt und sehr schnell wandelbar gewesen.
Daß meine Ahnen eine dem Landgrafen oder Gaugrafen vergleichbare Position inne hatten, war mir bekannt.
Die Schreibweise ist im Kyrillischen eben anders.
Das mag uns nicht sonderlich tangieren, denn wir leben heute in einer Demokratie und
nicht mehr in einer Feudalherrschaft mit Kaiser und Königen.
Ich finde, wir müssen der heutigen Bevölkerung nur erklären, daß wir damals eben
die Vertreter des Staates gewesen sind - mehr nicht.
Die heutigen Vertreter des Staates sind nicht weniger von sich eingenommen,
das könnt' ihr mir ruhig glauben.

Da kam schon wieder einer dieser "Fürsten aus finsteren Zeiten", wie Helene scherzte.
Wir machen das Licht aus im ganzen Haus und laufen mit Kerzen herum - wer macht mit?
Valter war eigentlich keiner, mit dem leichtfertig gescherzt wird - aber er entzog sich
der Laune seiner reizvollen Frau nicht, die in ihrem langen, wallenden weißen Gewand
ausschaute, wie aus einem Gruselfilm entsprungen, derb schwarz geschminkt..
Luisza hat zur Feier des Tages, wie sie sich ausdrückte, das Gebiß im Glase gelassn und
bot mit ihren samtenen Schnabelschuhen ein besonderes Bild, ebenfalls derb schwarz geschminkt.
Der Diener zog sein ältestes Livre an, versteifte seine Haltung und hielt einen
5 armigen Kandelaber in der Hand, derb weiß geschminkt, als er die schwere Tür öffnete um den
leise klopfenden Gast herein bat.
Durch diese schwere Eichentür hallte selbst ein Hammerschlag nur ganz leise..
Die Klingel war im stockdunkeln nicht zu finden und auch der Glockenzug nicht -
so daß der Diener mit hohler Stimme sprach:
Euer Durchlaucht, schaut hier und zog an dem Glockengriff und ein seltsam alter Ton
hallte im Ohr, wie aus einem alten Dragula-Film.
Der Herzog von Buxtehude und Kosewinkel und Rhein beehrt uns mit seinem Besuch,
schallte der Diener in die Halle, wo - wie verabredet - die beiden Damen
in ihrer Verkleidung auf dem Vestibül herum schlichen, mit je einer Kerze in der Hand.
Sonst war das ganze Riesengebäude und auch die Eingangshalle in Dunkelheit gehüllt,
nur das Kaminfeuer schimmerte von weiter Ferne des Saals.
Die inzwischen eingetroffene Adelsbande geriet in Schrecken und gruselte sich,
wie sie hinterher im Salon gestanden.
Der Valter kam herab und wurde gebührend vorgestellt,
gelernt ist gelernt, murmelte der Diener leise vor sich hin.
Die Gäste waren beeindruckt, als Graf Valter in die Hände klatschte
und "fiat Lux!" ausrief.

Mit einen Schlag erstrahlte das ganze Haus, wie von Geisterhand.
Ein Ah und Oh ging durch die Reihen der Gäste.
Tretet ein und nehmet Platz.
Die alte Sitte der Platzkarten im Salon mit den entsprechenden Namen darauf,
komplett mit den langen Namen beschrieben, haben beeindruckt.
Die Freifrau saß in ihrem Thron, ihr gegenüber am langen Tische der Graf Valter.
Helene spielte die alten Volkslieder auf, die so ganz und gar nicht zur Klassik
oder Hofmusik gezählt werden konnten, wohl aber aus uralter Zeit stammen.
Luisza hob ein kurze Willkommensrede an und klatschte in die Hände,
als sie zum Dinner aufrief.
Ein dutzend Servierkräfte kamen und räumten in Windeseile den Tisch in eine Tafel um.
Die Lichter dimmten sich herab und die Speisen wurden in üppigster Fülle aufgetragen,
so daß sich die Platten bogen.
Nun gingen leise die Seitenflügel des Salons auf und aus den beiden Orangerien
erklang ein Minuett, das von einem Potpourri heiterer Barock- und Rokkoko-Musik abgelöst wurde.
Der Graf hatte eigens ein Ensembel engagiert um den Gästen zu imponieren.
Dann gingen die vielen Flügeltüren der Orangerien auf und
es wurde auf der Terrasse zum Tanze geladen, alles war festlich illuminiert und die
Musik wechselte in die Tanzmusik des Mittelalters.
Der gewaltige Brunnen mit der Statue war angestrahlt und gefiel allen.
Vielen Gästen waren diese Gesellschaftstänze bekannt und so wurde mit eigenem Champagner
der Tag ausklingen lassen.
Die Gäste verabschiedeten sich freundlich und wurden vom Personal durch die Hallen in die Zimmer geleitet.
Die Trakte waren abgeteilt, so daß kein Gast im restlichen Hause herum irren konnte.
Am anderen Tag, der Morgen graute und draußen regnete es in Bindfäden,
war die Familie mit Kindern bereits im Salon beim Frühstück.
Der Toaster stand auf der riesigen Tafel, angebrochene Wurstdosen und Käsepackungen, Marmeladen und Salami mit Schneide-Brettchen
Müsli-Schüsseln und Milchpackungen und die unvermeidliche Nußkreme - wie eben in einem
Haushalt mit Kindern üblich..
..nach und nach kamen die Gäste angeschlichen, die meisten im Morgenrock - aber
mit Familienwappen, wie alle anderen auch, die bereits am Tische saßen.
Man futterte wie zuhause:
Reich mir mal die Butter.. und ein Brötchen!
Ohne Diener und ohne Serviererinnen.
Da kam die Köchin und brachte eine große Schüssel mit Vanillepudding und Orangensauce,
die Lieblingsspeise der Kleinen.
Bald war sie wieder weg und in ihrer Küche verschwunden.
Die Gäste merkten wohl was hier im Hause los war und trauten sich nicht,
in diesem herum zu spionieren - denn überall war richtig viel Geld zu spüren,
alles war in prächtigster Ausstattung und in bester Ordnung.
Graf Valter zog sich in sein Büro zurück, wie er diese Räumlichkeiten nannte
und nahm zwei seiner Besucher mit, die das gerne einmal gesehen hätten.
Die mächtige Eichentür mit den beiden erhabenen Familienwappen und den links und rechts
der Tür angebrachten alten Fackelhaltern waren schon sehr beeindruckend,
auch wenn diese heute freilich nur Schaustücke sind.
Eine Bürokraft stapelte gerade ein paar Akten in den langen und sehr hohen Schrank,
denn ein Regal oder einfacher Aktenschrank war dem Grafen zu viel zu profan.
Nehmt Platz, Durchlaucht, ich habe nur kurz zu tun -
wie ihr sicher wißt, gehört uns die Brauerei und dadurch entstehen gewisse Verpflichtungen,
auch wenn diese eine eigene Verwaltung besitzt.
Er klatschte in die Hand und eine Bedienstete kam herbei mit einem Orangensaft und einem 2. Kaffee.
Darf sich ihnen auch - ?
Nein danke, ich habe mich schon ordentlich bedient.
Die Frau machte einen Hofknicks und ging leise - rückwärts - aus dem Raume und schloß die Tür geräuschlos.
(Für diesen bühnenreifen Auftritt gab es ein gutes Trinkgeld, damit konnte sie glatt ihrer
Familie daheim ein gutes Wochenende im Freizeitpark gönnen)
Das ganze Haus hat für diesen Auftritt geübt und deshalb klappte alles ganz wunderbar.

***

Als die Gäste sich zur Abreise vor dem Portal eingefunden hatten,
kam der Chauffeur mit dem alten Landaulet angeschwebt und öffnete den Schlag im Livree,
der Graf verabschiedete sich von einen Gästen mit den Worten:
Die Pflicht ruft mich!
Der Wagenschlag ging sanft ins Schloß, der Chauffeur stieg würdevoll ein
und der schwere Wagen fuhr ab - nur den Kies konnte man knirschen hören.

Die Gäste bestiegen ihre eigenen Autos, die richtig zierlich gegen dieses
alte Laudaulet wirkten und waren tief beeindruckt vom Leben in diesem Hause.

Das sprach sich freilich überall ganz schnell herum, denn man war des Lobes voll.
Das Personal reduzierte sich wieder auf die Normalzahl,
die Köchin atmete auf:
Gut, daß die Hilfskräfte wieder weg sind,
die machen immer so einen Durcheinander in meiner Küche.
Jeder hat so seine Ordnung, meinte sie vor sich her schimpfend.
Der Diener legte die Füße hoch und rieb sich dieselben -
und schimpfte auf die alten engen "Hof-Treter", wie er diese nannte.
Den Kindern war so ein Besuch egal, Luisza hat sich in ihr Gemach verzogen
und schlief den ganzen Tag hindurch, weil ein Besuch immer anstrengend ist.
Helene hatte mit den Zwilligen - buchstäblich beide Hände voll zu tun.

Unterdessen wunderten sich die Gäste, daß keinerlei Kopfschmerz nach dem reichlichen
Genuß dieses Adelsgetränkes zu spüren war:
Der Valter macht diesen Champagner selber !
Unglaublich so etwas und der Wein im Garten - nicht zu verachten.
Dabei sind wir nicht einmal zu den Hopfenfeldern gelangt und auch nicht zur Brauerei,
das müssen wir unbedingt nachholen..
..zuerst jedoch sollen wir zum Gegenbesuch laden!

***

Der Tag kam, als die Einladung zum Gegenbesuch ausgesprochen wurde.
Helene blieb bei den Kindern und nur Valter und Luisza
ließen sich kutschieren - sie nahmen den Bürgermeister und seine Frau mit,
die sich schon darauf freuten - so wurden die Beiden daheim abgeholt.
Überall gingen die Vorhänge zur Seite, als das schwere Landaulet vor ihrem Hause hielt,
der Chauffeur den Wagenschlag aufhielt und wieder schloß.
Die ruhige Fahrt durch die schönen Landschaft war in diesem Luxuswagen
der 1960iger Jahre immer ein Genuß, ganz ohne Frage.
Am Ziele im Norden des Landes angekommen, sah der alte Herzogsitz
nicht mehr so gut aus, wie auf den Bildern zu sehen.
Die Anlagen waren ungepflegt, kein Springbrunnen lief und die Zufahrt
hatte Schlaglöcher.
Am Portal war niemand, die Tür stand auf und von innen kam der Muff heraus gezogen.
Man hat wohl nochmal gründlich durchlüften wollen, meinte Luisza, wir sind auch
noch viel zu früh!
Fast unmerklich ist der Wagen über die Autobahn geschwebt, wohl etwas zu flott,
wie Valter bemerkte.
Der Chauffeur grinste ins Taschentuch: "Ja, eine lahme Kutsche ist das nicht gerade!"
Die Fahrer moderner Wagen staunten doch schon und waren irritiert, wenn dieser riesige Schlitten mit Vehemenz auf der Autobahn fuhr und auch bei Quer-Rinnen und Schlaglöchern nicht zu erschüttern war..
So stiegen sie aus und setzten sich auf eine Bank im Park, die der Chauffeur zuvor
geschwind abgewischt hat - hier hat schon lange keiner mehr sauber gemacht!
Ein alter rappeliger Kleinwagen kam angesaust und hielt mit quitschenden Bremsen
vor dem Portal, diese "Durchlaucht" stieg höchstpersönlich aus der Fahrerseite und
trug einen Karton mit Diskounter-Lebensmitteln ins Haus.
Ein verwunderten Seitenblick auf die schwere lange Limousine werfend.
"Ach du Scheiße, die Gäste sind schon da!"
Ja, sagte die Freifrau, ich glaube schon - sie stand direkt hinter einer Säule des Portals..
Der Chauffeur begutachtete argwöhnisch den Lack des W100 Spezial, weil die Rappelkiste
daneben mit Steinen gespritzt hat.

Kommt doch bitte hier um die Ecke, wir bewohnen nur noch die Wohnung des Butlers,
seit die Kinder ausgezogen sind.
Dieses große Haus verursacht so hohe Kosten, es ist praktisch unbeheizbar.
Selbst den Strom mußten wir abstellen und so ist eben nur hier in dieser Wohnung
hell und einigermaßen warm durch den Elektro-Ofen.
(Die große Heizung ist schon vor vielen Jahren kaputt gegangen und das Geld zur Reparatur hatten wir nicht)
Wir versuchen nach außen hin die Fassade zu wahren, um unserem Titel gerecht zu werden,
was aber nur sehr schwer gelingt.
Mein Mann ist im botanischen Garten beschäftigt und ich putze, wenn es keiner sieht,
in der Gemeindeverwaltung.
Nehmt doch Platz und bedient euch, Dienstboten haben wir freilich schon seit zig Jahren keine mehr.
Nach dem kargen und armen "Essen", einem Käsetoast mit Billigsalami und einem Gürkchen
ging man durch den Park, welcher eher eine Abraum - Deponie geworden ist.
Abgeschnittene Äste von vor einigen Jahren, altes Gerät, Rasenabschnitte und der kaputte Rasenmäher,
alte Backsteine, Regenfässer, wo wohl einmal irgndetwas "Chemisches" drin gewesen sein muss und
mehrere Autos, die es buchstäblich hinter sich hatten.
Dort, wo das Wildgehege gewesen sein muß, wuchert Holunder und Efeu,
die Wege sind nurmehr Trampelpfade und die Blumenbeete sind von wildem Gebüsch eingenommen.
"Das meiste Gelände ist an die Stadt verpfändet worden, früher ging der Park bis zur Autobahn."
Aber wir haben noch mehr zu bieten, wir fahren euch zu den Von Finkensteins, die haben ihren
angestammten Wohlstand besser bewahren können.
Die "Gastgeber" fuhren zu diesen Verwandten und dort waren sehr viel kleinere Zustände,
eine große Villa im Park sozusagen, die nur wenig Grund außen herum besaß.
Als die Verwandten angebraust kamen, mit ihrem kleinen Schrottauto, so Luisza später
-ins Taschentuch lächelnd- sah ich schon eilig die Tür zugehen,
aber als man unseren Wagen sah, ging diese wieder auf und eine Frau trat heraus.
Diese rief etwas nach innen in den Hausflur.
Nun kamen zwei Halbwüchsige heraus und besahen sich das W100 Landaulet,
sprachen dabei in einer unbekannten Sprache, wie Lisza meinte und wollten den Wagen
betatschen und auf die Haube steigen um sich darauf zu setzen, weil das "cool" sein soll.
Der Chauffeur hat denen den Marsch geblasen, aber nicht zu knapp.
Die Frau am Eingang meinte lautstark, mit zerzausten Haaren:
Wie reden sie mit den Prinzen?
So blieb der Chauffeur am Wagen, mit Argusaugen darüber wachend.
Der Bürgermeister und seine Frau waren die ganze Zeit sehr sehr still und
erzählten nachher von ihrer Erschütterung, wie arg der Adel nieder gekommen sein muß.
Niemand bat die Gruppe hinein, so gingen sie - von den Verwandten mit dem alten Kleinwagen geführt -
nach innen in den Salon, wo sie auf einer Couch, man stelle sich vor, eine moderne Couch im Salon,
wo sich der "Hausherr" mit einer nackten jungen Dame herum flätzte, die offensichtlich noch
oder schon wieder betrunken war.
Auf dem Tischchen davor waren zig billige Sektflaschen, teils auch unter dem Tisch verstreut.
Zigaretten und Rauschgift - Dunst lag wie eine Wolke um diese Beiden herum in der Luft wie ein Teppich.
Auf dem Boden schliefen mehrere Doggen, ab und an ein Kothaufen.
Hier bleibe ich nicht, meinte Frau Bürgermeister, während ihr Mann die Nackte erschüttert anstarrte:
Die ist doch bestimmt erst 15 Jahre alt !
Ja, sagte da neben ihm einer der Bengel, die sich auf das Auto hocken wollten,
sie ist auch unsere Freundin, aber das ist kein Problem, denn die Andere ist oben
und liegt in der Wanne, wie meistens.
Die Frau des Mannes auf der Couch stand noch immer im Flur, die Zahnbürste in der Hand-
es war bereits 11 Uhr und nirgendwo war ein Kaffeetisch zu sehen.
Sie keiferte:
Sie müssens schon bittschön entschuldgen, die Dienerschaft ist schon vor Jahren davon,
in der Küchn wird wohl noch woas sein, machns sich halt eine Brotzeit, gell?

Angewidert und vergruselt lud der Graf seine Wagengäste in ein feines Hotel ein,
wo man sich endlich wieder unter Menschen fühlte.
Die Beiden, welche die Einladung eigentlich ausgesprochen haben, waren schon "verduftet",
wie der Chauffeur trocken kommentierte.

***

Wieder zu Hause war man heilfroh, die Sache halbwegs überstanden zu haben und
hat fortan erst einmal keine Gäste mehr eingeladen..
Alle Fünf haben noch lange danach zu diesem Thema und auch zwischendurch
erschaudernd die Köpfe geschüttelt.
So ein Schweinestall!
Sicherlich gibt es noch genug bessere Häuser und nicht jeder Adlige ist pleite,
meinte Valter, "gewiß", antwortete Helene.
Von nun an wurde sofort aufgelegt, wenn Verwandte anriefen um hintergründige Absichten
loszuwerden, Briefe von dorten blieben ungeöffnet und wurden sogleich im Papiercontainer entsorgt.
Unterwegs nach Hause wollten sie bei einem anderen bekannten Haus Rast machen,
wurden aber in der Hofeinfahrt bereits von einem Lieferwagen behindert, der offenbar
alte Möbel auflud:
"Krawullsky - Hausservice und Entrümplung" stand auf dem Wagen.
Die großen Klappläden des Anwesens hingen z.T. schon einseitig in den Angeln..
Genug gesehen, laßt uns weiter fahren, wir wollen nach Hause!

***

Unterwegs las Lisza, die sich immer gründlich vorbereitete,
aus eine Brevier vor:
In diesem Schlößchen wohnt niemand - staatl. Schösser und Burgenverwaltung.
Und hier ist eine Investmentfirma eingezogen, zwei Orte weiter im Adelssitz
hat man die Verwaltung einer Kommune untergebracht und dort wohnt noch eine alte Dame drin,
dort ist ein Seminargebäude daraus geworden, dann zwei Nobelhotels..
So ging das gut 30 Adelssitze lang - immer an dieser Route entlang.

Daheim hat Valter über den Notar in der Zwischenzeit Report über den gewonnenen Prozess
gegen die Denkmalschutzbehörde bekommen und darf nun die Burgruine als sein Eigentum nutzen.
Er ging zum Bürgermeister und gemeinsam mit dem Ortsbeirat taten sie einen Ortstermin,
an welchem man übereinkam, diesen Wald als Friedwald zu gestalten.
(Ein anonymer Bestattungsort)
Die Ruine selbst und auch der zugehörige Familienfriedhof war wieder in Privatbesitz des Grafen gelangt.
(Die Gemeinde war froh, dieses Ding los zu sein, - denn die Unterhaltskosten sind nicht so
leicht zu schultern, wenn man mit den vielen heutigen Einwanderern in die Sozialsysteme zu tun hat,
durch welche alle Gewinne oder Steuereinnahmen verfrühstückt werden und darüber hinaus
zu immer höheren Gemeindesteuern führten, wollte die Kommune nicht bald bankrott gehen:
Angebliche "Refugees", eher Wirtschaftsflüchtlinge..)
Die Steuerfreiheit des Hauses blieb, dafür konnte die Gemeinde nun diese teuren Bestattungsplätze
des Friedwaldes verkaufen - was übrigens sehr gut lief und ordentlich Geld brachte -
dieser Art der Bestattung lag eben im Trend.
Die Ruine jedoch, die hat sich Lisza geschnappt und prompt ihr "Hexenseminar" dort errichtet,
wie Helene belustigt sagte:
Luisza ist seit vielen Jahren überzeugte Anhängerin der "spiritistischen Naturheilkunde",
wie sie das nennt.
Zusammen mit gut 30 Frauen jeden Alters feiern sie das Sonnwendfest und ähnlich
"heidnische Bräuche", wie der Pfarrer schimpfend von der Kanzel verkündet.
Einmal rief Luisza in die Predigt:
Ihr Kult ist nicht viel anders !
Danach hat man sie aus der Kirche komplimentiert, was Lisza bewog, die
jährliche Spende zu streichen, die so hoch war, wie alle Gemeindemitglieder zusammen.
Die "Hexe" also feierte fröhlich Urständ' und hatte viele Anhänger,
die von weit her kamen und die uralten Rituale einer vergangenen Kultur feierten.
Alleine aus dieser Ecke kamen viele Anfragen an die Gemeinde in Punkto Bestattung.
Die seltsame Wotanstatue des Brunnens auf der Terrasse des Hauses
hat sie hier in der Ruine aufstellen lassen
und einige ähnliche Symbole - man beschuldigte sie dem Rechtsextremismus,
was allerdings sofort durch den Anwalt in eine Schadensersatzklage umgewandelt worden ist,
die sich gewaschen hat:
Diese Religion hat nichts mit Politik zu tun und wenn das
heute einige rechtslastige Gruppen daraus machen wollen, hat das nichts mit dem Glauben,
als vielmehr mit einer Art der Publicity zu tun, die mit nichts zu halten ist:
"Kult-Napping" sozusagen.
Ich kann nachweisen, seit Jahrzehnten nicht mehr wählen gegangen zu sein
und auch noch nie einer politischen Partei oder Strömung angehört zu haben.
Wer etwas Gegenteiliges behauptet, begeht Rufmord und das kann und wird geahndet werden.
Diese Gruppe hat sich jegliche Annäherung von Religions- und Politikfanatikern verbeten.
Auf diesem Privatgrund galt eben das Hausrecht, welches die Besitzer schon seit Urzeiten inne hatten.
Luiza sagte: "Ich kann auch eine deftige Schadenersatzklage einleiten lassen.."

***

Unterdessen hat der Graf die Gemeindevertreter beruhigt und versprochen einen
neuen Löschteich zwischen Brauerei und dem Haus bauen zu lassen, in welchem
alle Ortsbewohner in den warmen Monaten schwimmen dürfen.
Den Einwand des Gemeinderates, daß sie kein Geld für die vorgeschriebene D LRG-Badeaufsicht
und für die vorgeschriebenen Wasseruntersuchungen habe, hat der Graf mit einer Handbewegung
beiseite gewischt:
Kleinkram!
Wir haben ein eigenes Labor und eine biochemische Reinigung
bei der Brauerei, wie sie wissen, meine Herren.
In der Brauerei wird eben eine Person freigestellt, wenn das Bad geöffnet ist.
Dieser Mann wird die entsprechende Qualifikation erwerben und die Feuerwehr macht gerne mit,
mit denen haben wir schon gesprochen.
Die Anlage wird groß genug sein, um dem ganzen Ort im Brandfalle dienlich zu sein:
Im Falle eines Falles öffnete die Feuerwehr den Schieber und die Fall-Leitung
des Ortes wird mit dem Teichwasser gefüllt.
Auf das Geld für dieses Rohr soll es nicht ankommen.
Mit den Genehmigungsbehörden werden bereits Verhandlungen geführt,
die Gemeinde wird zu gegebener Zeit um Stellungnahme gebeten.
Außerdem habe ich noch einen Anschlag auf das Gemeinwohl vor:
Wir möchten Stipendien an Ausbildungswillige in den hiesigen Gewerken vergeben,
damit sich nicht immer wieder die Jugendlichen in einem zeitraubenden Studium verrennen,
wenn sie dieses mit Ach und Krach schaffen und hinterher trotzdem kaum echte Chancen haben.
Das Handwerk und das örtliche Gewerbe muß dringend dahingehend saniert werden,
daß es wieder zur Jobmaschine wird.
Wir sollten lernen, alle an einem Strang zu ziehen und deshalb setze ich dieses Zeichen.
Was den Studenten recht ist, sollte unseren Lehrlingen billig sein - so der Graf Valter
zum Erstaunen aller Ratsmitglieder.
Valter wußte, hier renne ich offene Türen ein und das Geld ist am besten bei uns im Ort aufgehoben
und vagabundiert nicht sonstwo herum.
Bei einem Weinfest, das traditionell schon seit Jahrhunderten im Ort gefeiert wird,
hat der Bürgermeister diese Neuigkeiten verkündet.
Bald darauf kamen die Landvermesser und steckten den Teich ab.
Diesen hat man so gestaltet, daß ein stabiles, engmaschiges Sicherheitsnetz
installiert war, das nur beim Erwachsenenschwimmen abgesenkt werden konnte.
Die Anlage wurde einfach ausgehoben und mit 3 Folien abgedichtet.
Als letzte Auflage kam eine Leichtbetonschicht, griffig, aber nicht scharfkantig.
Der Bauunternehmer, der diesen Auftrag erhielt stiftete einen schönen Sandstrand und die
Gestaltung einer Liegewiese nebst kleiner Toilettenanlage dazu.
Die Besonderheit dieses "Lösch-Schwimm-Bades" war, daß dieses so lang
wie das Brauereigrundstück angelegt wurde bei 10mtr Breite.
Hier konnte richtig geschwommen werden, ohne gleich wieder kehrt machen zu müssen.
So eine lange Schwimmbahn gab es nirgendwo und das lockte Reporter an,
die brachten das in ihren Regionalnachrichten - und so kamen mehr Besucher in den Ort.
Einer der Anlernlinge im Betrieb war schon lange im DLR G und so
stand der Badesaison nichts mehr im Wege.
Einer der Wirte hat sich mit einer Bude dort hin gestellt und verkauft
Erfrischungen, Snacks und was man eben so braucht, damit die lieben Kleinen ruhig sind.
So war allen gedient.

Der Mensch kann nicht in Ruhe leben.. und schon kam jemand von einer Sozialbehörde, die das Werbeplakat reklamierte:
"Sie zeigen eindeutig Mann und Frau auf dem Bild, die auch noch weiß sind - das geht so nicht!"
Ach, meinte Valter, was ist daran falsch?
"Nun, heute zeigt man Vielfalt und Gleichheit, das alte Ideal ist nicht mehr nur von Gestern, es diskriminiert auch und das kann schnell zu Strafen führen!"
Hören sie mal - sehen sie hier vielleicht einen Außerirdischen herum laufen? Das gilt auch für die Toiletten - Mann und Frau.
"Sie werden das ändern oder wir schalten Anzeigen!"
Machen sie ruhig, ich habe das Gespräch auf Band- sie befinden sich auf Privatgrund und meine Bediensteten haben das mit dem Smartphone aufgezeichnet. Hier ist alles im Privatbereich angesiedelt- wie sie am Eingangsschild sehen können. Unsere Rechtsabteilung wird Sie ganz persönlich - und zwar sofort - mit dem Hausverbot belegen und vor Gericht bringen, sollte von ihrer Seite etwas kommen..
Zwei Leute bekleideten den Störer nach draußen.

Die Leute des Labors haben die Wasserqualität peinlich genau untersucht
und die Zahlen als Kopie in einen Glaskasten am Eingang des Bades angebracht.

***

Der Brunnen auf der Terrasse war ja nun von seiner Statue beraubt und so
sann Helene nach, um einen passenden Ersatz zu finden.
Der Schlosser des Ortes hatte die Idee, eine Pusteblume aus Metall auf dem Sockel
zu installieren - dieser Vorschlag gefiel allen auf Anhieb !
Auf dem kräftigen Standfuß kam die zwei Hauswappen gut zur Geltung,
die der Steinmetz eigens dafür anfertigte.
Die Pusteblume konnte eine Fontaine oder eine Glocke über die Metall-Blätter schicken,
wo von jedem Blatt das Wasser in anmutiger Art in den Brunnen zurück floß.
Für kleine Kinder ein Eldorado - keine Frage, denn hier kann keines ertrinken.
Sicherheitshalber sind ein paar Schwimmringe darin!

***

Der Graf war nie ein Kind von Traurigkeit und so sann er immer nach neuen Events,
die "sein kümmerliches Darsein ein wenig aufmuntern" konnten,
wie er zu scherzen beliebte..
Und so bot er die beiden Laudaulet einem Auktionshaus an.
Das Ergebnis hat nicht lange auf sich warten lassen, denn dafür gibt es sehr viele
sehr reiche Liebhaber, die für beste Exemplare bereit sind, tief in die Tasche zu greifen.
Das Geld hat er Graf eingesteckt und dem enttäuschen Chauffeur einen neuen Kompaktwagen gekauft,
von dem "Rest" hat er sich einen 16 sitzigen "Kleinbus" bestellt, der vom Autoveredler
mit allen erdenklichen Sachen ausgestattet und aufwändig lackiert worden ist.
Das gräfliche Wappen war dezent an den vorderen Türen des dezent antrazitfarbenen Wagens
mit seinen dunkel getönten Scheiben angebracht.
Als Sonderausstattung kam die größte Maschine hinein und Allradantrieb.
Innen waren 6 doppelt breite Luxussessel, die in Liegeposition gefahren werden konnten.
(Der Fahrersitz kam freilich separat genannt)
Hinten war die Toilette, mit großzügigem Waschraum und Kleiderschrank.
Eine Glasscheibe trennt den Fahrer von den Passagieren,
neben diesem war ein Kommunikationscenter und der Kühlschrank.
Die breite Tür mit Treppe ermöglicht einen sehr bequemen Einstieg in der rechten Wagenmitte.
Das ganze Ambiente war aufeinander abgestimmt und aus edelsten Materialen,
statt Chromleisten hat man schieferfarbene Akzentteile bestellt.
Außen sollen rundherum lackierte Stoßzonen den Wagen schützen.
"Vip Ausstattung" auf eigenen Wunsch abgeändert, wie man im Werk staunend bemerkte.
Der Preis stieg auf das dreifache, was immer noch viel billiger war,
als eines der Laudaulet erbracht hat.
Der Chauffeur bekam eine Fahrerausbildung spendiert und eine Führerscheinerweiterung.
So ein großes, bald 9 mtr langes Fahrzeug,
das auch noch 2,8mtr hoch und recht breit ist, will sicher gelenkt sein.
Mit allen Kamera-Systemen und Parkhilfen.

Nun war er in freudiger Erwartung oder wie Luisza bemerkte - irgendwie ein "werdender Vater".
Nun, ein Rennwagen ist das mit Sicherheit nicht, aber ein sicheres Fahrzeug, das den heutigen
Ansprüchen einer Familie Rechnung tragen wird-
mit etlichen Panzerungen, die man freilich von außen nicht sah.
Luisza und die Kinder, mit ihren schwachen Blasen sind damit allemal besser dabei,
als wenn wir unterwegs in einem der schmuddeligen Restaurants oder gar Autobahnraststätten halten müssten.
Das kostete immer so viel Zeit und nun ist alles kein Problem.
Es war mir ein Greuel, bei den Verwandten evtl. essen zu müssen, meinte sie trocken.
Die Kleinen sehen fern oder spielen ihre Spiele auf den Monitoren, ich bearbeite die
Daten des Hauses und beaufsichtige nebenbei den Betrieb, die Buchführung und das Haus - der Chauffeur ist
mit allen technischen Raffinessen der Verkehrslenkung ausgestattet.
Aus diesem Grund muß er nachgeschult werden.
Im Werk des "Tuners" und bei freier Unterkunft mit seiner Frau in einem guten Hause.
Die Familie freute sich bereits und wenige Wochen später sollte der Wagen gebracht werden,
direkt vor das Haus, wie sich das gehört.
Der Autoveredler hat sich alle Mühe gegeben, um aus einem Serienwagen etwas ganz Besonderes zu machen.
Der dunkel antrazitfarbene Stern zierte den Wagen ungemein,
die Akzentteile innen wie außen paßten perfekt zusammen.
(Überall wurde K evlar-Material verbaut)

Im Ort hielt man die Luft an, als dieser Wagen die Straße zum Haus einbog -
"du meine Güte, ein Papa-Mobil mit gräflichen Wappen!"
Der Wagen war dennoch irgendwie dezent- aber eben riesig.
Mit seinen 6 Sesseln, "Sitze" wäre hier der falsche Ausdruck - hatte sich der Hausherr
einen Traum erfüllt und diesen auch gleich in die Tat umgesetzt und aus einem
kleinen Verkehrsbus eine Luxuslimousine bauen lassen,
die einige Karosserieverstärkungen aus beschichtetem Aluminium erhielt:
Ein Fahrzeug, das auf Jahrzehnte ausgelegt ist, mit entsprechenden Versiegelungen.
(Er träumte sich des Nachts tatsächlich diesen Wagen mit dieser Ausstattung zurecht)
Die erste Ausfahrt war ein echtes Erlebnis - alles war gedämpft und klimatisiert,
mit einem sehr potenten Motor ausgestattet fuhr der Wagen ganz leise davon, mit Automatikgetriebe, wie sich das gehört.
Luisza war von dem eingebauten Waschraum und Toilette begeistert.
Die Frau des Chauffeurs vom neuen Kleinwagen ebenso.

***

Was Valter nicht sagte war, daß er das komplette Schwimmbad mitsamt der Ruine
und den neuen Kleinwagen und den großen neuen Wagen bekam,
ohne eine Pfennig zuzahlen zu müssen, so viel brachten die beiden Oldtimer in die Kasse.
Erst als Valter anhob, daß man nun Benzin sparen könne,
hat der Chauffeur nur noch den Kopf geschüttelt:
Ein teures Sparvergnügen, in der Tat eher ein gräfliches !
Aber mit den Kosteneinsparungen haben Eure Durchlaucht wohl recht,
denn die Wartung und Reparaturen der Oldtimer war sehr sehr teuer und
das mit steigender Tendenz, weil inzwischen kaum noch Ersatzteile zu finden waren.
Es wären immer teure Einzelanfertigungen gewesen, die lange Standzeiten in den
Werkstätten nach sich gezogen hätten und wer da alles an dem teuren Gefährt herum fingert,
weiß man nie - nachher ist mehr kaputt als vorher..

***

Man staunte unterwegs nicht schlecht, wenn die Familie oder einer der Angehörigen alleine
in diesem neuen "Familienwagen" chauffiert wurden.
Von außen sah man nicht, wieviel Leute im Wagen saßen.
Wertvolle Vorhänge und die Bar ergänzten die Ausstattung,
bei der ein heißes Getränk - jeder Art - ganz einfach drin war,
immer und jederzeit.
Die Versorgung des Wagens ist ein Kapitel für sich, meinte der Chauffeur,
wie bei einem Reisebus und doch so edel wie in den Landaulet(s).
Die örtliche Waschstraße freute sich schon, einen wahrhaftigen Dauerkunden zu haben,
der auch was springen läßt:
Hier darf nicht gekratzt und nicht gepfuscht sein;
Chefsache !

Die ersten Lehrlinge des Ortes bekamen ihr Stipendium und kamen gut voran.
Der "kleine Karl" ist ordentlich gewachsen und hat seine Lehre bestanden.
Die Julia war noch im Kindergarten, die Zwillinge kamen gerade "aus dem Gröbsten" heraus.
Das Schwimmbad kam gut an und wurde mit Freuden genutzt.
Die Hexenburg hat eine gute Bekanntheit erreicht,
im Haus war alles beim Alten, wenn man einmal von der Pusteblume absieht,
die den drei Kindern und auch jenen Kindergartenfreunden eine Riesengaudi bereitete.
(Beheizt - damit sich die Kleinen nicht erkälten)
Wie das so ist im Leben, kommt zum Zucker immer das Salz und wieder einmal
hat der "Geistliche" Gift und Galle gespuckt:
Nicht nur, daß diese Hexe auf dem Söller ihren Irrwitz zelebriert,
nun sind auch noch die drei Kinder ungetauft geblieben, obwohl die Familie
seit altersher eine eigene Bank in der Kirche hat.
Dieses Gezänk kam an - über drei Ecken.
Der kennt jenen, dieser den anderen und schon ist die Saat aufgegangen.
Das wußte der Pfarrer ganz genau.
Die Antwort kam prompt:
Die ganze Familie ist unisono aus der Kirche ausgetreten.
Bumms, weg war sie, die schöne Kirchensteuer.
Nun bekam der Pfarrer von seinen Vorgesetzten Dampf ab und
das hat diesen erst recht aufgebracht, statt nach "gut Wetter" nachzuarbeiten.
Im Ort hörte Luisza, daß in der Bäckerei von den Gottlosen gesprochen wurde,
die der Pfarrer von der Kanzel herab beschimpfte.
So ging sie ins Pfarrhaus und sprach den Manne an:
Sie haben einen Gott, wir haben gleich ein paar davon - wer ist also gläubiger,
sie oder ich?
Es gibt nur einen Gott!
Beweisen sie es..
Das war ein wenig problematisch, weil doch Jesus gekreuzigt worden sein soll.
In der Schrift ist von ein und derselben Person mal als Gott, mal als Sohn, mal als Heiliger Geist
die Rede und das als "Trinität", also ist es eine Person, die sich dahinter versteckt
und die ist eben getötet worden.
Das müssen sie symbolisch sehen, meinte der Priester, das ist alles allegorisch.
Ach und in den alten Religionen, die sie hochmütig "heidnisch" nennen, ist das nicht anders gelöst
worden, um die Schäfchen bei der Stange zu halten..
Der Pfarrer wies ihr die Tür und Luisza ging mit erhobenem Kopf,
mit folgendem Schlußsatz auf den Lippen:
Wer da von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!
Es kam nie wieder etwas nach.

***

Die lieben Kleinen wuchsen heran und bald besuchte Julia die Grundschule.
Sie war ein problemloses und ruhiges Kind, das durchschnittliche Noten erhielt
und nirgendwo auffiel.
Immer heiter und guter Dinge, sie hegte auch niemals gegen irgendwen einen Groll.
"Die Noten werden schon richtig sein", sagte sie als ihre Mutter fragte, ob sie das nicht besser könne.
"Ich heirate sowie einmal und da muß man nicht schlau sein, gell Mama?"
Luisza brüllte vor Lachen, was sonst nie vorkam - sie besah sich die Situation aus ihrem Gemach
und hat diesen Mitschnitt gut aufgehoben.
Helene meinte am Abend zu Valter:
Die brauchen wir nicht auf das Internat zu schicken,
die Qual kann man ihr ersparen - das wird ein Hausmütterchen und nichts weiter.
Valter meinte:
Leisten kann sie sich das, ohne Frage und da auch sie nur ein einziges Leben hat,
soll das wohl so sein.
Es muß nicht nur Intelligenzbestien haben auf dieser Erde.
Aber ganz so war das nicht, denn Julia war gewitzt und interessierte sich breit angelegt,
aber eben weniger für schulisches Wissen.
Die Zwillinge entwickelten sich gut, es waren wohl eher Knaben, die zum Tüfteln neigen,
wie die Eltern feststellen konnten.
Inzwischen hat der Karl sich für die Meisterprüfung angemeldet und diese nach der Schulung
auch geschafft - nicht mit Bestnoten, aber immerhin.
Karl hatte wieder eine Idee:
Wir haben die vielen 0,33ltr Flaschen und sollten uns zu einem Bockbier aufschwingen.
Die Machbarkeit ist technisch kein Problem, das hat mir der Braumeister bestätigt,
er hat früher in seiner Lehrzeit schon damit gearbeitet, als er noch in Bamberg war.
Luisza gefiel der Vorschlag und so wurde wieder gebuddelt - ein weiterer Keller
entstand in welchem übliche Stahltanks verbaut wurden und eine kleine Abfüllanlage,
die handbetrieben war - aus den Industriekleinanzeigen günstig erstanden.
Der Mengenausstoß wurde ganz bewußt ziemlich klein gehalten, also als Rarität.
Dieses Bier mit dem hohen Stammwürzeanteil wurde erst intern verkostet,
als Personaldeputat sozusagen.
Jeder sollte seine Rezension in den Kummerkasten werfen.
Es kamen einige Kritiken und bald wurde das Rezept auf einen gemeinsamen Nenner gebracht.
Der Zeitgeschmack ändert sich nun mal, so Luisza.
Die Etiketten wurden erdacht und die weitere Flaschenausstattung bestellt.
Die beiden Verwalter kümmerten sich um die Vermarktung, die nicht vor Ort,
sondern weit weg geschehen sollte:
Das gräfliche Lagerbier sollte State of Art bleiben und keine hauseigene Konkurrenz erfahren.
Die Abnehmer dieses Lagerbieres erfuhren nichts davon, daß hier auch Bockbier gebraut wurde.
Durch das Internet geht so manches, sagte das Verwalterpaar immer, schaun' wir mal!
Man verschickte Interessenten für größere Mengen gerne eine Probeflasche, damit der hohe Preis akzeptiert wird.
Als die erste Charge abgepackt in 6er Kartons auf den Paletten gestapelt und verzurrt war,
holte ein Lastwagen aus Hamburg die Ladung ab, der Fahrer quittierte den Erhalt.
Bezahlt wurde per Vorkasse durch P ay -Pool, die Verwalter haben das Bier in der "Bucht"
vertickert, so scherzte Karl und Luisza schüttelte nur den Kopf.
"Ein guter Preis, alle Achtung!"

Und so machten sie das ab jetzt immer, auch mit den Fässern des Gräflichen Lagerbieres,
falls tatsächlich etwas zu viel produziert worden ist und getrunken werden sollte.
Die Brauerei lief, dort entstand keine Sorge und der Umsatz hat auch der Gemeinde geholfen.
Das Ansehen der Familie war jeglichen Zweifels enthoben, trotz des "Glaubenskonfliktes",
wie sich zeigte, denn die Gesellschaft ist sowieso im Aufbruch, meinte Helene, es treten immer mehr Leute aus den Kirchen aus.
Ich habe mit einigen Müttern der Schulkameraden Julias gesprochen und dort sind auch schon
viele ausgetreten, weil eben zu viel durch die Kirchenleute geschah, was nie hätte passieren dürfen.
Luisza's Zirkel blieb konstant und war überschaubar, eine Religion betrieben diese Frauen dort oben
auf der Ruine eher nicht, sondern Rituale alter Zeit, welche die Natur als Gott ansahen und
auf Selbstheilung bei Krankheiten setzten - mit Hilfe der Kräuterheilkunde als flankierende Maßnahmen.
Dort hat man richtige Seminarien abgehalten und verschiedene Kundige eingeladen.
Der örtliche Pfarrer litt seit vielen Jahren unter starken Kopfschmerzen und so lud Luisza ihn ein.
Er kam ohne Widerworte der Aufforderung nach, was schon sehr verwunderlich war.
Nach der 3. Behandlung war er fast schmerzfrei und das kam durch seltsame "Schwedenkräuter" und
durch eine gezielte Massage.
"Das hat der Arzt in den ganzen Jahren nicht geschafft" meinte er dankbar -
Luisza konnte sich nicht verkneifen zu sagen:
"Und ihr Gott auch nicht, aber ich weiß ja - wen Gott liebt, den prüft er
und wer Schmerzen hat, ist dem Kreuze nahe"
Säuerlich verabschiedete er sich und war bemüht, nicht darauf zu antworten.

***

Julia hat sich immer als Prinzessin benommen und ist davon wohl nie abgewichen.
Ihr Vorbild war Luisza, die sie abgöttisch verehrte.
Die Zwillige kamen mehr nach dem Vater.
Eines schönen Tages vermeldete der Diener in den Salon:
Ein Edler aus Rumänien meldet sich an und begehrt den Graf Valter Ottokar von Rumpenstein - Zerbeg
zu sprechen, er sei ein Verwandter und begäbe sich gerade in dieser Sache auf eine europäische Rundreise.
Dieser Ort sei sein erster, wie er betont.
Er wurde in den Salon gebeten und vom Diener etwas entfernt vom "Thron" platziert.
Meine Familie wartet im Taxi..
..wären sie so nett und würden dieses bezahlen?
Wie? Wir sollen euch das Taxi bezahlen?
Aber gerne, - der Diener bekam die Order, das Taxi zu bezahlen - mit der Auflage,
dass diese Leute gleich wieder zum Bahnhof gebracht werden würden.
So geschah das auch und bald kam vom Bahnhof der Anruf, daß den Rumänen das Geld für die Weiterfahrt
fehlen würde - ob der Graf nicht so nett sein könnte, "ein wenig auszuhelfen".
Die Anwort war:
Fragen sie beim Sozialamt nach, ich bin nicht die Heilsarmee !
Helene war schon verwundert, warum Valter so barsch und abweisend gewesen war.
"Du kennst deren Gesittung nicht", sagte er, "das sind Zigeuner, die immer auf diese Weise reisen" !
Schmarotzer und Nichtsnutze - wenn man denen den Rücken zudreht, fehlt etwas aus dem Besitz.
Der Sicherheitsdienst wurde gefirmt, solche Leute und auch Vertreter oder Glaubensleute
oder ähnliche gleich auf die Straße zu verfrachten und auf keinen Fall ins Haus zu lassen.
Am nächsten Morgen war im Erdgeschoß eine Scheibe eingeschlagen und aus dem Raum
waren einige Frühstücks-Zutaten verschwunden.
Gut, daß der Diener stets darauf achtete, daß der Zugang verwehrt war durch abgeschlossenen Innentüren.
Das regeln wir ohne Polizei, meint Valter dazu, warte nur ab.
Er sprach mit der Sozialstelle des Ortes und warnte diese vor:
Seien sie auf der Hut, die klauen alles, was nicht niet- und nagelfest ist und
so sind sie die Nacht bei uns in den Frühstücksraum eingebrochen.
Diese Leute haben die schlimme Angewohnheit nicht zwischen dein und mein unterscheiden zu können oder
zu wollen und dabei ständig neue dieser Sorte nach sich zu ziehen.
Die Kommune hatte Glück, es ist an diesem Tag nur das Inventar eines der Asyl-Zimmer verschwunden,
die Sachen aus dem 2. und 3. Raum standen schon auf dem Hof und sollten wohl bald abtransportiert werden.
Es fuhr ein weißer Transporter dauernd an der Unterkunft vorbei,
die man schon von weitem erkennen konnte - wie überall im Land - an Abfällen, die aus dem Fenster
geworfen worden waren und Unrat, schiefen oder in die Rahmen eingeklemmten Gardinen
an ständig gekippten Fenstern -
auch im Winter bei voll aufgedrehten Heizungen
und ewig brennenden Lichtern im gesamten Haus.
Bis in die Regenrinnen lag Abfall und verbrauchtes Spielzeug,
im Hof standen Einkaufswagen des Marktes, die man zwar hin, aber nicht mehr zurück gebracht hat.
(Als Autor bemerkt:
Die Zeche des "Einkaufs" hat der Bürgermeister dem Ladeninhaber zahlen müssen, was kein Einzelfall ist-
das haben wir auf Wanderungen im Westerwald erfahren.
Still und heimlich - damit die Bevölkerung des Ortes nicht verärgert wird..
..die Verdreckungen haben wir überall da gesehen, wo Multikulti eingezogen ist!)

***

Inzwischen arbeitete Valter weiter in seinem Wein- und Sektkeller in welchem er seine wahre Freude
gefunden hatte:
Rotwein ist das Hobby alter Knaben, sagte er immer, wenn der Krug gefüllt
und höchstpersönlich zum alten Verwalter auf sein Zimmer gebracht wurde.
Den Alten hat das freilich sehr gefreut und auch geehrt - die Beiden unterhielten sich
und so war er auch auf dem Laufenden, was das Haus anbelangt.
Inzwischen fiel dem Alten das Gehen schwer, so daß er lieber auf dem Zimmer blieb,
wie er sich auszudrücken beliebte.

***

Ab und an gab Helene ein Kinderfest auf der Terrasse, das immer sehr beliebt war
und ein wenig mehr Menschlichkeit des Hauses in den Ort trug.
Um Julia brauchte man sich schulisch und erzieherisch niemals Gedanken machen.
Wenn sie keine Lust zum Lernen hatte, ging sie zur "Oma" und lernte dort viel mehr als in der Schule,
wie sie hinterher immer sagte - und Mutti glaubte ihr das inzwischen sogar.
Mutti, sagte Julia - paß' heute sehr auf die Zwillige acht, ich habe geträumt, daß sie
von einem Auto überfahren werden!
Vor dem Kindergarten wollten die Beiden spontan los rennen, um noch vor den Anderen anzukommen,
als Helene - gewarnt durch ihre Tochter, die Kleinen an den Rucksäckchen festhielt und am Rennen hinderte,
gerade als ein unaufmerksamer schneller Fahrer dort entlang brauste..
..es war eine der Mütter, die sich verspätet hatte:
Zerzauste Haare, Hausschuhe, Zigarette im Mundwinkel und gegen die Verkehrsrichtung auf dem Bürgersteig
haltend - mit laufendem Motor.
Andere Mütter waren mit Helene aufgebracht dabei, die rücksichtslose Frau in die Mangel zu nehmen -
"ich habe die Kartoffeln auf dem Herd und keine Zeit, lassen sie mich in Ruhe, es ist ja nichts passiert.."
(Als Autor: Das habe ich selbst und persönlich im Dorf erlebt!)

Zeiten sind das!
Zuhause hat Helene der Julia einen Tag die Schule schwänzen lassen und sie arg beschmust.

Die Zwillige bekamen Verkehrsunterricht von Vater, der immer wieder einbläute:
Wir müssen für die Einfältigen mitdenken, es tut mir leid, aber so ist die Sache nun mal.

Die Kleinen wußten freilich nicht, was "Einfältige" sind, aber daß sie anders angesehen wurden
als die anderen Kindergartenkinder, das haben sie bald bemerkt.

Helene spielte gerade ein paar ihrer Lieder auf dem Flügel und begann herzerweichend
dazu zu singen:
"Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt.."
Die Hausbediensteten summten oder pfiffen leise dazu, wenn sie in der Nähe des Salons zu tun hatten.
Eine Oase der Ruhe und Geborgenheit war das Haus für alle, ob Herrschaften oder Bedienstete -
hier wurde niemals gehetzt oder gedrängt, dafür waren diese Adelsleute viel zu fein.
Helenes Eltern waren wieder einmal zu Besuch und besahen sich bei dieser Angelegenheit
den Familienwagen, wie man das Monstrum im Hause nannte.
So richtig glücklich war der Chauffeur nicht mit "dem Ding", wie er sich ausdrückte.
Sicherer ist der Wagen schon, das muß ich zugeben, aber nicht schön.
Helene hörte das und meinte - typisch nach Art der Frauen -
"..welches Auto ist jemals als schön zu bezeichnen gewesen, die sind doch irgendwie alle seltsam geformt?!"
Im Hof bei der Remise war man gerade beim Grilling und so wurden auch die feinen Leute
mit eingeladen:
Selbstgemachter Kartoffelsalat und einfache Bratwürstel.
Jeder hat etwas davon abgekommen, der gerade daran vorbei kam.
Die Frau des Chauffeurs ist eine umsichtige Frau, die immer mit allem rechnet und
deshalb war auch dieser Salat wieder mal viel zu groß geworden.
Ihre selbstgemachte Maionaise war wunderbar.

Der neue Wagen glänzte in der Sonne, wie die wahre Pracht und sollte an diesem
Tage noch bestückt und ausgesaugt werden.
Beide, der Chauffeur und seine Frau waren darin eingebunden, sich darum zu kümmern.
Getränke, Chemikal-Toilette, frische Handtücher, Wasser, ein paar Knabbereien bis zum
eingesiegelten Sandwich für Notfälle war alles dabei.
Kurz vor offiziellen Reisen hat die Küche den Kühlschrank selbst bestückt.
Der Autoveredler hat mächtige Hörner als "Hupe" installiert, damit man auch ganz sicher
bemerkt werden würde, sollte ein Situation kommen, wo das nötig wurde.

***

Helenes Eltern besahen sich die Anlage, die inzwischen richtig blühte und tiptop in Ordnung war.
Das Haus, wie sie das nennen, ist eine Wucht, ganz ohne Frage.
Sie überlegten sich, ob sie Helenes Angebot, hier einzuziehen, annehmen sollten.
Und bald darauf haben sie den Versandhandel verkauft und sich hier zur Ruhe gesetzt.
Die Beiden sind dabei nie aufgefallen, ab und an gingen sie spazieren,
ansonsten spielten sie Tennis im Ort und sind im Gesangverein und in der Kirche dabei gewesen.
Ganz normale Leute, von denen nur das Bürgermeisteramt wußte, daß es Adlige waren.
Den Namensbestandteil haben sie immer weg gelassen, seit vielen Jahren schon.
Helene holte dort ab und an ihre Kinder, wenn diese bei Opa und Oma waren
und so sprachen sie ein Weilchen miteinander, ansonsten hatte jeder mit sich selbst zu tun.
Julia intessiert sich weder für Kunst, noch für Musik oder Sport, sie mochte Geschichte nicht
und macht das alles nur mit, um nicht aufzufallen.
So waren ihre Noten immer mittelmäßig und das blieben sie auch.
Helene wurde beim Elternsprechtag gedrängt, dem Kind mehr Dampf zu machen -
was sie mit der Bemerkung abtat:
Ach was, das Kind wird im ganzen Leben niemals arbeiten müssen, seien sie der Sache versichert,
sie könnte freilich wenn sie das wollte, sie "muß" jedoch nichts.
Die Lehrerin wollte gerade anfangen mit dem typischen Druckszenario,
als sie entgegen geworfen bekam:
"Vor nicht langer Zeit hätten sie einen Knicks vor uns machen müssen, seien sie froh
heute geboren zu sein."
Dann trat ein betretenes Schweigen ein, als Helene in das Spitzentuch lächelte -
ein Trick, den sie Luisza abgeschaut hat..
Das brachte ihr und der Kleinen keinen guten Ruf ein.
Deshalb nahm das Haus zwei Privatlehrer und eine Erzieherin in die Verpflichtung und ließ die
Kinder zuhause unterrichten - fertig.
Nach ein paar Jahren wurden diese Lehrer eben gegen solche der fortführenden Schulen
ausgetauscht und so brauchten die lieben Kleinen später nur noch eine Prüfung machen,
die öffentlich angeordnet war.
Wer braucht schon "Elternabende"?

Im Ort kam das nicht so gut an und zeigte für die Kritiker des Hauses nur wieder mal mehr,
daß diese Adligen hochnäßig seien..

***

Die Zeiten wurden somit nochmal sehr viel ruhiger und sicherer,
aber eben nur hier im Haus,
denn selbst auf dem Lande sind seltsame Leute dazu gekommen
und führen in den Schulen ihre archaischen Kopftuch und Macho - Sitten ein - ob das den Lehrern paßt oder nicht.
Was guggst du?!
Du nur Mädchen halts Maul!
Nun kamen auch kaum noch Freunde der Kinder, nur noch jene von den Bediensteten,
sofern diese noch Kinder oder Enkel in diesem Alter hatten.
Das fand man, wäre eigentlich genug - denn so manches Kind fing gerade wieder an,
sich nach draußen zu bewegen, statt nur noch im Zimmer zu hocken:
Stichwort Löschteich-Schwimmbad, das immer wieder viele Kinder anlockte.
Wer sich am Pool nicht benahm, wurde hinaus komplimentiert- sofort und gleich.
Der Sommer voller Ruhe und Zufriedenheit im Hause war ansteckend.
Die Postboten hielten sich gerne bei einem kühlen Limettensaft auf,
manchmal hat die Köchin sie zu einem Happen eingeladen
oder sie benutzten die Toilette / Waschgelegenheit an dem
Seiteneingang, wo Dienstboten ihre Dinge ablieferten,
nahe der Küche und den Speisekammern.
Den Kindern gefiel der Privatunterricht gut, der zuweilen draußen
auf der Terrasse oder auf der weitläufigen Wiese hinter dem Haus stattfand.
Die Lehrer waren zwar streng, sind aber nie so ungerecht und vorurteilsbehaftet
gewesen oder so ideologisch vorbelastet, wie in den staatlichen Schulen.
Julia peilte für später ein Mädchenpensionat in der Schweiz an,
die Zwillinge wollten noch immer Lokomotivführer werden..

Helenes Eltern lebten hier recht für sich und fielen nicht auf,
auch im Ort waren sie eben nur normale Mitmenschen, die gerade in Rente gegangen sind,
kaum einer wußte wo sie wohnten.
Luisza beschäftigte sich noch immer mit Okkultismus, aber ganz speziell im Bezug auf die Heilkunst,
welche sie selbst nicht ausübte, sondern als Workshop für Interessierte betrieb-
kostenfrei - wie das Schwimmbad.
Ab und an kam jemand vom Finanzamt, der sich die Bücher ansah, zusammen mit dem Notar
des Hauses, der inzwischen seinen Sohn in seine Fußstapfen hat treten lassen:
Ich werde mich sofort zurückziehen, wenn der Junge weiß was er tut -
so ein Studium ist eben nicht alles, nicht wahr?
Diese Prüfungen waren für das Haus, den Steuerberater und den Notar und die Verwalter
kein Problem, denn alles mußte super-sauber gehalten werden, als oberstes Gebot des Hauses.
Wer einen Ruf hat, sollte auf diesen achten.

Als Helene mit den Zwilligen auf der Terrasse war, meldete der Diener
einen Wagentroß, einige feierwütige Verwandte wollen hier "aufschlagen",
so rief die Köchin entsetzt und läutete die Glocke, wie zum Sturm.
Jeder wußte was zu tun war und ruck zuck war das ganze Haus verriegelt und verrammelt,
die Sicherheitsleute vor dem Eingangsportal am Zaun postiert,
das sie sogleich geschlossen hatten.
Die Wappen prankten an den breiten Flügeln des schmiedeeisernen Tores.
Niemand gelangt unbemerkt auf dieses Grundstück und die Hunde waren bereits
auf Hab-acht-Stellung, welche die Sicherheitsleute immer dabei hatten.
Manche haben sich mit nacktem Oberkörper auf das Verdeck der Cabrios gesetzt
und mit dem Shirt gewunken, es flogen Sektflaschen ins Gras.
Dann hielt der Troß und zwei Schickimicki Typen grölten die Wachposten an.
Auf dem Rücksitz waren junge "Damen", die immerzu kicherten, manche barbusig.
Zwei Streifenwagen kamen und haben erst einmal aufgeräumt, Führerscheine kassiert und
Anzeigen aufgenommen.
Na, das ist ja ein herziger Empfang, wir hätten längst auf euerem Grund sein können und
dort hätte uns keiner..
Die Sicherheitsleute anworteten nicht und verzogen sich wieder.

Was für ein Pack!
Die Hausbewohner waren entsetzt, was aus dem Adel geworden war,
allen voran Luisza, die ihre Welt nicht mehr verstand.
Julia begann sich für die Familiengeschichte zu intessieren und
arbeitete aus freien Stücken an einem Stammbaum für sich selbst und
ließ die Stellen frei, wo ihr Prinz Einzug halten wird..
..sie las jede Menge Bücher über den Adel in Deutschland
und frug Luisza Löcher in den Bauch, wie jene scherzte.
Über das Internet hielt Valter ab und an Kontakt zu einem schwäbischen Adelshaus,
welches er bei der Hopfen-Aktion kennen gelernt hatte.
Dieses Haus gehörte dem ganz alten Hochadel an und so kam
man sich näher, was die besonderen Obliegenheiten in der Jetztzeit sind,
die viele Adelshäuser in den Ruin getrieben haben.
Bald ging der Kontakt hin und her und einer der jungen Prinzen war in Julias Alter.
Der Herzog und die Herzogin waren entzückt, als sie perfekt angemeldet
und mit großem Zeremoniell in den Salon geführt wurden.
Mein Gott, machen sie das extra wegen uns?
Selbstverständlich ja und nein, wir leben halt noch immer so,
wie man es uns beigebracht hat, nicht wahr?
Helene ließ sich bei ihrem volkstümlichen Konzert nicht stören und beendete
das Stück, bevor sie sich mit Hofknicks den Begrüßungsritualen anschloss,
um danach eine Overtüre zum Besten zu geben.
In der Orangerie war der Gesangverein aufgekommen und sang
Weisen aus alter Zeit.
Die Besucher fühlten sich zurück versetzt in eine ganz andere Epoche und versicherten,
daß sie eine derart perfekte Etikette schon seit "ewigen Zeiten" nicht mehr erlebt hätten.
Das Personal spurte wie am Schnürchen und der Diener war dabei nicht mal der Dirigent,
denn allen Beschäftigen war bewußt:
Das gibt wieder einen Bonus!
Der Gesangverein ging und ein Trio mit Panflöte hob an.
Dieses Bild, inmitten der Zitrusbäuchen und weit geöffneten Flügeltüren und dem
mächtigen Springbrunnen davor, war schon sehr beeindruckend, selbst für den Herzog.
Die Herzogin entspannte sich zusehens und zog die Sonnenbrille an, legte sich auf die Terrasse.
Die Männer gingen durch das Haus und wollten dabei auch bei Luisza klopfen -
die aber vor ihrem Salon-TV eingeschlafen war.
Entschuldige bitte, aber .. macht doch nichts, kommt herein.
Der Herzog war von der Idee dieses "Lauschangriffs" mehr als überrascht und
sehr interessiert, wie man denn so ein Vorhaben realisieren könne.

Technische Details interessieren uns hier nicht, deshalb geht es bald weiter durch den Riesen-Bau.

Mein Lieber, das Haus ist aber in Schuß, Donnerwetter, da können wir uns mit dem Anwesen eher verstecken,
als noch eins drauf zu setzen.
Bei uns rieselt der Kalk, wie bei dem Schloß, wo der Denkmalschutz die Hand drauf hält,
weil sich ein so großes Gemäuern kein Mensch mehr leisten kann.
Wieso der Adel pleite geht, das kann ich gerne kundtun:
Wir bekommen bekanntlich keine Steuern oder den Zehnt von den Leuten,
das geht heute alles zum Finanzamt und wir sind unsere Pfründe los.
Wer nicht zeitig dafür gesorgt hat, daß ein paar Güter dabei sind,
die auch noch genug Ertrag erwirtschaften -was kaum noch geht- kann bald Harz anmelden!
Alle lachten herzhaft.
Als sie wieder auf der Terrasse ankamen, sprach der Herzog frei zu seiner Frau Gemahlin:
Das ist ein perfektes Adelshaus und am Hungertuche nagt er wohl auch nicht - ein Phänomen
in der heutigen Zeit, das muß ich neidlos anerkennen.
Die Brauerei läuft wohl sehr sehr gut?
Ja doch, das kann man sagen.
Wir können nicht klagen, gell?
Tiefstapler!
Ich möchte so gerne einmal die Brauerei besichtigen, ist das möglich?
Gehen wir gleich los, der Fußweg wird uns nach dem Dinner gut tun.

Julia und der junge Prinz Claude Erik tuschelten inzwischen und verstanden sich bestens.
Zwischen den Ginsterbüschen hindurch, dem Trampelpfad nach..
Zuerst trafen sie auf den Karl, der gleich lossprudelte:
Graf Valter, das müssen sie gesehen haben!
Langsam Junge, ich bin doch kein Flugzeug..
der Herzog war verdutzt, wie locker dort der Umgang war,
ganz entgegen jener Etikette im Haus.
"Wir haben auf Bügelflaschen umgestellt, die billigen 0,33 Ltr Pfandflaschen waren sowieso bald alle,
weil zu uns bekanntlich keine Rückläufer mehr kommen.
diese Bügelflaschen können die Käufer zuhause als Saftflaschen verwenden,
die sonst teuer gekauft werden müssten.
Die Verwalter haben aus Tschechien einen großen Posten dieser Flaschen im Web ergattert,
die gerade angeliefert worden sind.
Nun kommt nur noch eine feine Banderole um die Flasche und fertig.
Diese 2ltr Flaschen sind schon mal eine Hausnummer - oder ?
Die angebrochene Flasche hält sich im Kühlschrank mehrere Tage, also ist das Handling
für die Kunden besser geworden.
Und nun kommt der Hammer:
An jedem der Flaschen, die in einem Karton umverpackt werden,
ist eine Anleitung und der Grundstock, damit man sich sein Bier auch mal selber machen kann..
Das ist speziell für die Hobbyisten gedacht oder als Geschenk für ältere Knaben.
Starkbier gibt es von zig Marken, da sollten wir schon ein Stück weiter sein - oder?
Das war wirklich eine perfekte Leistung, Karl - ich setze auf dich, wenn du deinen Meister gemacht hast!

Der Herzog staunte:
Die Leute helfen tatsächlich mit, als wäre es deren eigener Betrieb.
Das ist ja auch fast so, meinte Valter, alle meine Bediensteten haben eine lebenslange Job-Garantie!
Unglaublich, das habe ich ja noch nie gehört!
Was ist, wenn der Betrieb eines Tages mal nicht mehr läuft?
Dann werden wir die nächsten 500 Jahre von den Reserven leben müssen, scherzte Valter locker..
Machen sie keine Sachen!
- na gut, vielleicht sind es nur 200 Jahre, aber die halten wir durch.
Ich glaube fast, sie meine das ernst, Graf Valter?
Fragen sie doch einmal mal nach..
Das haben wir doch nun wirklich nicht nötig, mein Lieber, so weit kommt es noch!
Als sie in der geschäftigen Verwaltung der Brauerei ankamen, wurden sie ständig beiseite geschoben.
Tut uns leid, wir haben im Moment alle Hände voll zu tun, wir erwarten jeden Moment
einen Großabnehmer für einen ganzen Lastzug Gräfliches Lagerbier.
Ruck zuck bekamen die Beiden einen Packen Prospekte und einen Karton
mit Werbeartikeln der Brauerei in die Hand gedrückt mit dem Hinweis:
Bitte ins Fahrerhaus legen!
Der ganze Betrieb war auf den Beinen, um beim Aufladen zu helfen, Fass um Fass verschwand
in dem riesigen Kühlauflieger.
Donnerwetter und was sind das für Hallen?
Hier sind die Laboratorien untergebracht und dahinter das Hopfenlager.
Interessanter jedoch ist das Faßlager:
Eine Treppe ging hinab in die feuchte Kühle.
Fass an Fass schob sich langsam an der Wand entlang, eine Seite so herum die andere Seite zu Gegenrichtung.
Der typische schwarze Kellerei-Schimmel überall an Decken und Wänden.
Was ist denn das für eine seltsame Sache, hob der Herzog an.
Das hat der Karl erfunden - den wir eben mit seinem Redeschwall erlebten.
Ach herrje und das funktioniert?
Tadellos - wir machen deutlich mehr Umschlag seit dieser Zeit und die Qualität des Bieres
hat sich deutlich verbessert, weil der Hefesatz nicht mehr ist und dann ..
verkaufen wir die Resthefe getrocknet und in Pastillenform an die Pharmaindustrie!
Sie machen wirklich aus allem Geld - Donnerwetter - ich muß nicht fragen wessen Idee das war?
Richtig geraten, die Idee stammt von Karl.
Der Lastwagen fuhr ab und ein anderer kam an - diesmal wurden die Starkbier-Kartons aufgeladen -
Palette um Palette.
Dann kam der Familienbus angefahren und der Chauffeur öffnete den Schlag - diesmal elektrisch.
Das Ding gefällt mir immer noch nicht, knurrte er.
Was ist denn so dringend?
Herr Graf, der Bürgermeister und seine Gemahlin haben ein Ansinnen, das der Unterredung bedarf.
Ich habe mir gedacht, dass der Herr Herzog evtl. dort auch einmal vorbei schauen möchte und
gleich den Wagen mitgebracht.
So so, dann wollen wir mal, hier sind wir sowieso fast fertig und wollen nicht weiter stören.
Darf ich bitten?
Der Herzog stieg in den Wagen und wunderte sich - du meine Güte, das ist ja ein Monstrum
und die Sitze erst, dagegen ist unser teurer Wagen eine Ofenbank, fast ungepolstert.
Ein Rennwagen ist das sicher nicht, meinte Valter, aber sehr bequem und mit allen Annehmlichkeiten
ausgestattet, so dass wir autark reisen können, mit Zusatztank, der vor langen Touren die
Reichweite bis Tanger ermöglicht.
Machen sie keine Sachen!
Aber so ein eigener Waschraum ist schön und gerade heute, aus Hygienegründen sehr ratsam,
hob die Herzogin an, die gleich mitgekommen war.
Der Wagen fuhr sehr sehr ruhig und souverän, es lief leise klassische Musik aus den versteckten
Lautsprechern im ganzen Fahrzeug, eine Oberlichtbeleuchtung mit Kinofunktion und einiges mehr
waren eingbaut, auch Massagebänkchen für die Füße mit Halterungen für die Schuhe etc.
damit niemand mit den Schuhen den Innenraum beschmutzen mußte, der von draußen kam.
Mit Regenschirmständer im Eingangsbereich.
Der daumendicke Teppichbodenbelag in passender Farbe war perfekt passend.
Darf ich ihnen ein Gräfliches Lager anbieten, denn dazu sind wir in der Brauerei ja nicht gekommen?
Aber gerne!
Als sie am Haus des Bürgermeisters ankamen, betrat dieser geschwind die Familienfuhre
und schloß sich dem "Gelage" an, wobei er sich zwanglos vorstellte.
So machen sie das,- Graf Valter!
Ich habe mich immer gewundert, wieso sie einen Chauffeur
bezahlen - nun ist mir alles klar - die Herzogin lachte ein wenig billig auf.
Wieso ich um eine Audienz bat, ist folgendes Sache:
Ich habe mich ein wenig verspekuliert und mit dem Ausbau der Bibliothek im Rathaus begonnen,
bevor die Landesmittel unter Dach und Fach, das heißt ausgezahlt worden waren.
Nun ist die neue Regierung dran und diese hat vorerst alle diese Zusagen zurück gestellt,
bis eine Haushaltskonsolidierung stattgefunden hat.
Die Baufirmen warten nun auf das Geld und die Presse hat auch schon Wind von der Sache bekommen.

Sie fuhren zur Baustelle und nahmen den Bauleiter und einen Pressevertreter mit in den Wagen,
wo man selbstverständlich weitere Sitzmöglichkeiten ausklappen konnte -
dann fuhren sie zur örtlichen Bank.
Der Bankdirektor überschlug sich fast vor Freude, was den Herzog in den Bann zog.
Im Büro fand eine kleine spontane Konferenz mit eilig herbei geholten Häppchen statt,
fast privat - eben nur mit etlichen Leuten aus dem Familienwagen - und ein wenig geheimnisvoll.
Der Bürgermeister schilderte das Problem und die Presseleute schrieben mit.
Der Bauleiter sagte nichts.
Der Bankier hob an:
Es ist alles nur eine Frage der Bürgschaften,
ich nehm an, dass Graf Valter deshalb bei uns zu Besuch ist.
So ist es.
Ich unterschreibe gleich, es sind ja nur ein paar Millionen - oder?
Genau, wir haben hier eine Aufrechnung von 4,3 Millionen Euro, von denen
ein Abschlag von 1,1 Millionen fällig wäre.
Kein Problem, das machen wir gleich - er unterschrieb die Bürgschaft und
war bald schon wieder in der Verabschiedung.
Der Bürgermeister wurde vor dem Amt ausgesetzt, wobei er sich zigmal bedankte.
Nun fuhr der Familienwagen eine kurze Tour durch die Großgemeinde und zu den
Burgen Katz und Maus und dann nach Haus' sinnierte der Herzog ausgelassen.

***

Als die Herzogs später wieder nach Hause fuhren - ohne Chauffeur - und selbstgesteuert im eigenen Wagen -
kam ihm seine Situation irgendwie billig vor:
Stell dir vor, der Valter hat mal eben für 1,1 Millionen gezeichnet und
der Bankmensch hat dafür nicht mal in die Kontoauszüge des Grafen geschaut!
Er wußte wohl, daß nicht nur das Geschäftskonto der Brauerei dort lag,
die mit dieser Transaktion hier nichts zu tun hat, sondern auch dessen privates Konto,
von dem diese Summe einfach mal so ..
Die Herzogin war erschüttert von dem tadellosen, ja makellosen Zustand aller Dinge
in diesem Riesenhaus der Grafen und auch vom dem Erfolg dieser Unternehmungen.
Was der anpackt, wird zu Gold !
Wie sehr er damit recht hatte, konnte der Herzog nicht wissen.

Das Haus war wohl über Bonitäten und Rankings erhaben, eine erschreckende Erfahrung.
Diese Bürgschaft mußte nicht all zu lange aufrecht gehalten werden, denn die Zusage
des Landes war ja da und bis diese erste Tranche ausbezahlt wird, konnte nicht mehr lange hin sein,
dachte sich Valter und lächelte in sein Taschentuch, als sie nach Haus fuhren.
Irgendwer quatscht doch immer, so meint Helene und Lísza nickte, nun sind wir im Ort durch.
Die Leute grüßten seit dieser Zeit nochmal ehrfurchtsvoller.
Bald kam ein Angebot einer Großbrauerei, die sich dieses Geschäft nicht entgehen lassen wollte.
Schau' dir mal diese Summe an - unglaublich, wo wir doch so klein angefangen haben!
Luisza zog die Augenbrauen hoch und schaute Valter an..
nein, keine Angst, das kann ich nicht und würde das auch nie tun, denn die Brauerei
gehört zum Haus:
Wir können doch nicht von der Substanz leben, wenn kein Geld mehr in die Kasse fließt!
Er lehnte höflich, aber entschieden ab
und gab den Brief in feinem Bütten mit gräflichem Wappen in die Postablage.

Ein Vierteljahr später kam die Bestätigung der Bank, daß die entliehene Summe wieder auf dem Konto sei.
Die Gemeinde war heilfroh, denn wer hat schon so einen wohlhabenden Bürger, pardon Grafen
als Helfer in der Not zur Hand?
Und gerade in der Not, da zeigen sich die wahren Freunde!
Das Ansehen des Hauses drang nach hier und nach dort hin, man munkelte nicht nur,
sondern war ehrlich erstaunt.
Und das in der heutigen Zeit!

Luisza hat Valter eines Tages noch ein kleines Familiengeheimnis verraten.
Er wußte wohl, daß sie von dem Schatz Kenntnis hatte und das eher als Prüfung für ihn ansah,
nun aber kam wohl noch etwas ganz anderes dazu.
Helene war ebenfalls ganz Ohr und lauschte andächtig.
Wir stammen aus einer uralten Linie derer von Oswilde, die damals
das Erbe eines Ludwig dem Schlauen von Oswilde angetreten hatten,
welcher hier seine Zufluchtburg hatte, ein unscheinbares altes Gemäuer,
damals schon fast eine Ruine, so wird überliefert.
Dieser Schlaue war der Steuereintreiber des Fürst-Bischofs und
so ist er und auch sein gerade eingetriebenes Geld, das er
als jährliche Erbpachtschuld eingesammelt hat, plötzlich verschwunden.
Man vermutete Räuber oder marodierende französiche Truppen,
die damals die Gegend unsicher gemacht haben.
Andererseits wird angenommen, daß dieser Ludwig der Schlaue
mit seiner kleinen Schutztruppe bei einer Übernachtung am Rhein
überfallen worden sein muß.
Aber hört die Schrift, die in den alten Familienchroniken steckte:
"Es regnete ununterbrochen seit Wochen und die Kutsche blieb stecken,
Die Kutsche war viel zu schwer beladen für nur zwei Pferde,
besonders weil wir durch einen Felsrutsch gezwungen waren,
im Tal weiter zu fahren, wo uns erst einmal keiner fand.
Mit zwei Wachen wartete ich im Wagen, während die beiden anderen Begleiter
Hilfe in Form eines Vorspanndienstes holen wollten.
Es zog Nebel auf und es war bitter kalt, als der Überfall kam.
Ich kam mit dem Leben davon, meine beiden Begleiter nicht.
So mußte ich helfen, die Kiste in ein Versteck zu bringen
als ich erschlagen werden sollte, kamen die Gendarmen und
die Räuber sind davon.
Das Versteck aber habe ich nicht preisgegeben und man hat es auch nie gefunden.
Das ist die Grundlage des Familienvermögens.
Ludwig."

***

Dieses Jahrhunderte alte Pergamentstück hat mich immer erschüttert, so Luisza -
mein Mann und sein Vater, seinen Großvater, den ich noch kennen lernen durfte,
haben dieses Familiengeheimnis immer gut gehütet und niemals im Beisein anderer
oder Bediensteter darüber gesprochen.
Dieser unscheinbare Band der Chronik hat in der Loseblattsammlung von Geburtsdokumenten
und Heiratsurkunden die frühe Form des Familienstammbuches dargestellt.
Das eigentliche Stamm-Buch der Oswilde ist dieses hier:
Ein gepflegter Prachtband stand im Regal, mit Wappen und Siegeln.

Helene besah sich dieses Geständnis, wie sie es nannte - genauer und
nahm auch die Rückseite genauer in Augenschein:
Kann ich bitte die Lupe haben?
Nun las sie vor, was in dem Zierornament verborgen war und nun erschien:
"Den Topf aus gebrannter Erde verborgen, unter dem nackten Gestein
ist die Blüte der Schlauheit gesetzt."
Alt ist er nicht geworden, so sagte Luisza, es hat wohl nur gereicht um einen Sohn zu zeugen.
So wurde die Linie fortgeführt.
Erst mein Mann Fredericks von Oswilde hat den Krug in der Ruine entdeckt,
die ganzen anderen Generationen zuvor wußten mit dem Papier nichts anzufangen
oder sahen einen allegorischen Spruch darin, etwa wie aus einem Poesie-Album.
So etwas tat man recht oft in der damaligen Zeit.

"Den Topf aus gebrannter Erde verborgen, unter dem nackten Gestein
ist die Blüte der Schlauheit gesetzt."
Valter ahnte, was dieser Spruch zu bedeuten hatte und bald ging er wieder
in der Ruine graben.
Luisza paßte auf, dass sich niemand näherte - unter dem Kissen hat sie die alte Jagdwaffe
parat um ungebetene Gäste und Schaulustige abzuhalten -
auch wenn gerade keine Zusammenkunft der "Hexen" geplant war, konnte man nie wissen.
Valter grub ganz gezielt und fand das Felsenloch wieder, hob das von ihm hinein gelegte
Gerümpel hinweg und kehrte die Felsennische blank und frei.
Nun kam ein feiner Riß zutage, welcher sich an der Grenze der Senkrechten zur Waagrechten zeigte.
Richtig gut gemacht, murmelte Valter, das ist wirklich kaum zu sehen und schaut wie ein natürlicher, ungerader Riss aus,
wie er sich eben bilden kann und weil unten ein leichter
Bogen gemeiselt ist, so als ob man in einer Rundung zur Waagrechten gehen wollte.
Genau darunter war dieser feine Riss verborgen - mit etwas feuchtem Lehm darauf ist dieser unsichtbar.
Wenn jemand ohne feinen Besen zu Werke geht, findet er diesen Riss nie und wenn, wäre das sicher nicht aufgefallen.
Er grub also weiter zu den Seiten und bald war die Steinplatte an ihrem Ende angekommen -
es war eine einfache Sache, diese hinweg zu hebeln und den mittig darunter liegenden
Hohlraum zu finden.
An den Seiten der Platte war gewachsene Erde belassen worden, so dass die Platte wie
natürlicher Fels wirkte, auf dem der Keller stand.
Er hob alles aus und zerschlug diese Platte in mehrere Stücke und füllte alles wieder auf,
ließ Wasser in den Keller laufen, so daß alles nach dem Austrocknen fest miteinander verbacken wurde.
(Später hat Luisza darauf eine Betonplatte mit Eisengeflecht darin
- das schützt gegen einrutschende Mauern, meinte der Baufunternehmer -
gießen lassen, damit der Hexenplatz trockener wurde)
Was war denn unter dem Stein?
Seht nur, es ist wohl die Beute der Räuber oder die Beute des Ludwig dem Schlauen von Oswilde,
oder die Beute des Fürst-Bischofs - wie man das sehen mag, meinte Valter erschöpft.
Vier dicke Packen aus schwarzem Leder und Pergament - so schwer, dass ich besser
den Wagen hole.
(Kein Wunder, daß damals der Pferdewagen stecken blieb..)
Er ging und holte einen Transporter mit Hebevorrichtung von der Brauerei und
hat auch gleich größere Kisten mit Holzwolle mitgenommen, in welche das Paket kam.
Vier Mal mußte er fahren.
So luden sie den Schatz in der Kiste auf die Pritsche und fuhren wieder ins Haus.
Die Bediensteten hat man zu einem Sektempfang auf die Terrasse gebeten,
wo er mit einem Hubwagen die Beute geschwind in seinen Keller verbracht und abgedeckt hat,
mit alten Möbeln, die dort genug herum standen.
Die Bediensteten haben sich gewundert, warum die Herrschaften so schmutzig und zerzaust
ausschauten, trauten sich aber nicht zu fragen.
Luisza meinte nur:
Wir sind mit dem Wagen stecken geblieben, da haben auch meine
Künste nicht viel helfen können, die Lehmerde hat eben ihr Gewicht.
Lehmerde?
Nun, für Packungen, gegen Gicht!
Der kleine Sektumtrunk soll eine Belohnung für treue Dienste sein, so Helene,
die richtig rosa Wangen bekommen hat bei dieser Räuberpistole.
Dem Personal war egal, was die Herrschaften so trieben, denn die Behandlung
war gut und immer gerecht gewesen.
Helene spielte noch ein wenig Volksmusik auf dem Flügel, sang herzzerreißend schön
vom alten Niebelungenschatz und die Kinder tanzten dazu auf dem Parkett.

***

Nie war Luisza, Valter und Helene so klar geworden wie heute, daß der Adel eigentlich schon
seit jeher der größte aller Räuber und Erpresser gewesen ist,
der nur von den Kirchenleuten übertrumpft worden war;
der Adel verarmte, weil er von einen Schätzen lebte und kaum frische Einkommen generierte-
die Kirche hat mit ihrer Erfindung "Glauben" bis zum heutigen Tag
Millionen Dummer gefunden, die deren Prunk finanzieren..
Dieses Treiben wird heute von den Oligarchen und Magnaten weiter geführt, während der Adel ausstirbt
verarmt und ungeliebt, in weiten Teilen aber noch heute sehr geachtet und hofiert, weil das Volk dumm ist.
Die Kirche(n) nennen die Dummen eben Schafe..

***

Mithilfe des Steuerberaters und des Notars waren immer schon alle Verkäufe von Gold und Juwelen so gedeichslt worden,
daß nur Tranchen in kleinen Größenordnungen in den Büchern auftauchten,
die als "kleine Schenkung", "Apanage" oder
"Für Gefälligkeiten und als Lohn für Dienste" angegeben und .. versteuert wurden.
Selbst Enblock - Geschäfte wurden aufgeteilt und auf diese Weise sehr günstig besteuert.
Die Holländer haben immer schon mit dem Adel gute Geschäfte machen können,
auch wenn diese keine jüdischen Geschäftsleute waren, welche aber ebenfalls mit "dem Hause" zugange waren-
diese haben sich mehr auf Edelsteine spezialisiert und man kam bestens miteinander aus.
Bei beiden Teilen ist Verschwiegenheit und Zuverlässigkeit oberste Pflicht.

***

Der Tag war gekommen, als die Drei sich den Schatz besehen wollten.
Der Kellertrakt wurde von innen gut abgeriegelt und Luisza zeigte ihren "Tresor",
nicht etwa das klotzige Ding, das in ihrem Gemach stand und später zum Bestandteil
des Verwaltungsbüros wurde, in dem Graf Valter residierte.
Dort waren nur Tagesgelder und Papiere verstaut - mehr nicht, wenn man ein paar Schmuckstücke seiner
Frau und seine Manchettenknöpfe, Siegel und Zubehör als Nebensache ansehen will.
Zwischen zwei großen Kaminsockeln dieses Kellers, der wie alle privaten Räume dort
mit massiven Eisengittern verschlossen waren, befand sich ein Hohlraum,
der nur mit einen Trick geöffnet werden konnte.
Die Steinplatte ließ sich mit einer Kurbel von den Kaminen weg in den Raum schrauben.
Nur so weit, wie man den Hohlraum dahinter von den Seiten beladen konnte.
Selbst die Öffnung zu dem Vierkant für die Kurbel war gut versteckt hinter Ornamenten.
Stabile Steinregale waren bis in 3mtr Raumhöhe angebracht, dazwischen die solide eiserne Mechanik.
Mein Vater war ein Schlosser aus Leidenschaft, sagte Luisza, er hatte sogar eine Schmiede
in der Remise und ging mit seinem Freund, dem Hufschmied dort öfter "einen heben".
Dieser Hufschmied wohnte mit seiner Familie dort, wo heute der Chauffeur mit Familie wohnt.
Diese Steinplatte ist übrigens eine alte Grabplatte, die man beim Hausbau gefunden hat.
Diese muß noch aus vorchristlicher Zeit stammen, es sind aber keine Zeichen oder Buchstaben darauf
gewesen und auch keine Jahreszahl.
Nun packt doch mal aus, quengelte Helene, ich will endlich sehen, wozu die ganze Plackerei gut war!
Es zerfiel die erste Schicht, es zerbröselte die zweite Schicht, es roch die 3. Schicht nach ranzigem Fett,
die 4. Schicht war wohl aus Pergament in zwei Lagen, dann lag der Schatz offen da:
Voller erbsgroßer ungleicher Goldstücke, die wohl aus eingeschmolzenen Schmuckstücken und
Gefäßen stammen mußte.
Ein geschmiedeter Hufnagel war auch darunter -
hier sollte wohl etwas vertuscht und später verkauft werden - denn aus einer
staatlichen Münze stammt dieser Fund mit Sicherheit nicht, meinte Valter.
Mit der Waage hat er später diese Körner als Medaillen vgl. Münzen umgeschmolzen und
in bewährter Manier mit seinem Siegel versehen.
Schön in Reih und Glied auf den Steinregalen gestapelt.
Luisza meinte: Wie Marmeladegläser !
Valter hat die Goldmenge gewogen und ist auf ein Gesamtgewicht von 1930kg gekommen.
Das Pariser Pfund Karls des Großen, mit 16 alten Unzen gleich 435 Gramm,
und das Pfund (libra, lira, livre = lb) ist mit dem Zentner (centenarius librarum, meist 100 Pfund)
das Handelsgewicht in Europa gewesen.
Das Gold ist unglaublich schwer,
19,3gr pro Kubikzentimeter, 1 Liter wiegen 19,3 Kg, also 1930 Kilo für diese Menge.
Also über 70 Millionen Euro als Fundsache - überhaupt war die Fundsache wohl anzeigepflichtig,
wie schon die Letzte- aber wen der hohen Leute kümmert das?
Wo kein Kläger, ist kein Richter, da war man sich einig.

***

Seine "hauseigenen Münzen" hatten eben diese 28gr pro Stück.
Die neuen Münzen, die eigentlich Medaillen sind, lagen bald hinter der Steinwand und der Graf
tat die "restlichen Seinigen" dazu.
So ein Exemplar bringt ca 1000 Euro bei den Holländern.
(Nachtrag - 2021: 1400 Euro an Wert einer Münze, also 96 Mio.)

Das ist unser 1000 Euro Schein, des es nicht gibt, schmunzelte Lisza.

Das Familienvermögen und das Versteck durften niemals und unter keinen Umständen
weiteren Personen, als diesen Dreien - auch nicht den Kindern oder Eltern - die sich gerne verraten -
bekannt werden und niemand durfte die Rede auf Goldreserven bringen, sondern nur vom Hauskonto sprechen,
das bei der örtlichen Bank ist - der Rest sei wohl in Luxemburg, so soll man munkeln und
das nie beweisen können.

Der Bürgermeister und die kommunale Behörde tat fortan nichts mehr, was dieses Haus hätte
verärgern können, nicht einmal ansatzweise.
Der Bauunternehmer hat die Betonplatte in der Ruine sauber vergossen
und dabei zuvor nochmal bis zur fast vollen Raumhöhe ausgeschachtet,
ohne eine Auftrag dafür zu haben.
Nur weil das eben fachlich so richtig ist.
Bis zu den alten Gerätschaften ist er nicht vorgedrungen, die zertrümmerten Steine lagen zum Glück
auch tiefer, sonst hätte er anhand der Bruchkanten einige Schlüsse ziehen können.
Das war Valter schon klar, bevor die Erde wieder über den Fundort kam.
Nun hat die Freifrau wieder eine Freifläche flachste der Unternehmer,
ich habe die Treppe davor auch wieder aufgesetzt und den Weg begradigt,
damit sich keine der alten ..
Na na! Hob der Graf an, wir wollen doch nicht!
Sie tranken erst mal ein Fläschchen Bockbier, das macht locker.
Der Graf meinte trocken:
Na, alter Freund, wie schaut es denn mit den Aufträgen aus in diesem Sommer?
Oje, meinte der Unternehmer, bitter, ganz bitter, denn wer baut heute schon noch?
Die meisten Leuten haben keine festen Arbeits - Verträge, die über ein Jahr hinaus gehen -
wie sollen diese einen Kreditabtrag von über 30 Jahre angehen?
Das ist faktisch Harakiri, ein Selbstmordversuch -und wenn dann noch einer Kinder hat
oder das Einkommen der Frau wegbricht, ist ganz schnell Schicht im Schacht.
Das Problem ist, daß man auf Arbeitlöhne MWSt nehmen muß, das bringt die Leute zur Schwarzarbeit
und diese verfluchten offenen EU- Grenzen bringen "Wettbewerber" aus dem ganzen Ostblock zu uns.
Diese Leute versprechen das Blaue vom Himmel und hinterher fällt der Putz von der Wand -
aber die Sahne ist abgegriffen und wir ansässigen Unternehmen, die seit Generationen hier sind
und Brot und Arbeit geben, schauen in die Röhre.
Die Beschäftigten wollen aber jeden Monat ihren Lohn haben, auch wenn die Lastwagen auf dem Hof bleiben.
Die Lastwagen und Gerätschaften kosten Leasingraten.. jeden Monat!
Und nun haben wir zwei Bauunternehmen im Ort, die leben wollen!
Mein Konkurrent hat einen größeren Auftrag in der Metropole ergattern und wir gingen leer aus.
Die Stadt ist ja auch nicht die Heilsarmee, ich verstehe das.
Graf Valter hörte sich das beim gemeinsamen Bier geduldig an und sinnierte.
Wie allgemein bekannt, lebt die Familie schon immer hier und war auch gerne bereit,
in das Haus zu investieren, um das Anwesen immer ein wenig wertiger zu gestalten.
Wie wäre es, wenn ich meinem alten Freund -der Unternehmer stutzte schon, weil der Graf
dieses Wort schon zum zweiten Mal benutze- ein wenig mit meinen bescheidenen Mitteln helfen würde?
Der Unternehmer prustete, daß es die Pusteblume auf der Terrasse fast übertraf.
Er hustet und keuchte, "bescheidene Mittel", wenn ich das meiner Frau erzähle, fällt die in Ohnmacht.
Nun ist es aber gut, wir wollen uns doch mäßigen - diesmal lachte Valter nicht in das Taschentuch,
wie gewöhnlich.
Nun sage ich dir mal was:
Wir sollten uns dutzen, wenn wir unter uns sind- das ist doch einfacher, nicht wahr?
Jawoll her Gra.. äh Valter!
Wir lassen den Chauffeur kommen, denn ich möchte nicht, daß man uns mit der Fahne hinter dem Steuer
erwischt - den LKW kann einer deiner Leute holen, den bringen wir später mit nach oben zur Ruine.
Im Büro des Bauunternehmers besprach man die Sache, eine 3mtr hohe stabile Mauer
rund um das ganze Anwesen zu bauen und obendrauf spitze Eisenzinken, so eine Art stationärer Natodraht,
den man von unten nicht sehen konnte -massiv und verzinkt.
Das Einfahrtstor sollte an soliden Pfosten hängen und nicht an diesen Eisenträgern,
wie dieses "Professiorium" -pardon, Provisorium,
das wir zur Zeit haben, damit die Vandalen und Verwandten ferngehalten werden..
..der Unternehmer lachte:
"Vandalen und Verwandten", das ist gut, das sehen wir daheim genau so.
Den dann überflüssigen Zaun könnten wir um die Brauerei setzen, im gleichen Atemzug, wenn wir schon dabei sind,
dann ist auch dort ein Einbruchschutz gewährleistet - der Vorschlag gefiel Valter.
Alle 50 mtr soll die gräflichen Wappen an dieser Mauer prangen und zeigen, wer hier zuhause ist.
Hinter der Mauer sollen besonders stachelige Brombeeren gesetzt werden, eine Sorte,
die niemals geschnitten zu werden braucht, mindestens einen Meter breit - dafür soll der Gärtner
der Großgemeinde als Subunternehmer sorgen.
Hinten raus zum Feldweg soll das gleiche Tor wie vorne sein, ebenso solide.
falls bei einem Anschlag das Portal versperrt wird.
Dahinter jeweils eine 5mtr tief Fallgrube.
Mir wären monatliche Raten am liebsten..
Der Unternehmer sagte sofort zu, denn auch seine Kosten liefen monatlich ab.
Er kalkulierte und meinte:
Mache ich, das ist kein Problem, wenn eine Materialanzahlung gemacht werden könnte, wäre ich sehr dankbar,
denn diese Dinge muß ein Unternehmer vorfinanzieren und das kostet Geld.
Valter nickte ab und fertig war der "Vertrag".

Die Brauerei lieferte genügend Gelder ab, die Konjunktur war prima,
so daß diese Bau-Raten davon bezahlt werden konnten.
Bei dieser Größe des Auftrags war dieser gut zwei Jahre lang beschäftigt,
was eine vernünftige Planungssicherheit gab.
Gut für die Steuer allemal und ohne die Zustimmung der Bank.
Es eilt ja nicht, lieber mit dem vorhandenen Personal arbeiten, als aufzustocken -
meinte Valter, sonst kommt hinterher das große Loch.
Genau, war die Antwort - das ist der Grund für viele Firmenpleiten..

***

Es ist nie ein Problem mit den Behörden entstanden, denn der Bauunternehmer
war ein Freund des Bürgermeisters und dessen Schwager war im Kreisausschuß.
So läuft das auf dem Lande.
Inzwischen hat der Karl wieder zugeschlagen und einen neuen Vorschlag gestartet.
Der gepflasterte Platz wurde aufgedeckt, die Erde ausgehoben und -ohne Genehmigung-
ein riesengroßes Loch gebuddelt.
Dort will der Karl ein Speziallager für Doppelbock bauen, einen Natursteinkeller
mit Holzfässern - ein richtig teures und edles "Doppelbock Vintage Beer"
Nicht lange und der Keller war fertig, dieses Vorhaben hat der Bauunternehmer vorgezogen,
weil es kein großes Projekt war- nun nur noch zuschütten und die Steine wieder frisch verlegen.
Fertig. Sieht kein Mensch!
Die Eichenfässer kamen von überall her, mal war Bordeaux, mal Whiskey, mal Cherry darin gelagert -
und so war auch der Geschmack des Doppelbocks immer etwas anders, was man im Beipackzettel
zu den Fässern stolz vermerkte.
Das war ein sehr kostspieliges Projekt mit entsprechenden Pfandpreisen..
Zwei Mitarbeiter wurden von den beiden Verwaltern zu einem Küfer-Lehrgang geschickt.
Ein 1/2 bis 1 Barrel- pro Faß also 100 oder 200 ltr ist schon mal eine Nummer, meinte man in der Verwaltung dazu.
Der Karl hat das angeregt und wir ließen das sogleich starten.
Das einfache Bockbier wurde zum Auslaufmodell, um mehr Kapazität für dieses Modebier zu haben.

Der junge Prinz Claude Erik kam zur Sommerfrische ins Haus, seine Eltern konnten
"wegen dringender Geschäfte leider nicht bleiben" - es macht ihnen doch hoffenlich
nichts aus, wenn der Claude die Ferien bei ihnen und Julia bleibt?
Ach was, meine Helene, ein Kind mehr oder weniger ist nun wirklich kein Thema.
Einer der Hauslehrer hat schon angefragt, ob er evtl. über die Ferien bleiben könne,
er wüßte nicht wohin und will auch ein wenig auffrischen, wenn sich Bildungslücken bei den Kindern zeigen.
Eine Stunde am Tag sollte genügen.
Ob nun ein oder zwei Schüler lernen, ist wohl egal.
Beruhigt fuhren die Eltern davon und sahen noch, wie man mit der Mauer begann..
"Mein Gott, was läßt der Valter nun schon wieder bauen?"
"Es schaut aus, wie die chinesische Mauer", scherzte seine Frau.
Der Claude Erik, wie er genannt werden will ist ein stiller Junge,
mit dem man sich nicht blamiert, meint Helene zur Lisza, aber stille Wasser sind bekanntlich tief.
Wir sollten ein Auge auf in haben, damit er nicht im ganzen Haus herum strolcht.
Der persönliche "Rumänienkeller" Valters war sehr gut verschlossen, wie alle anderen Verliese dort unten.
Dieser Trakt des gewaltigen Kellerareals war auch noch in einem kaum zugänglichen Teil, mehrfach gesondert abgeschlossen.
Hier mußte kein Gesinde hin, um etwas zu besorgen, keiner lieferte dort etwas an.
Ein verborgener, muffiger Ort, so eine Art Rumpelkammer.

Die beiden Kinder waren gut zueinander und beschäftigten sich recht still,
sie gingen jeden Tag ins Freibad und anschließend ihren Spielen nach.
Helene hatte mit den Zwillingen beide Hände voll zu tun, wie zu erwarten -
draußen arbeitete man an der Mauer, nicht schnell, aber stetig und bemüht,
so wenig wie möglich die Idylle zu stören.
Der alte Verwalter besah sich die ganze Sache von oben und dachte sich seinen Teil.
Luisza hat wieder ein Hexentreffen vereinbart, diesmal mit einem riesigen Gulaschkessel,
ganz künftig und mit seltsamen Kräutern und eine heftige Menge Doppelbock darin,
welcher erhitzt getrunken wurde, zu seltsamen Ritualen.
Der alte Verwalter wurde explizit dazu eingeladen und dorthin ging er wohl auch gerne.
Anschließend zogen sich die Hexen auf ihr Mooslager zurück und haben geschlafen bis zum frühen Mittag.
Valter murmelte etwas von "seltsame Feierlichkeiten" und war es zufrieden.
Es kam ein Anruf von den Eltern des Claude Erik, der Helene beunruhigte:
Ihr habt vermutlich schon bemerkt, daß bei uns etwas im Busch ist, sonst hätten wir den
lieben Jungen nicht bei euch gelassen - gell?
Was ist denn passiert, ist jemand krank?
Nein, man hat uns alles gepfändet und die Schlösser und Burgenverwaltung hat die Hand
schon seit langem über dem Anwesen liegen und macht Auflagen und Vorschriften,
die sich kein Mensch leisten kann.
Wir haben nur noch wenige Wochen Bleiberecht in der Wohnung, dann müssen wir raus.
Ach du lieber Gott, ach herrje, das passiert immer mehr Adligen, was für ein Schicksal!
Nun, wir haben noch Land und zwei Waldstücke, die bringen aber nicht so viel ein,
zumal diese auf die nächsten 20 Jahre verpachtet sind.

Na, dann würde ich doch mal spontan sagen, wir haben mehr als genug Platz hier im Haus.
Der Valter und die Luisza werden bestimmt nichts dagegen haben.
Nein nein, beratschlagt euch lieber erst einmal untereinander!

Als Helene diese schreckliche Botschaft verkündete, jubelte der kleine Prinz wie ein Verrückter und tanzte
im Salon um den riesigen Tisch herum,
bis Luisza schalt, dann war Ruhe.
Bald kamen zwei Umzugswagen und kräftige Burschen entluden uralte Erb-Möbel einen Stock über
Helenes Eltern - gelegen.
Die Beiden kamen im Möbelwagen mit, weil das Auto ebenfalls unter den Hammer kam,
wie man das landläufig zu sagen pflegt.
Der Claude Erik war ganz aus dem Häuschen und freute sich auf sein Zimmer.
"Eine Riesenbude ist das hier, Mama!"
Ich weiß mein Sohn, hier haben wir es bestimmt gut.
Es war nicht so, daß die Familie mittellos gewesen wäre, denn der Herzog
war erfahrener Gutachter für Gemälde der Rennaisance, er hatte sein Einkommen - aber eben kein fürstliches.

Die Herzogin jammerte immerfort, aber es half nichts, verloren war verloren.
Die Trauer hielt nicht lange an, denn hier war die Etikette wie an einem Fürstenhof,
ganz ohne Frage, wie durch ein Wunder erhalten geblieben.
Diese Dinge hat man bewahrt wie einen Augapfel.
(Egal wie viele und welche Leute auch immer dort beherbergt wurden)
Luisza doziert selten, aber dann von ihrem Throne aus:
Unser Haus ist eines der letzten Siegelbewahrer, passen wir auf, daß sich das niemals ändert !

So blieben der Herzog und die Herzogin weiter in der alten Würde und langsam kam ihr Selbstbewußtsein
wieder ein Stück zurück.
Der Herzog war oft außer Haus und wurde zu Begutachtungen eingeladen,
die Herzogin half in der Küche mit, wenn viel zu tun war- sie kochte leidenschaftlich gern
und war bald eine gute Freundin der Köchin geworden.
So hatte jeder sein Konzept gegen Langeweile entwickelt, wie der Diener froh feststellte-
besser, als wenn die mich ständig mit irgenwelchen Kinkerlitzchen nerven würden..
..so legte er die Füße hoch und zündete sich ein Pfeifchen an,
las in aller Ruhe die Zeitung.
Die beiden - Claude und Julia - sind meistens im Garten - Park herum gestrolcht und sind niemandem
zur Last gefallen - im Gegensatz zu den Zwilligen, die nun wie wild herum krabbelten und bald laufen konnten.
Nichta war von denen sicher und bald sind sie in der Küche angekommen und haben sich über die
gerade fertiggestellte Puddingschüssel her gemacht.
Die Köchin lachte nur noch:
Das hatten wir doch schon einmal!

Helene war nur einen Moment eingenickt und schon ist dieser Sack voll Flöhe auf und davon..

An diesem Abend gab die Herzogin eine Vorlesung im Salon:
Der Niedergang des Adels, ein Report über eine Stunde, belegt mit Bildern von einer CD.
Alle Anwesenden waren ziemlich erschüttert und entsetzt ob der Zustände oder Auswirkungen
von den Modernisierungsversuchen Richtung Schicki - Micki, wie sich sich ausdrückte.
Der Abstieg im sozialen Gepräge, so fuhr sie fort, ist signifikant mit der Modernität um jeden Preis,
den unsere Gesellschaft mit Geld zu erkaufen versucht.
Ihr Schlußsatz:
Verdirbt Geld den Charakter?

Das konnten Helene, Lisza und Valter so nicht halten und unisono kam zurück -
nein, der Verfall muß andere Ursachen haben:
1. Die fehlenden Einkünfte, mit denen man damals den Hofstaat gehalten hat,
2. Der Druck der Straße
3. Das "Du" in den Arbeitsverhältnissen.
4. Die Säkularisierung von Wissen schlechthin, welches durch das Internet als Brandbeschleuniger kam.
Valter hat seinen Kommentar gesetzt und rief zur weiteren Beteiligung auf.
Sogar Helenes Eltern waren anwesend, was selten vorkam.
Deren Beitrag war, daß sich das ganze Thema Adel überholt habe und daß die Welt eben
eine vollkommen andere als ehedem geworden sei.
Seht ihr, auch der Quastenflosser stirbt aus, langsamer als die Saurier, aber dennoch:
Die Saurier waren riesig, genau wie Fürsten und - entschuldigen sie bitte - Herzöge,
Kaiser und Könige - auch wenn sich heute zuweilen noch Demokratien mit einem Monarchen schmücken.
Zu melden haben die nichts mehr und das ist auch gut so!
Wir haben unseren Titel schon vor vielen Jahren abgelegt, beziehungsweise nicht mehr genannt,
meinten Claude Erik's Eltern.

Ein Geraune im Salon, dann kam Luisza an die Reihe:
Ich sehe das ebenso und bin davon überzeugt, daß mit unseren Kindern der Adel erlöschen wird.
Die meisten von uns sind längst in die Wirtschaft entschwunden und machen ihren Weg als
bessere Dienstleute, z.B. Rechtsanwälte oder Forscher etc.
Wieder raunten alle:
"Dienstleute"!
Mein Gott, die Freifrau ist ja noch vom ganz alten Schlag.
Ohne Einkommen, meinte der Herzog, ist aller Titel nichts, wenn kein Geld in die Kasse kommt.
Heute geht es den Bauunternehmern besser als uns.
Valter meinte:
Das kann ich so nicht halten - diese Leute haben gleichsam ihre Sorgen.
Unsere lange und hohe Einfriedungsmauer kommt nicht von ungefähr, sondern weil die
Firma im Ort vermutlich bald Leute entlassen oder zugemacht hätte.
Auf diese Weise habe ich meinen Freund vor dem Absturz gerettet.
Den Freund? Einen Bürgerlichen?
Ja, denn im Grunde sind wir alle "bürgerlich" gemacht worden, ob wir das wollen oder nicht.
Ich rate zur Lektüre des Grundgesetzes, dort steht es haarklein geschrieben.
Luisza knurre ins Taschentuch:
Hier werden die alten Regeln beibehalten, da könnt ihr Gift drauf nehmen.

Niemand zweifelte an der Ernsthaftigkeit ihrer Meinungsäußerung, auch Valter schwieg.

Sie klatschte in die Hände - genug, laßt uns das Abenddinner einnehmen!
Servierwagen kamen und es wurde aufgetragen, wie zu uralten Zeiten,
mit großer Auswahl und genügend prächtigem Geschirr.

***

Man speiste bei der kleinen Nachtmusik, welche von einem bestellten Geiger
gespielt wurde, der sich in den Ferien ein paar Groschen dazu verdienen wollte.
(Formulierung Lisza's)
Nach und nach ging die Gesellschaft zur Nachtruhe.
Niemand merkte, daß im ganzen Ort der Strom weg war -
das ganze riesige Haus war hell erleuchtet, der Springbrunnen lief
und im Keller, tief drunten, rumpelte ein Motor vor sich hin,
das Notstromaggregat, mit einem Vielstoffmotor aus den Kriegstagen.
Damals war ein kleinerer Panzer im Wald steckengeblieben und verlassen worden,
weil beide Ketten abgesprungen waren.
Im Ort sah man sehr wohl die Helligkeit auf der Höhe und wunderte sich.
Am nächsten Tag war die Überlandleitung wieder hergestellt, auf die ein großer Baum
hernieder ging und diese abgerissen hatte.
Der Strom war wieder da und der alte Motor ging wieder zur Ruhe.
Auch das beeindruckte die Gesellschaft, als sie am nächsten Morgen - nach und nach -
an der Kaffee-Tafel teilnahmen.
Der Luxus in diesem Hause ist beachtlich, hier läuft alles vollkommen souverän ab,
meinte der Herzog zu seiner Frau Gemahlin.
Irgendwie verstehe ich trotzdem nicht, wie man mit dieser relativ kleinen Brauerei
ein solches Hauswesen unterhalten kann - stell dir vor, die haben gesamt 150 Beschäftigte
mit lebenslanger Beschäftigungsgarantie - und dann läßt Valter diese sündhaft teure Einfriedung bauen!
Ich komme da nicht mehr mit.
Die Alte bekommt weder Rente, noch zahlt irgendwer Miete an die Hausverwaltung.
Die Unkosten müssen riesig sein!
Steuern an die Gemeinde zahlt der Graf schon mal nicht, soviel ist klar.
Aber das viele Wasser und Abwasser - wie geht das denn zusammen?
Die Brauerei brummt, das muß ich sagen - aber.. na ja.
Wir sollten uns nicht so viele Gedanken machen, die eben nur durch unseren Schiffbruch
lebendig geworden sind..
Schiffbruch ist das richtige Wort - unser Schiff ist aber schon vor vielen Jahren aufgelaufen,
als wir das Schloß nicht mehr alleine unterhalten konnten und den Denkmalschutz um Hilfe baten.
Die Sache mit den Führungen war ja wohl auch eher lächerlich, man hat mir damals ein Trinkgeld von
50 Cents in die Hand gedrückt - unglaublich sowas!
Wir können uns eigentlich nur schämen und froh sein, daß sich die Julia und der Claude so gut
verstehen - das wird einmal ein schönes Paar.
Ja, ohne Mitgift, ein echtes Traumpaar und als Hochzeitsevent geht es zum Diskounter - was?
Die Beiden begannen verbittert zu werden, obwohl sie im Hause alles hatten, was man zum Leben braucht.
Die Nacht brach herein und das Licht gelöscht..

***

Obwohl der Herzog die Adresse nun mit diesem Hause angeben konnte,
war er nicht zufrieden, seine Kunden jedoch haben dieses Haus als äußert bemerkenswert empfunden.
Aber es war nicht seines und er war doch so viel mehr als ein einfacher Graf, der Valter, ein angehöriger
des niederen Adels, wie seine Frau bemerkte.
Selbst wenn er nachweisen kann, daß seine Familie die Kompetenzen eines Landgrafen inne hatte,
ist es doch nicht genug für uns.
Meinst du, die Julia wäre passend für unseren Claude?
Beide sind Prinzessin und Prinz - hier sehe ich nicht den großen Unterschied.
Der Graf will der Julia unseren Titel zukommen lassen, deshalb läßt er uns bei sich wohnen.

Es waren Wolken über dem blaublütigen Himmel aufgezogen, ganz ohne Frage.

Am nächsten Morgen planten Herzog und die Herzogin einen Ausflug in die Stadt,
weshalb sie in der Remise die Schlüssel für den Familienwagen einfordern wollten.
Der Chauffeur war gerade mit seiner Frau in der Stadt einkaufen, die
Haustür war nicht abgeschlossen - wozu auch, auf einem gut bewachten Grundstück -
und so spazierten die Beiden einfach in den Flur und fanden in der Schublade den Schlüssel
der Familienkutsche.
Valter wird sicher nichts dagegen haben, daß wir den Wagen nutzen, der steht hier sowieso nur herum.
Ich wollte Valter fragen, aber der ist wohl gerade in der Brauerei beschäftigt.
Also fuhren sie los und nahmen auch bald den hohen Randstein mit, weil diese bald 9mtr lange
Fuhre ihre Tücken hat.
In der Stadt fabrizierten sie zwei Strafzettel, einen wegen Geschwindigkeitsübertretung um
das Doppelte - mal eben 60km/h in der 30km/h - Zone.
Die Passanten sind nur einfaches Fußvolk, die müssen nicht am hellichten Tag müßig herum laufen,
sollen sie zur Seite gehen!
Beim Parken war der Herzog nicht zimperlich und parkte mal eben eine ganze Reihe Autos zu, die
dort ihre Parkgroschen eingeworfen bekommen haben von ihren Besitzern.
Die Beiden gingen ein wenig bummeln und vertraten sich die Füße im Park, aßen einen Eisbecher
und wollten am frühen Abend nach Hause, als der Wagen nicht mehr an der Stelle stand, wo
er ordnungswidrig abgestellt worden war.
Sie riefen die Polizei und wurden auch gleich mit den Anzeigen "behelligt" -
der Herzog meinte:
Das zahlt der Fahrzeughalter.
Haben sie denn die Fahrzeugpapiere dabei?
Nein? Das kostet nochmal ordentlich Geld der Herr!
"Durchlaucht bitte", antwortete der Herzog biestig und seine Frau setzte noch einen drauf:
Verbeugen hätten sie sich schon können, gell?
Die Beiden nahmen ein Taxi, die Familienkutsche ließen sie dort, wo der Abschlepper hingefahren ist.
Den feinen Leuten war das offenbar egal.
Wir hätten gleich ein Taxi kommen lassen sollen, dann wäre dieser Ärger erspart geblieben,
meinte die Herzogin.
Ach was, der Valter ist ein lockerer Typ, dem macht das nichts.

Der Zirkus kam ins Rollen, aber Valter machte keine Anstalten, auf diese Provokation zu reagieren.
Er ließ den Wagen vom Abschleppdienst holen und zur Werkstatt bringen und reparieren -
wobei die Zeche durchaus eines Herzogs würdig gewesen sein muß.
Dem Chauffeur machte er keine Vorhaltung, weil der Fahrzeugschein in seiner Geldbörse hat und nicht
in den Wagen gelegt.. (wie häufig zu sehen)
Nun addierte Valter:
Abschleppen, Strafmandate, Reparatur, Hausfriedensbruch, Vertrauensbruch,
anmaßendes Verhalten, keine Mietzahlungen, volle Verpflegung mit musikalischer Umrahmung
und dem guten Ruf des Hauses als Sicherheit.
Er nahm auf seinem oder besser Luisa's Thron alle Fakten zusammen und rief die Beiden zu erscheinen.
Wir haben beschlossen, den Durchlauchten folgende Entscheidung mitzuteilen, welcher zuvor
die Fakten oder Grundlagen benannt werden sollen.
So zählte er obige Addierungen auf..
Wir als Hausvorstand haben beschlossen, die Durchlauchten an die frische Luft zu setzen,
damit sie wieder mehr Luft in den Kopf bekommen.
Da von euch Hochwohlgeborenen nichts zu holen sein dürfte, möchten wir das nicht zu lange hinaus
zögern und schlagen vor, daß ihre Prominenz die kommende Nacht bereits im Hotel nächtigen.
Sie möchten sich ihre Accessoires holen und das Haus verlassen.
Der Sicherheitsdienst ist bereits informiert.
Sie haben fortan Hausverbot.
Die Gegenstände ihrer Einrichtung sollen von einer Spedition abgeholt werden, ohne
daß sie das Haus nochmal betreten.
Zwei Bedienstete gehen mit ihnen in die Räumlichkeiten und helfen beim Tragen.
Er stand auf und ließ die Beiden wie Schulbuben sitzen.
Lisza hat das mitbekommen und ging gemessenen Schrittes durch das weite Vestibül
mit wallendem Gewande Richtung Diele:
Ihre Miene war nicht hochmütig, aber patriarch genug, um es die Beiden gruseln zu lassen,
die gerade in Begleitung zweier Dienstboten mit Koffern zur Pforte gingen.
Der Diener war gerade dabei die Türe zu halten, als er die Herzogin zischeln hörte:
Das ist schon das 3. Mal innerhalb von 2 Jahren, daß wir rausgeworfen wurden !
Tu' was!
Wo ist denn Claude?
Hier Mama, warum können wir nicht bleiben, ich will endlich auch mal ein festes Zuhause!
Dann kam das Taxi und sie fuhren weg.

Der Familienrat hat länger getagt an diesem Tag und alle waren sich einig:
Das waren keine feinen Leute und nun wundert es uns immer weniger, warum der Adel nieder geht.
So ein Titel ist eben nicht alles, sagte die Freifrau, was ganz und gar nicht ihre Art war.
Eben, so sagt sie noch, ist im Burgenland ein Familienstreit um ein Milliarden-Erbe,
das steht gerade in der Zeitung.
Wie man sieht, ist die Größenordnung egal, Verwandte sind immer gierig.

Die Möbel wurden bald abgeholt und die Schäden durch die rohe Behandlung der Räume und der Sanitäranlagen
beseitigt, wie sich das gehört.
Das war nicht billig, meinte Helene, ein teures Hobby !
Valter strafte sie mit einem Seitenblick, was nicht seine Art gewesen ist.
Helenes Eltern haben sich mit keinem Wort zu dieser Sache geäußert.
Valter hat auf der Kommunalverwaltung die Sachlage geschildert und sich im Namen
des Herzogs entschuldigt:
Es tut mir sehr leid, daß sie von denen, wo ich dachte es wären unsrige, so enttäuscht worden sind.
Er stieß dabei auf großes Verständnis - der Abschleppdienst hat sich gefreut, es denen da oben
endlich mal heimzahlen zu können - dabei hat er noch nie von einem Adligen einen Nachteil ertragen müssen.
Die Neidgesellschaft, so Valter, lässt grüßen, geschürt von der Presse und vom TV.

Der Diener hat Luisza gebeichtet, daß er die Herrschaften "ein wenig belauscht" habe,
es täte ihm leid, es sei sonst nicht seine Art.
Machen sie sich keine Gedanken, sie haben uns sehr geholfen !

***

Die Verwaltung der Brauerei hat beschlossen ganz und gar auf Holzfässer umzustellen,
weil die Ergebnisse des Doppelbock - Verkaufes sehr ermutigt haben.
Nach und nach nahm man das Lagerbier aus dem Verkauf und setzte dafür auf ein sehr wertvolles Edelbier,
eben diesem Doppelbock, dessen Holzfässer aus Eiche die Aluminium - Fässer Stück für Stück ersetzten.
Die Begründung war:
Lagerbier gibt es überall zu kaufen, auch in Superior, aber Doppelbock
in einer so schweren Art, wie das unsrige, mit seinen enormen Anteil an Stammwürze, gibt es selten.
Wir haben darum das Rezept und Marke "Gräfliches Lagerbier" einer Großbrauerei verkauft, mitsamt
den Alu-Fässern und einen sehr guten Preis dafür erzielt.
Der neue Name des Doppelbocks ist "Hexenbock", das Emblem zwei weiße Böcke, die mit den Hörnern
gegeneinander stehen und die Burgruine im Hintergrund.
Seit ihr des Wahnsinns, rief der Graf entsetzt - wem ist das denn eingefallen?
Dem Karl?
Nein, Graf Valter, der Freifrau höchstpersönlich, als wir nachfragten, ob das Angebot der
Großbrauerei erneut abgelehnt werden soll..
Du meine Güte, das sind ja Neuigkeiten - wie läuft die Sache nun?
Wir kaufen eben Fässer aus allen Teilen der Welt und befüllen diese mit dem Doppelbock.
Jedes Fass erhält ein Zertifikat mit seinem ursprünglichen Inhalt und Qualitätssiegel des
"Hexenbock", selbstredend wird die Firmierung entsprechend geändert und eingetragen.
Unsere hauseigenen Küfer sind nun voll beschäftigt, damit die Sache rund läuft.
Bisher hat sich Karls-Roll-Keller bestens bewährt, weil wir die Fassgröße bei 100ltr belassen haben.
"Größere Gebinde sind schlecht zu transportieren und zerbrechen leichter, deshalb haben wir die ursprüngliche Idee mit den 200ltr Fässern fallen lassen, bevor ein Fass fällt", krähte Karl frech daher.
Die Fässer gehen in das Eigentum des Käufers über, welcher diese aus der Hand gerissen bekommt oder er gibt sie zurück und bekommt das Pfand ausgezahlt- was aber Transportkosten macht.
Nun geht es bei uns noch deutlich mehr in Richtung "handcrafted beer", was einen internationalen
Erfolg garantieren wird.
Graf Valter war das recht, denn solange der Laden lief, sollte es ihm egal sein.
Die Laster kamen, die Laster fuhren wieder ab, es herrschte ziemliche Betriebsamkeit auf dem
Brauerei-Gelände.
Bald prankte der Hexenbock auf dem Dach des Hauptgebäudes der Brauerei und drehte sich - beleuchtet
und weithin sichtbar.
Nachdem die Großbrauerei alle Rückläufer der Alu - Fässer abgeholt hatten,
hörte man statt Geschepper nur das Schlagen der Dauben und Holz.
Sonst änderte sich nicht sonderlich viel, nur die Mälzer hatten deutlich mehr zu tun.
Die Pächter der Gaststätte im Tal haben das Handtuch geworfen und sind in Rente gegangen,
das Gebäude steht nur leer Herr Graf..
Ich gehe morgen früh mal hin und schaue mir das Ding an, danke Karl.

***

Die kleine Julia ist nicht über den Verlust ihres Prinz Claude Erik hinweg gekommen und
hielt noch immer Kontakt zu ihm.
Das merkte Helene zufällig, als die Kleine nach einem eigenen "Tablet" fragte,
weil es ihr lieber war im eigenen Zimmer zu "chatten", als bei Mutti.
Sie bekam nun auch so ein Ding, das Julia fleißig nutzte.
Die Beiden schickten sich Bilder, erzählten sich Witze und halfen sich gegenseitig bei den Hausaufgaben
oder den typischen kleinen Problemen, die "Kids" in diesem Alter eben so haben.


Graf Valter wanderte also mit Helene, als die Kinder im Unterricht und bei der Kindergartenbetreuung waren,
zu diesem Gasthaus im Tal hinter dem Friedwald.
Die Küche hat ein paar Happen und etwas zu Trinken eingepackt.
Die Vögel zwitscherten in der Frühe zwischen den Hopfenreihen und als sie an der Ruine vorbei kamen,
dachten sie Stimmen zu hören, aber es war niemand darauf oder darinnen.
Im Wald hallten nur die leise knackenden Äste, wenn die Wanderschuhe darauf traten und
das Blätterdach rauschte, wie ein uralte leise Orgel in einer Katedrale über ihren Köpfen.
Pilz- und vermodernde Erde duftete, ab und an rief ein Kautz und der Specht hämmerte.
Der geschlungene Pfad führte in ehrwürdiger Weise still ins Tal hinab, im Hang sprang ein Reh auf und
schaute sich ungläubig um, bevor es ohne Hast davon lief.
Unterwegs war eine der kleinen Andachtskapellen am Wegrand, wo die Angehörigen der
anonym Bestatteten ihre leisen Gebete halten konnten.
Unten im Tal begann der Weg breiter zu werden und in einem längeren Parkstreifen zu münden.
Hier standen einige Wegweiser und Hinweise auf diesen Friedwald, die Ruheverordnung und etwas Reklame von
den Bestattungsinstituten der Großgemeinde.
Dahinter hinweg, am Bach gelegen lag die alte Gaststätte, ein Bau aus wohl wilhelminischer Zeit,
mit einem Walmdach in der Art, wie man im Schwarzwald oft sehen kann.
Eine Schimäre, meinte Valter, aber durchaus gelungen.
Die Terrasse um zwei Seiten ist typisch Biergarten.
Sehen wir uns mal drinnen um, meinte Helene.
Innen war alles gepflegt und in bester Ordnung, was beide nicht erwartet hatten.
Es stand einer neuen Verpachtung eigentlich nichts mehr im Wege..
..oder etwa doch?
Denkst du was ich denke?
Ja, schon geraume Zeit und das soll unser Geheimnis bleiben!

Die beiden Rentner, die Gastwirte wohnten noch immer im Haus und kamen gerade um die Ecke,
parkten den Wagen und luden ihren Einkauf aus.
Am Eingang stand ein Schild:
Gaststätte aus Altersgründen geschlossen,
für Privat bitte oben läuten.
Die ehem. Pächter unterhielten sich kurz mit dem Grafen-Paar, welches
das alte Versprechen in diesem Gebäude wohnen bleiben zu dürfen, erneuerte.
Passen sie bitte weiter gut auf das Haus auf, das wird noch gebraucht werden.

Dann gingen sie den Weg zurück, diesmal aber um den Wald herum, am Bach entlang und
durch eines der Dörfer, die zur Großgemeinde gehören.
Sie plauderten mit ein paar Leuten, die gerade im Vorgarten arbeiten oder
am kehren der Straße waren - zufällig, wie das eben einige Wanderer noch machen,
so kam man von diesem zu jenem Thema.
Eine ältere Frau rief ihren Enkel aus dem Haus:
Er findet keine Lehrstelle, weil seine Noten nicht so toll waren.
Seine Begabung scheint mir bei diesen Computern zu liegen,
mit denen er seltsame Sachen macht- nun erzähl' schon Junge!
Ich arbeite an einer besonderen Art der Webpräsentationssoftware,
die man leichter konfigurieren kann und die sich mit Providerwechsel und FTP befasst.
Das kann dann mittels Button sehr viel einfacher geschafft werden, falls man
den Anbieter / Hoster wechseln und mit der Homepage umziehen möchte.
Die Beiden schickten den Jungen zu den Verwaltern des Hexenbocks und meinten:
Du kommst am besten gleich mit.. einen Moment bitte, ich muß den Rechner runter fahren.
Ausdrücke sind das, so meinte die ältere Frau, als Oma komme ich da nicht mehr mit.
Das müssen sie und wir auch nicht mehr unbedingt, das machen nur wenige Spezialisten,
die hier wohl eine Nische gefunden haben.
Sie bedankte sich sehr und meinte - der Junge sitzt nun schon ein Jahr hier herum und das ist nicht gut
für junge tüchtige Leute !
So zogen sie zu Dritt weiter um den Wald herum und kamen an der neuen Mauer an.
Der Junge staunte nicht schlecht, als sie die hintere Pforte öffneten und durch den Park
über die Terrasse am Springbrunnen vorbei in den Salon kamen, wo gerade Helene ein Stück spielte.
Weiter gingen sie durch das Vestibül und zeigten am Portal nach unten, wo die
untere Pforte, über die Allee hinweg, wo der Ginsterpfad zur Brauerei entlang ging.
Daheim erzählten sie nur von der ruhigen Wanderung und wie gut diese getan hat.

***

In der Brauerei war Hochbetrieb bis in den späten Abend hinein,
denn so eine Umstellung bedeutet doch einiges an Arbeit und Vorbereitungen.
Hexenbock, so ein seltsamer Witz, meinte Helene zu Valter, als sie schon im Bette lagen,
Hexenbock, das muß man sich mal vorstellen!
Im Refugium der Freifrau brannte noch lange das Licht, als die anderen Hausbewohner schon schliefen..
Luisza war stolz auf ihre Entscheidung, ein richtiges handwerkliches Bockbier der allerersten Güte
auf den Markt gebracht zu haben,das sich von allen anderen mehr als nur deutlich unterschied.
Jedes Fass war praktisch ein Unikat und speziell eingeschmeckt oder vergustiert worden.
Mit Wappen als Siegel wirkt das richtig edel, meinte sie voller Stolz -
sollen sich die anderen Brauereien um den Massenmarkt kümmern, wir verkaufen nur
an Feinschmecker, die sich das leisten können.
Die Fässer wurden zum Beladen auf die LKWs auf handelsüblichen Paletten festgezurrt
und durch Kühlwagen der Kunden oder Speditionen abgeholt.
Die Kühltemperatur der Lastwagen wurde genau überprüft.
Alles keine Hexerei.
Der ständige Ankauf neuer Fässer war also Programm geworden, weil eben diese Einzigartigkeiten
als exklusiv empfunden und prima abverkauft werden konnten.
Die Belegschaft des Hexenbock, wie man die Brauerei nun nennt, war richtig stolz
auf ihr Premium-Produkt.
Wenn ein Kunde "Gräfliches Lagerbier" beorderte, ging der Auftrag an die Großbrauerei weiter,
die sich im Gegenzug mit Kunden für diesen "Hexenbock" revanchierte, ja sogar in ihrem
Prospekt damit warb, was selbstverständlich in kooperativer Gegenseitigkeit auch vor Ort geschah.
Luisza war stolz auf diesen Deal, denn so eine Großbrauerei kann sich nicht in derartiger
Handarbeit verzetteln und .. gemeinsam war man bekanntlich stärker!

***

Das neue Fass-Lager ist richtig fein geworden, eine richtige Küferei
ist hinzu gekommen und hat ein Roll-in-Roll-off, wo die ankommenden Fässer
registriert und getaxt werden.
Manche gehen zur Reparatur, andere werden nur gereinigt und auf Dichtigkeit geprüft.
Manche Abnehmer bringen die Fässer wieder, andere behalten diese und verkaufen
sie gleich mit oder wieder weiter, denn das ist auch ein Liebhabermarkt.
Beim Anliefern von Fässern wurde jedes sofort begutachtet und abgestempelt.
Aus defekten Fässern wurden Ersatzteile gewonnen.
An einem Reparatur-Tag glühte das Schmiedefeuer und verbreitete
eine ganz altmodische Atmosphäre in der Halle, wo man gerne mal vorbei schaute.
Aus dem Personalbier wurde ein Familientag im Monat,
wo alle den Betrieb besichtigen und auch eine der Flaschen selbst abzapfen konnten.
Dazu gab es Grillbratwurst und Pommes aus der Bude beim Schwimmbad..
Die Wagen der Großbrauerei sind bald die einzigen Abholer der vollen Bierfässer geworden,
weil deren Vermarktungsstrategie auch teure Luxusevents bedienen konnte und
mehr Kapazität gab es bei dem Hexenbock eben nicht, als nur dafür.
Exklusivität ist eben nicht in Mengen machbar, denn dann ist das keine mehr, sondern beliebige Massenware.
Die beiden Verwalter waren sich einig, wir müssen an die Zukunft denken, wir haben Verantwortung.
Luisza sah das ganz genau so und stützte die Beiden.
Dieses Hexenbock war bald bekannt und auf Stehparties der Prominenz DER Renner schlechthin.
Getrunken wurde dieses Bockbier nur aus speziellen 0,1ltr Tulpen, darauf hat die Großbrauerei und Luisza geachtet.
Der Großbrauer lobte die Beiden:
Ihr fahrt eine gute Strategie,
denn NUR wenn das Bier knapp ist, kann man es teuer verkaufen, mein Kompliment !
Die Gewinne sprudelten wie nie.
Selbst wenn kein Bier mehr verkauft werden könnte, hätte schon das Fasslager
einen guten Wert zu bieten - weshalb dieses gesondert versichert worden war.

Der Ausschank dieses Bieres aus dem kellerkühlen Fass ging sehr flott vonstatten,
weil sich davor immer Schlangen von Genießern bildeten -
die aus eben diesen "Tulpen" dieses Edelbier schlürfen durften.
Dunkelbernsteinfarben, lange gelagert und mit dieser unglaublichen Cherry oder Whisky oder Bordeaux-Note.
Das hat es bislang noch nirgends gegeben - ein echtes Novum, das jeder mal probiert haben wollte.
So mancher suchte hinterher nach einem Event, wo dieser Hexenbock angeboten wurde.
Bald war dieses Spezialbier eines der Zugpferde der Eventmanager.

***

Helene sprach mit ihren Eltern, die sich im Hause offensichtlich nicht wohl fühlten
und bot diesen an, das Gasthaus zu übernehmen.
"Wir haben mit den alten Pächtern schon vorgefühlt, ob sie denn damit einverstanden wären,
daß sie Nachfolger anlernen und mit euch im Haus zusammen leben möchten.. und die haben
sich interessiert gezeigt.
Schaut doch einfach mal vorbei !"
Und so taten sie das auch.
Nach einer Woche kam der Umzugswagen und wieder frohe Gesichter bei den Adligen,
die partout keine sein wollten.
Die beiden Paare hatten mehr als genug privaten Platz im Haus und die
Langeweile war weg, wie weggeflogen.
Auch die ehem. Pächter waren inzwischen schon etwas depressiv, weil man eine
gut geschmierte Maschine nicht so einfach abstellt:
Wer rastet, rostet.
Die Gastwirtschaft war sehr schnell wieder geöffnet,
noch bevor die ersten Wanderer und Friedhofsbesucher unterwegs waren.
Ein Ort der Kontemplation, so hat man diese Einkehr genannt und sich von allen
wirtshaustypischen Sachen getrennt, so daß die Lokation wie eine Bergstation wirkte.
Hier fühlte sich der Gast gut aufgehoben, bei einfachen, aber hervorragend gemachten Essen
und Gräflichem Lagerbier oder selbstgemachter Waldmeister-Bowle.
Langeweile ist bei beiden Paaren nicht mehr gekommen, denn in den Ruhephasen wurde Karten gespielt
oder über Gott und die Welt diskutiert.

Im Hause schüttelte Luisza nur den Kopf, über diese verrückten Alten, wie sie sagte.
"Das Haus" wurde wieder zur Etikette, zur letzten Bastion in dieser Sache.
Nach und nach kamen Anfragen von Adligen, die alleine in ihrem riesigen Anwesen leben mußten,
von allen verlassen und mit kaum bezahlbaren Unterhaltskosten.
Luisza war drauf und dran, diese Kandidaten einzeln in Augenschein zu nehmen,
die sich der Sache dienlich oder besser nützlich erweisen könnten.
Vereinsamte alte Leute des Standes, die wie alte Möbelstücke unnütz geworden sind.
Nach und nach bezogen diese jeweils nur einen Raum in diesem Hause,
genossen aber die Weitläufigkeit als Refugium oder Zuflucht.
Es waren alle Titel darunter, die sich zwar in der dritten Person, aber ohne
ihre ererbten Würden ansprachen und mit Vornamen, nur wenige wichen davon ab.
Man war unter sich und kannte einander zumeist bereits schon seit langem,
wenn auch diese Begegnungen geschwind mal 40-50 Jahre zurück lagen, als
man noch Familie hatte und die Verwandten einander noch alle gut bekannt waren.
Inzwischen war die Etikette überall derart verrostet und abgeblättert,
dass nur noch ein Namenszusatz und irrwitzige Verpflichtungen blieben.
Davon gelöst und den ganzen Kram verkauft zu haben, war für alle eine vollkommene
Erleichterung, eine engelsleichte Erfahrung.
Louisa ließ gleich einen Historiker kommen und einen Heraldiker, um Auffrischung der Adelstitel, Sitten und Gebräuche und Hofart zu erfahren.
Die meisten der Bewohner waren sich einig: Wir sind die Letzten..
Schluß mit der Sorge um das riesige uralte Gemäuer - soll sich doch das Denkmalamt daran freuen,
die bekommen schließlich den heutigen Steuerkuchen ab..
Nach dem Verkauf der Antiquitäten und Sammlungen, Liegenschaften und Verpachtungen,
aller weiterer Gebäude, ob vermietet oder dazu geerbt - war der innere Friede wieder da,
gelöst von den Sorgen des dinglichen Zerfalls und den ständigen Steuerforderungen
zigweder Art und Grund.
Man miete sich in "das Haus" ein, es war keinesfalls die Heilsarmee, wie Luisza scherzte,
dies aber sehr ernst sah und jeder nahm es ihr ab.
Bald sprach sich dieses Refugium herum und ein Dutzend Zimmer waren belegt.
Man traf sich nicht im Salon, sondern in der Bibliothek beim Billiard oder las in einer der
Leseecken, spielte gemeinsam Karten, sprach über die alten Zeiten und freute sich,
dass die guten alten Zeiten in diesem "Kasten", wie sie das Haus nannten, erhalten blieben.
Man stellte einen Butler ein, der speziell nur die Bibliothek bediente.
Die Zeitungen kamen sorgfältig geplättet in das Board, die Getränke wurden aus
der Kammer hinter dem langen Bücherregal serviert.
Noblesse oblige.
Der Familienwagen wurde nun oft für Ausflüge genutzt und war ständig unterwegs.
Der Graf hat sich deshalb für einen eigenen Wagen interessiert und diesen auch bald gefunden.
Es wäre das neue Landaulet der alten Marke gewesen, welches aber für 3 Kinder und zwei Erwachsene
plus Fahrer zu klein - und als Stretchlimousine zu unhandlich, ja schon fast wieder proletenhaft,
- bei einem Preis von fast
1,3 Millionen Euro sicherlich keinen Spaß gemacht hätte.
Valter war in seinem Element und so sann er nach einer ganz eigenen Idee.
Nach dem Vorbild feiner Wagen aus der Vorkriegszeit sollten ein prächtiger Kühler und weite,
in richtige Trittbretter ausladende vordere Kotflügel sein, die in die hinteren Kotflügel fließend übergehen.
Das Heck fast als Kombi gebaut, mit einem angedeuteten Kofferraum und mit richtigen,
sehr stabilen Stoßstangen, die jedem SUV Aufprall standhalten sollten.
Ein langer, sehr breiter und hoher Wagen.
Die geteilte Frontscheibe mit dem Steg in der Mitte war zur zusätzlichen Sicherheit und
durch die leichte Neigung nach oben und zur Seite ein stilistisches Mittel.
Die mächtigen Scheinwerfer sollten mit moderner Technik bestückt und dennoch
wie ein Teil eines Oldtimers wirken.
Der Wagen sollte fast 2,50 mtr breit sein und 9 Meter lang.
Eigentlich war das Fahrgestell und der Motor, Sitze und Ausstattung dem Familienbus gleich,
nebst Toilettenanlage, die ebenfalls hinten saß, aber etwas niedriger angebracht oder
abgesenkt in den Wagenunterteil ihren Dienst tun sollte.

Der Valter wollte kein PS-Monster, sondern einen modernen sparsamen und ökologisch haltbaren
Wagen, der die Noblesse der alten Landaulet hat, diesmal eben als Limousine,
die nicht wie ein auseinandergezogenes Luxusfahrzeug in Erscheinung treten durfte.
So sann er ein paar Wochen nach und .. fand letztlich, daß sie eher keine längeren Fahrten
mochten und viel lieber daheim waren.
Verwandtenbesuche sind bekanntlich gestrichen und zu den Akten gelegt worden.
Transporte würde seine Familie wohl auch keine tun, ja nicht einmal Wasserkisten
holen oder im Supermarkt irgendwelche Sachen kaufen, die sperrig einzuräumen gewesen wären.
Mit allen Kindern würden die Beiden wohl eher nicht fahren - und wenn, wohin?
Es gibt ja noch Taxis und so reicht durchaus ein ... Helene lachte herzhaft auf
und war erleichtert, nicht mehr mit einem "Monstrum" gefahren zu werden, sondern
sehr viel unauffälliger und leichter in die Stadt zu kommen, ohne den Chauffeur zu bemühen.
Dieser hat sowieso kaum mehr Zeit, so fuhr sie fort und so bin ich nur allzugerne bereit,
ein solches zweisitziges Fahrzeug als "Familienwagen" zu akzeptieren.
Der kultige .. s mart wurde bald geliefert, in der besten und edelsten Ausstattung, versteht sich
- das Familienwappen kam in kleiner Ausführung an beide Türen, wie gehabt.
Luisa meinte spöttisch:
Das Ding schaut wie eine Kaffeebohne aus, wenn man das von hier oben betrachtet,
in dem 2 Personen durch das Glasdach zu sehen sind..
Der "Wagen" kam und Helene fuhr damit die Luisza spazieren..
Ach, meint jene danach - wer hätte das gedacht?
Das Ding geht ja ab wie ein Torpedo und wieviel Platz man darinnen hat - man kann so leicht einsteigen - kaum zu glauben!
Die große Fuhre ist mehr etwas für die Alten, mir waren die großen Wagen immer schon zu auffällig.

So zerplatzen Autoträume, wie eine Seifenblase und das war dem .. Break Even Point geschuldet,
wie Valter so salopp zu sagen pflegte, wenn sie unter sich waren.
Im Haus selbst ist er immer der Graf geblieben.
Die "Restadeligen", wie sich die neuen Bewohner nannten, haben ordentlich viel Geld ins Haus
gebracht, weil sie wußten:
Hier müssen wir nie wieder ausziehen, es sei denn, der Bestatter
trägt uns hinaus und dann werden wir im Friedwald bestattet, ganz in der Nähe.
Louisa hat für jeden der Bewohner einen gesonderten Bestattungsbaum von der Gemeinde gekauft ,
wo schon die Namen und das Geburtsdatum eingrafiert war- mit Wappen!
(So muß später nur noch das Sterbedatum nachgraviert werden, meinte sie trocken)
Viele besuchten Lisza und "die Hexen", wie sich sich ausdrückten, die andere Gruppe war im
"Club", also der Bibliothek mit diesem eigenen Diener, ein sehr vornehmer Raum, der schon immer
eine gediegene Würde hatte.
Louisa ließ sich eigentlich von ihren Freunden lieber Lisza oder Lisa nennen, weil ihr das moderner vorkam.
Auch in den alten Akten war ihr Vorname mal so und mal so geschrieben.
Das erfuhr nicht mal Valter- erst zufällig und viel später.
Wenige waren ab und an auf der Terrasse, eher noch in der Orangerie um ihr Buch zu lesen.
Der Spaziergang innerhalb des weitläufigen, umhegten Grundstücks war fast allen genug "Auslauf".
Wie ein Kurpark wurde alles in Ordnung gehalten, was durch zwei weitere Gärtner geschafft wurde.
Auf diese Weise kam noch ein wenig mehr Personal dazu.
Man kam übereins, daß man sich als engere Familie in den Mittelbau zurück ziehen wird,
wobei der 1. Stock für die Jungen, der Mittelteil als Club und der obere Teil von Luisza belegt war.
Die beiden neuen Flügel bezogen, Zimmer für Zimmer
die neuen Bewohner nach und nach.
Der Plan ging schneller auf, als die Beiden dachten, Luisza hat die Aquise getan und war auch
sehr erfolgreich darin.
Es kamen nur feine Leute, die dieses Prädikat auch wirklich und wahrhaftig verdienten.
Luisza hat jeden Bewerber gründlich unter die Lupe genommen.
Nun war immer etwas los im Haus:
Musik erklang, Klassik und Salonmusik war fast jeden Tag zu hören.
(Einige der Bewohner waren froh, wieder einmal ihr Instrument spielen zu können
und dabei noch sehr aufmerksame und dankbare Zuhörer zu haben - das war in der früheren Einsamkeit
eben deutlich trauriger als hier - oder anders herum ausgedrückt:
Hier war man unter sich und hatte keine Zeit die altersgrauen Flügel hängen zu lassen -
man altert eben langsamer in Gesellschaft, ganz ohne Frage!)
Manche Leute kamen mit einander aus, andere nicht, hier war Platz genug,
um sich evtl. aus dem Weg gehen zu können.
Das Essen wurde auf den Zimmern serviert und nur gelegentlich im Salon gemeinsam eingenommen.
Fast 900qm hatte ein Stockwerk, die Seitenflügel waren auf 23 Räume aufgeteilt pro Stockwerk,
mit großzügigem Flur mit Aufzug ins Vestibül des Mittelbaues,
das ergiebt 138 Wohneinheiten a 36 qm Wohnfläche.
Die Architekten hatten zum Glück Blindrohre in jedes Zimmer verlegt, so daß ein kleines feines
Duschbad in jedem der Zimmer kein Problem war.
Volker ist mit seinem Verwaltungskram, wie Helene schnippisch zu sagen pflegte,
in einen der großzügigen Kellerräume verzogen und hat auch die Flügeltüren mit dem Wappen
dort installieren lassen - ein extra abgesicherter Kellertrakt, in welchen nur er persönlich Zugang hatte, wie schon erwähnt.

Langsam, aber sicher schliff sich diese lockere Gemeinschaft ein, denn diese feinen Alten
hatten alle schon ein sehr bewegtes Leben hinter sich und wußten genau, daß sich Ärger nicht lohnt,
sondern lebensverkürzend wirkt.
Die Alten hielten mithilfe des Steuerberaters und des Notars und seinem Sohn die buckligen
Verwandten und auch deren Kinder auf Distanz und so hatten die Insassen -laut Papiere-
keinerlei Vermögen zu verzeichnen,
keine Steuern abzuführen, weil eben nur so viel auf dem Konto als Einkommen erschien, dass dieses
unterhalb der Steuergrenze lag.
Den Rest hat man "verkümmelt", "verzockt" oder in Goldmünzen umgetauscht.
Jedes Zimmer hatte eine kleinen, aber soliden Tresor mit Alarmanlage, so war man sicher.
Der Wachdienst im Hause ging rund um die Uhr wie gehabt.
Jedes Dienstbotengefach wurde verstärkt, besonders in der Küche und beim Reinigungspersonal.
Jedes feine Hotel wäre stolz darauf gewesen, ganz ohne Frage.
Personal fuhr die Wärme-Servierwagen auf den Flur und die Bewohner nahmen ihre
Bestellung dort weg, die mit Namensschild versehen wurde.
Nachher wurde das benutzte Geschirr mit dem Wagen wieder abgeholt.
Rationell und doch individuell, denn viele der Alten wollten lieber zu den eigenen Zeiten speisen,
andere mochten die "Fleischesser" nicht am Tisch, einige waren lieber diätisch dabei,
praktisch alle aber selbstbestimmt und frei.
Am Abend zuvor hat man im Vestibül den Essenswunsch mit den Lieferzeiten in einen Kasten eingeworfen,
die Karten dazu und Stifte waren gleich dabei.
Ganz früh leerte die Küche den Kasten aus und ging ruhig ans Werk.
..aber das braucht uns bei dieser Saga nicht sonderlich tangieren.
Fakt war, dass die Leute auf keinen Fall auf ihren Stand verzichten mußen und
frei leben konnten, mit allem erdenklichen Komfort und in einem feinen Adelshause,
das überhall hervorragende Reputationen genoß.
Mit Stolz gaben die Bewohner die Adresse des Hauses an.

Die Straße war noch nicht benannt und so schlug der Bürgermeister vor,
diese in "Freifrau Luisza von Oswilde - Allee" zu benennen.
Luisza versprach links und rechts der Straße Alleebäume pflanzen zu lassen
und nach Beendigung der Baumaßnahmen auf dem Grundstück für eine entsprechende
Straßenausstattung zu sorgen.

***

Der Tag der Fertigstellung nahte und alle waren stolz auf die Mauer, die bald
zum ganz selbstverständlichen Schutzwall gegen Wind und Wetter und Journalisten etc. wurde.
Die Yellowpress war immer hinter Schlagzeilen her und so war auch bald das Haus im Fokus
dieser Leute.
Man kam übereins, daß Interviews nur gegen Geld und in einem kleinen Pavillion oder Separee am Eingangstor
stattfinden sollten, um nur keinen Spalt in das Refugium zu gewähren.
Mancher gab eine Fotografie vom privaten Raum preis, andere eine Aufnahme im Salon oder Separee
aus dem Club - mehr aber auch nicht.
Diese Gelder flossen in eine Gemeinschaftskasse, mit welcher Ausflüge mit dem Familienbus
finanziert worden sind.
Das Haus trug sich selbst und warf genug Gewinn ab, weil die Miete standesgemäß war, Noblesse oblige,
über Geld spricht man nicht, das hat man !
Hier waren keine Leute eingezogen, die auf Kosten anderer leben mochten.

***

Im Ort nannte man das Haus bald "Adelstrutzburg" und die "Hexe" war die Anführerin.

Nach und nach besann sich Graf Valter und er zog den Bauern nach und beantragte
Fördermittel für alle irgendwie haltbaren Maßnahmen im Umweltkatalog, die er hat finden können.
Die Quote war halbe/halbe und das hat sich schon gelohnt, so freute er sich.
Die Straße ging als Abschreibungsprojekt durch, einige Dinge hat die Wirtschaftsförderung
ins Rollen gebracht - diesmal sogar buchstäblich, wenn man an die Holzfässer denkt.
"Der Umwelt zuliebe", stand auf der Banderole der Fässer und ein grüner Baum daneben.
Man wird durch den Landbesitz buchstäblich zur Bauernschläue getrieben, so meinte Luisza dazu.
Ab und zu ist wohl ein Adliger weggestorben und ein anderer kam als Nachrücker,
bis irgendwann einmal aus ganz Europa die Restbestände davon einziehen sollten.
Das Personal war eben nochmal aufgestockt worden auf 30 Vollzeitbeschäftigte im Schichtdienst,
so geschickt auf die Insassen umgelegt, daß die zu versteuernden Erträge aus der Vermietung
so billig wie denkbar ausgezirkelt waren.
Zahlt ein Insasse 1500 Euro im Monat, dann sind 700 Euro für Essen und Umlagen,
Servicekräfte und Unterhaltung oder Fahrten etc. enthalten.
Der Nettogewinn nach Steuern hat Valter auf 700 Euro gebracht, bei 138 vermieteten Räumen wären das 96.600 Euro
Gewinn im Monat - ein schönes Einkommen.
Davon hat das Finanzamt eben wenig geahnt, vor diesem sah das so aus, als wäre der Graf
ein sozialer Wohltäter, dem man noch Geld schulde..
Viele Bewohner vererbten ihr Vermögen dieser häuslichen neuen Palliativ-Stiftung, damit die ärztliche Versorgung vor Ort gehalten werden konnte.

Jaja, sagte Helene, der Adel der ist schlau, fast so schlau wie die Bauern, die selbst für
nicht bewirtschaftete Felder Gelder kassieren.

***

Die Hexenbrauerei brummte, weil das Luxussegment keinerlei Hemmungen kennt und nur
beim "Butter und Brot - Bier" geknausert wird.
Valter erzielte dort nochmal so viel Ertrag und so war auch das große Haus kein finanzielles Risiko.
In der Gemeinde wundert man sich nur noch, daß die Insassen mit dem Luxusmobil herum gefahren wurden
und der Graf und seine Gräfin mit dem smart, wo man auch Luisza ab und an beisitzend sah;
sie sah darin immer sehr viel froher aus, als damals im schweren Landaulet.
"Sparen ist eine Tugend!"
Diesen Spruch trug sie gerne auf den Lippen.

Es dauerte nicht lange und zwei weitere Hopfenfelder wurden bestellt, immer mehr Braugerste
beordert, die auch gerne geliefert wurde - und .. die Freifläche, die von der Gemeinde hinzu
kam, wurde mit einem zweistöckigen Ausbau zugebaut.
Das gleiche unterirdische Roll-Fasslager kam nochmal dazu und so wurde mit gleicher Mannschaft
der Umschlag verdoppelt, weil die Großbrauerei in einer Mangelware keinen Gewinn sah.
Die Brauerei-Crew war auf Draht und der Laden lief - ab und zu mit Hilfskräften aus dem Ort,
dann waren auch Spitzenzeiten kein Problem.
Der Rubel rollte nun doppelt so flott in die gräflichen Kassen, nur der Reingewinn versteht sich,
abgebucht vom Firmenkonto auf das des Grafen.
Der Bankchef hat sich sehr darüber gefreut, denn eine zahlungskräftige Klientel ist
auch für ihn Gold wert - wie ihm seine Zentrale versicherte.

Durch die vielen Bediensteten, die inzwischen 150 Personen in Vollzeit und die gleiche Anzahl in Teilzeit waren,
kamen einige Pluspunkte in die Kommune.

***

Im alten Gasthaus war in der Zwischenzeit ein seltsames Glück entstanden,
weil sie die beiden alten Paare gut verstanden und ergänzten.
Wenn mal einer krank wurde, war das nun kein Problem mehr,
weil der Gastwirtsbetrieb aufrecht gehalten werden konnte, ohne Personal einzukaufen.
Einfache Essen sind dort die Spezialität gewesen, die es auch bei diesen "Nicht gerne Adligen"
dort unten gab, denn "gehobene Küche" war denen schon immer ein Greuel.
Die Spaziergänger und Besucher mit dem Auto, die nicht so gut zu Fuß gewesen sind,
haben dort gerne etwas zu sich genommen.
Der Umsatz war schön und ein gutes Zubrot.
"Hexenbock" gab es dort mit Sicherheit nicht, denn dieses Exkusiv-Bier war für andere Leute,
hier begnügte man sich mit selbstgemachter frischer Bowle aus Maikraut und einfachem weißen Wein,
auch mal ein Flaschenbier der Marke "Gräfliches Lagerbier".
Wie jedes Vierteljahr, seit Jahrzehnten, kam auch diesmal wieder die Freifrau angefahren,
um ihre Pacht abzuholen.
Das gleiche Prozedere wie immer, wobei sie sich gut unterhielt mit den beiden Paaren.
Wie immer - nach exakt 30 Minuten - ist sie wieder davon - mit dem smart..
.. mit ihrem eigenen!
Ihr Mini-Landaulet, wie sie betonte:
Ein kleines feines Cabriolet in Exklusiv-Ausstattung versteht sich.

***

Dieses Treiben im Hause hat freilich auch Neider gebracht, die in der Tat manigfaltiger Art waren:
Altenheimbetreiber waren aufgebracht, Hotelbesitzer und Appartmentanbieter,
welche begannen diese Idee als bedenklich einzustufen.
Sie forschten nach Möglichkeiten, solche "Eigeninitiativen" bereits im Keime zu ersticken
und einige "gewogene" Politiker machten mit.
Die Steuerprüfung kam -zwischen den üblichen Prüfzeiten- ins Haus und stellten die Verwaltung
auf den Kopf - ohne Erfolg.
Die Presse wurde scharf gemacht und .. vom Sicherheitsdienst abgeblockt.
Der Bürgermeister kam und erzählt vom Druck aus dem Kreistag, dem er nicht
auskomme - aber alle Akten waren bestens in Ordnung.
Die Drahtzieher wurden durch eine Detektei in Erfahrung gebracht,
die Luisza ausschickte und dort kam man auf die Spur der Herzogs,
die ihren Einfluß geltend gemacht hatten, um "es denen da oben mal so richtig zu zeigen".
Die Anzeigen liefen und bald wurden die beiden Täter eingesperrt, weil sie die Geldstrafe
wegen Rufmordes und Meineides nicht zahlen konnten - dabei kamen noch mehr Missetaten ans Licht,
die von den Beiden begangen worden sind - vom versuchten Diebstahl bis zur Zechprellerei.
Einige der Alten im Haus diskutierten darüber und waren entsetzt, was aus ihrem Stand geworden war.
Luisza hielt einen Vortrag über die letzte Fahrt zu den Adelshäusern und was daraus geworden war.

***

Graf Valter sah die Fahrt mit dem kultigen Kleinstwagen keinesfalls als "Ehrverlust", wie
das bei der gemeinen Bevölkerung der Fall ist, wo jeder einen größeren und stärkeren
Wagen als der Nachbar hat, besitzen und zeigen muß, was er alles vermag. (und wenn es nur auf Pump ist)
Es geht dabei nicht um Sinn und Verstand, sondern einfach nur um Prestige.
Nun galt der Graf also nochmal mehr als ein Exot, den man noch weniger als zuvor einstufen konnte.
Der größte Arbeitgeber der Kommune fährt mit dem kleinsten Auto herum, das geht gar nicht!
Doch Valter hatte ganz andere Dinge im Kopf, die ihn im Schlafe beschäftigten.
Die Großbrauerei wollte unbedingt diese Hexenbier - Brauerei kaufen und Luisza war dem nicht abgeneigt.
Auf einer Familienkonferenz argumentierte sie so:
Unser Adels-Modell läuft so gut, was geben wir uns also noch immer mit "Bier" ab?
Können wir auf die Einnahmen daraus nicht locker verzichten und auf den Zirkus mit der Steuerbehörde?
Das war wohl einleuchtend, zumal das "Gräfliche Lagerbier" inzwischen längst in anderen Händen war.
Man bestellte den Bevollmächtigten der Großbrauerei in den Salon,
wo wiedereinmal der Adels-Pomp sehr wirksam wurde.
Ein schöner Preis wurde ausgehandelt und eine Übernahme der Beschäftigungsgarantie
für die Beschäftigten des "Hexenbocks", was Luisza sehr sehr wichtig war.
Der Anwalt und Notar und die Beiden aus der Brauereiverwaltung kamen übereins,
sie handelten ihre Bedingungen ganz leicht aus.
Der Großbetrieb wollte diesen Zweig unbedingt für sich, mit allen Patenten.
Die Summe war beachtlich, die in den Säckel, bzw. auf das Konto der örtlichen Bank floß,
die Kommune bekam das Schwimm-Löschteich-Ding als Schenkung überlassen.
(So konnte man viel von der Besteuerung retten und als gemeinnütziges Werk absetzen)
Beide Bauunternehmer bekamen neue Aufträge vom Haus:
Jeder sollte exakt den gleichen Flügel nochmal bauen und diesen wieder um die Hälfte
versetzt nach hinten auf den Grund versetzt errichten.
Bei den beiden neuen Flügeln will man auf das Spitzdach verzichten und ein Flachdach
mit Gartenterrassen haben, als Abschluß wurden Zinnen favorisiert, wie bei einer Burg.

Die Bauplanung lag in dem Angebot noch deutlich unter dem Gewinn aus dem Brauereiverkauf,
weil mit modernen, kostengünstigen Materialen gearbeitet werden soll, von außen aber
exakt die gleichen Fronten einplante.
Die Räumlichkeiten sollen ebenso sein, wie bei den letzten Anbauten oder Flügeln.
So kamen insgesamt 276 Zimmer zustande, ein stattlicher Bau, wie man fand und endlich würdig
genug, um mit seinen 120 mtr Länge als Schlößchen durchzugehen bei den Insassen adliger Natur.
Die Mauern der Grundeinfriedung waren weit genug gesteckt, daß diese Erweiterung kaum auffiel
und so die ganze Anlage wie aus einem (v-förmigen) Guß wirkte, dem niemand
den stufenweisen Ausbau ansah, wie eine zünftige Hofburg oder Landadelssitz aus alter Zeit.

***

In der Zwischenzeit jedoch sind erst einmal die lieben Kleinen der wichtigste Teil
der jungen Familie, die gute Noten hatten und mit ihren Privatlehrern sehr zufrieden waren.
Julia besuchte inzwischen ihr Internat in der Schweiz und kam nur in den Ferien nach Hause.
Die Zwillinge sind richtige Rabauken geworden, die sich ganz und gar Richtung
Wildfänge entwickelten, die sich - wie sonderbar - in ihren Ruhephasen sehr akribisch
auf diffizile Dinge stürzten, wie Mathematik und Biologie, wo sie sich als hohe Begabungen zeigten.
Die Hauslehrer kamen bald nicht mehr mit und so waren die Erzieherin und die beiden Lehrer bald
überflüssig - die Zwillinge besuchten das Gymnasium der Stadt und waren beliebte Schüler.
Wie sonderbar, meinte Helene, daheim gehen die Beiden über Tisch und Bänke - in der Schule
scheinen sie dagegen vollkommen ausgetauscht zu wirken.
Der Riesenbau, noch immer das Haus genannt, ist bald fertig geworden, weil die beiden
Bauunternehmer bereits in dieser Sache geübt waren.
Die Zinnen waren auch kein Problem und so wurde wieder einmal Richtfest gefeiert.
Im Ort sprach man nur noch von dem Schloß und auch der Bürgermeister war voller Stolz.
(Valter hatte diesen freilich längst vorher von diesen Plänen eingeweiht)

Die Anlage schnurrte wie eine Katze und trug sich wirtschaftlich bestens.
Es waren schließlich keine Sozialhilfeempfänger hier einquartiert, sondern ausschließlich wohlhabende
Standesleute, die sich ihrer Tradition und Herkunft bewußt waren und die sich nur
aus Gründen ständiger staatlicher Bevormundung in dieses Refugium hin von der Außenwelt
verabschiedet hatten und das nennt man bei uns Vertrauen, so Valter - mit eingebautem Rechtsschutz und Steueranwalt.





In dieser Nacht hatte Valter einen seltsamen, sehr tiefen Traum, den er bald umsetzte:

Er sann nach einem neuen Plan und heuerte dabei zwei gelernte Bruchstein-Maurer aus
Rumänien an und gab diese bei dem befreundeten Bauunternehmer in Arbeit.
Dieser wunderte sich etwas, sagte aber kein Wort gegen diese zusätzlichen Kosten.

Nach einer Woche rückte er damit heraus und beorderte den Freund in's Cafe des Ortes.
Ich möchte dir was sagen:
Die alte Burgruine mit dem neuen Kellerboden ist wohl noch in Erinnerung?
Sicher, meinte dieser, ein Kleinauftrag, den man heute eben nicht mehr ablehnt -
gelohnt hat sich das nicht gerade.
Na na, wer wird denn hier unzufrieden sein?
Du weißt ganz genau, mein blaublütiger Freund, daß jedes Personal Geld kostet,
Steuern und Versicherungen und - ach was, das ist doch bekannt.
Deswegen sind wir ja hier.
Mir geht es um einen Wiederaufbau der alten kleinen Burg,
wir haben aber nur einen alten Stich, der diese zeigt, kannst du was damit anfangen?
Zeig mal!
Die kleine Burg war eigentlich nur eine quadratische Mauer um einen ca 50x50mtr großen
Innenhof, in dem ein schönes Basaltstein - Bau
stand, an einer Seite des Innenhofes war ein kleiner Söller, der das Haus nur um 2mtr überragte, deshalb
kaum bis an hohe Buchen heran reichte.
Die Schutzmauer war 2mtr dick und 4mtr hoch, ein stabiles Tor und rundherum ein paar Schießscharten,
die von einer gemauerten Empore aus Holz bedient worden sein müssen.
Innen an den Mauern waren
ein paar Geräteschuppen mit Waffen etc. mehr war da nicht, außer der Unterkellerung des Hauses
und des Söllers.
Nun, meinte der Bauunternehmer, das dürfte kein Problem sein -ich rate dir,
das Haus in der Mitte, das man wohl "Palas" nennt, sollte man in modernen Materialen halten,
schon wegen der Wärmedämmung, dann wird alles mit dem Basaltsteinblendwerk überzogen.
Das Vorhaben hat auch noch weitere Probleme und zwar die Wasserversorgung und das Abwasser.
Aber das laß mal meine Sorge sein, ich könnte das mit der Kommune klären.
Wir sind uns überein gekommen, daß zuerst der Brunnen neu ausgehoben werden soll,
denn wenn dieses Wasser gut ist, meinte Valter.
Nein, mein Lieber, das wird nichts - denn früher haben die Leute einfach aus dem Fenster
geschissen und so ihren eigenen Brunnen mit dem Oberflächeneintrag vergiftet.
Woher wohl auch die Pest gekommen sein mag..
Man mag nicht wissen, wieviele Menschen an diesen Krankheiten frühzeitig verstorben sind!
(Wer weiß, was alles in den Brunnenschacht geworfen wurde, als die kleine Burg zur Ruine ward?)
Da mag ich nicht widersprechen.
Du wirst das schon schaffen, dazu hat man ja Fachleute, nicht wahr?

Luisza und die Mitverschwörerin Helene sind ab und an mal schauen gewesen,
wie weit denn ihre Miniburg gediehen ist.
Die Sache dauerte doch länger als gedacht, aber nach einem Jahr stand diese Burg
wieder wie auf den alten Stich zu sehen, wie in neuem Glanze, an den sich niemand mehr erinnern konnte.

Die Familie zog um.

Der Mittelbau "des Hauses" war nun bald frei, die Verwaltung beließ Valter im Kellertrakt,
wie gehabt und so zogen nur die persönlichen Dinge in das Haus innerhalb der Burgmauern ein.
Das Wort Palas war nun die Devise, von Haus auf Palas, eigentlich kein Abstieg, wie alle fanden.
Dieser zweistöckige Bau mit seinen Zinnen und modernen anmutender Dachterrasse,
die von keiner Seite aus zu sehen war, hatte immerhin 20x20 Meter und bot somit genügend
Platz für gehobene Ansprüche.
Nun war um das Haus der Innenhof genug Raum nach allen Seiten, also genug für ein paar
Parkplätze und für eine hübsche Gartenanlage.
Das leuchtend rote, sehr massive Holztor hat der Zimmermann aus abgefallenen Holzdauben
der Küferei gemacht - dieses wird heute keine Ritter mehr aufzuhalten haben,
wurde gescherzt.
Das Tor werde wohl sowieso nur geschlossen, wenn wirklich niemand im Hause sein sollte.
Die Möbelleute haben die beiden Stockwerke mit den Möbeln aus "dem Hause" bestückt,
Was zuviel war, hat man einfach beim Antiquarienhändler verkaufen lassen.
Luisza wollte nur noch den halben oberen Stock mit Zugang zur Terrasse behalten,
von ihr wurden die meisten wertvollen alten Möbel verscherbelt, wie Helene das nannte.
Ihr Refugium war immer noch groß genug und sollte genügen, wie Luisza sagte.
Keine Bibliothek, keinen Saal, nur Räume mit ungefähr vier Metern Deckenhöhe - immerhin.!
Ein normales Wohnzimmer war Obergeschoss mit nur 20x10 mtr, wo man sich traf und von
welchem aus die Wendeltreppe nach oben auf die Dachterrasse ging.
Richtig bescheiden, wie alle meinten und so lauschig schön im Wald gelegen.
Diese seltsame Brunnenstatue hat man dort auf der Dachterrasse auf einen Sockel gestellt
und ein niedriges rundes Becken von nur 3 Meter Durchmesser war drumherum.
Eine Oase der Ruhe mit Lorbeerbäumchen und Oleander, Rosenbäumen etc.
Die Räume der jungen Familie kam in den Erdgeschoß unter, wo auch das Vestibül war.
Alles ein wenig kleiner und familiärer, so lobte Luisza.
Gut, daß ich auf dem Keller bestanden habe, dort kann man eben doch nochmal etwas unterbringen.
Am nächten Tag transportierte Valter alleine mit einem vom Bauunternehmer geliehenen Kleinlaster
weiteren "Kleinkram", wie er sich ausdrückte, "händisch" und alleine den Goldhort in seine neue Burg.
Wochenlange Arbeit..
Unbemerkt und sehr still.
Im Keller des Palas hat er eine Ecke für das Kaminholz gemacht,
hinter welchem in einer Bodensenke mit täuschend echter Abdeckung, die wie der Boden in diesem Raum war,
den Goldhort verborgen, der noch immer auf dem gleichen Stand war:
Mehr als genug.
Das alte Haupthaus mit zwei leeren Stockwerken und der Bibliothek blieb nun etwas verwaist.

Längst hat Graf Valter seine und Luisza's Wappen auf dem neuen Burgtor anbringen lassen.
Nun folgten die Verhandlungen - im alten riesigen Salon "des Hauses", mit Notar und Anwalt
und der Bank des Ortes und.. den Vertretern der beiden großen Klinikkonzerne.
Die Verhandlungen dauerten nicht lange und bald waren erschreckend viele Millionen auf dem Konto
der Gräflichkeiten zu verbuchen und nochmal etliche für die Liegenschaften, die
Hopfenanlage, die vom Betreiber gleich mitgenommen worden waren:
Für evtl. Erweiterungen, wie sie meinten.
(Den Hopfen bezog die Hexenbrauerei später von außerhalb- alles keine Hexerei)
Die Bewirtung war nach alter Art und die Herren waren entzückt, endlich im Luxussegment
mitschwimmen zu können, wie man sich ausdrückte:
"Das wird unser Sanatorium für Adlige und .. später auch für solche, die sich das leisten können.
wir planen schon die nächsten Erweiterungen, die sich aber im Rahmen halten werden, sonst
ist die Exklusivität dahin!"
Dem Personal gab man die gleiche Beschäftigungsgarantie wie zuvor.
Gute Leute sind selten, die läßt man nicht laufen !

Niemand wäre auf die Idee gekommen, den Grafen als "Hans im Glück" zu bezeichnen.
Die Familie hatte an Ansehen gewonnen und .. keinen einzigen Bediensteten schlecht behandelt.

Endlich kann man reden, ohne das Gefühl zu haben, belauscht zu werden, so meinte Helene und
Luisza, die sich wie ihre Mutter oder Freundin benahm, war sowieso fast immer ihrer Meinung.
Kein Hofstaat, kein Hofzeremoniell und keinen Thron und keinen Ballsaal und keine Empfänge,
bitt' ich mir aus, so meinte die Freifrau lachend.
Die beiden smart(s) standen ziemlich verloren auf dem Hof unter einem Dach des Schuppens,
wie Hänsel und Gretel, die sich im Wald verlaufen haben..

***

Als Luisza im Eissalon des Ortes gerade ihren Erdbeerbecher verzehrte und der "Wagen" -
ohne Chauffeur - vor dem Gebäude stand, sinnierte sie gerade darüber nach, als der Bürgermeister
bat, bei ihr Platz nehmen zu dürfen.
Ja der Herr Bürgermeister, habe die Ehre!
Ja, die Freifrau höchstpersönlich und ohne Leibgarde in unserer armen kleinen Gemeinde!
Ach lass'ns mich damit in Ruh' es reicht, der Adel hat fertig und das wissen alle ganz genau.
Ich war eben zu lange allein, weil mein Mann so früh hat sterben müssen
und so verknustert man halt ein wenig, verstehn's?
Ihre .. stotterte der Bürgermeister, verzeihen sie, aber sie sprechen ja fast Wienerisch?
Das mag sein, denn meine Großeltern stammen dorther und bei denen bin ich oft gewesen, fast
meine ganze Kindheit hindurch, weil meine Eltern ständig auf irgendwelchen Geschäftlichkeiten waren.
Wie ich höre, haben sie "das Haus" gehörig verkaufen können -
ja, sagte Luisza, mitsamt dem Adelsgehabe.
Wir wohnen nun, wie sie wissen, in unserem Hexenhort am Wald.
Nach allen Seiten kümmerliche 500 mtr Gelände, das wir noch anlegen müssen.
Also nur 2,5 Hektar des einstigen Landes, das uns schon von jeher gehört.
Wir sind sehr bescheiden geworden, wirklich wahr!
Ach sie arme Frau müssen nun im Sitzen schlafen?
Warum?
Weil das Kopfkissen wohl ordentlich dick ausgestopft sein müsste..
Sie lachten und futterten ihr Eis - welches auch zwischenzeitlich zu ihm gebracht worden war-
Luiszas Wink wirkte wohl noch immer.
Anschließend ging sie zur Bank, wo die Familie nur noch ein einziges Konto unterhielt:
Bittschön geben's mir ein paar größere Scheine!
Sollen es 50iger oder 100erter sein, gnädige Frau?
bitte kein Kleingeld, haben's keine größeren Scheine?
Gewiß gnä.. ah, Frau von Oswilde, gewiß, wieviele hätten's denn gerne bittschön?
Ich denke, daß mir fünfzig erst einmal genügen.

Damit fuhr sie mit dem Bürgermeister zur Verwaltung und bezahlte die Erschließungskosten
für ihren Hexenhort.
Dann ging sie zum Metzger und Bäcker, ganz alleine und ohne irgendwelche Komparsen.
Daheim hat sie den Kühlschrank beladen und war sogar beim Diskounter in dieser Sache,
man muß alles einmal erlebt haben, so meinte sie am Abend, schlag-kaputt und bald ist sie
im Wohnzimmer vor dem Fernseher eingeschlafen.
Helene und die Zwillige lachten, Valter lag im anderen Sessel und schnarchte - ganz und gar unaristokratisch
wie ein Walroß.
Man versteht ja sein eigenes Wort nicht mehr, schimpfte er als eine Sendepause war, was ist denn das
für ein Krach?
Alles lachte.
Helene kochte eine dicke Suppe und so machten sich alle auf den Weg zur Sitzecke mit Durchreiche
zur .. Einbauküche, eine ganz bürgerliche Sache, ohne Schnickschnack und Schicki-Micki.
Etwas seltsam schmeckt die Suppe doch, meinte Luisza - als Helene kleinlaut meinte:
Ich dachte, man merkt nicht, dass die Suppe etwas angebrannt ist..
Ach was, das ist nur das spezielle "Toasting" scherzten die Zwillige, das hat man heute so!

Die enormen Veränderungen der von Oswilde und Nachfolger haben sich freilich auch bei Helenes Eltern
und dem Gastwirtspaar herum gesprochen und als Luisza dort mit ihrem "Wagen" vorfuhr, um ihre
Pacht abzuholen, sagte sie nur:
Wir, pardon, ich bin heute eine Andere geworden, das könnt ihr mir glauben.
Ich möchte diesmal aufgiebiger hier Gast sein und fange schon mal an, meinen Pachtertrag zu
verjubeln - ich bitte mir aus, daß man mir hier jeden Mittwoch ein Mittagessen bereitet,
nichts Besonderes bitte, nur das, was es gerade an diesem Tag gibt..
.. einen Kaffee und ein Stückchen Kuchen dazu und schon ist die Pacht bezahlt!
Durch Handschlag abgemacht, wie bei den Bauern oder Geldwechslern und schon
war der Vertrag besiegelt.
Luisza ist öfter dort gewesen, hat aber für die Kost bezahlt.

Inzwischen hat das Finanzamt seinen Teil abkassiert und noch immer war ein
riesiger Betrag auf dem Konto, über welchen Valter mit Argusaugen wachte.
Der Notar und der Anwalt bekamen nur ganz selten Aufträge aus dem Hexenhort,
die Beiden sind aber dort -im Hexenhort- gerne zu Gast gewesen, auch wenn es nur noch
einfache Grillsteaks mit Salaten gab.
Dafür hat der Graf sich wieder einen Weinhang angelegt und im Keller
herum gewerkelt, bald erneut eigenen Sekt vorweisen können.
In der Zwischenzeit hat er sich mit zugekauften Säften beholfen -
aus welchen dies ganz genau so wird oder gelingt, wenn man sich auskennt - alles kein Hexenwerk,
murmelte er vor sich hin.
Mit den Hexentreffen war bald nur noch
einmal im Jahr zur Sonnwendfeier am 21. Juni, wo ein Feuer entfacht wurde,
ein Treffen dieser Leute.
Die Anlage hatte einen kleinen Weinberg am Burghang, mit einem Kräutergärtchen
und war mit vielen Wacholderbüschen umgeben, dazwischen ein paar Trampelpfade, ab und an eine Bank
und ein Tisch davor, unter dem Tisch in der Lade der Sonnenschirm und ein paar Kleinigkeiten.
Valter ließ einen schmiedeeisernen Zaun um den Wein und um das Kräuterbeet errichten,
sonst war alles frei und offen.
Die Rehe kamen und grasten in aller Ruhe zwischen den Naturgehölzen, fast ohne Scheu.
Die Jungen haben sich je einen Hund zugelegt, "Castor und Pollux", Hunde aus dem Tierheim.
Ruhig und dennoch wachsam taten die beiden großen Mischlingshunde ihren Dienst:
Einbrecher würden sofort erwischt werden, ohne Frage, denn die beiden Wächter schliefen
in jeweils der eigenen, isolierten Hundehütte am Burgtor.

Als Julia in den Ferien kam, wäre sie fast aus dem Auto gefallen - hui, eine Burg!
Ihr habt aus der alten kleinen Ruine eine richtige Hexenburg gebaut!
Ja, wir nennen es den Hexenhort, nach einer uralten Fabel.
Wie das so ist, konnte sie nicht viel mit ihren Geschwistern anfangen,
weil die immer so komisch sind, wie sie meinte.
Julia lud erst einmal ein paar Freundinnen ein und machte selbst Sandwich-Brote
in der Küche und holte die Getränke aus dem Kühlschrank.
Gegen früher ist das eine ganz neue Erfahrung, wie sie sagt,
als wir alles gebracht bekamen, durch das Personal angereicht.
Valter hat den Bau des Kellers zweistöckig anlegen lassen, wie zur Hälfte
das wohl früher schon gewesen sein mußte - in diesem untersten Keller
hat damals ein Tunnel nach draußen geführt und darin buddelte Valter nun.
Die Verschüttung war wohl nur aus Gerümpel und alten Zerfalls-Brocken beim Hauseinsturz
passiert und der Gang dahinter war im Fels und intakt.
Langsam tastete er sich darin weiter vor kam bei einem Felsen im Wald heraus,
dessens schmale Spalte keinen Eingang verriet, hier war alles ziemlich dunkel.
Eine natürliche Felsformation war recht treppenähnlich und führte ein wenig
oberhalb des Weges zum Gasthof, früher wohl einmal dort hinab.
Vielleicht gehörten beide Gebäude zusammen, strategisch top gemacht.. griff eine Horde an, kamen die Häscher von hinten!
Mit diesen Gedanken ging er ans Werk, den Gang zu beleuchten und im Wald mit einer
massiven Stahlgittertür zu versehen, dass die Fledermäuse ein und aus können, wie zuvor.
Ein Schild verbot den Zutritt:
Fledermaushöhle, Zutritt verboten!
Der Naturbund Rheinisches Schiefergebirge.

***

Luisza strickte weiter an ihrem Buch "Die Familiensaga von Oswilde"
dann fuhr sie am alten Haus vorbei, um sich einen Eindruck zu verschaffen.
Die Anlage wurde nie weiter ausgebaut, sie blieb wie sie war und immer gut belegt.
Die Köchin kam gerade heraus und begrüßte ihre Freifrau mit einem Hofknicks-
das müssen sie nicht mehr tun, das hat sich erledigt, gute Freundin,
wir leben heute ziemlich bürgerlich im Hexenhort.
Wenn sie möchten und frei haben kann ich sie gerne mitnehmen und wir können
uns dort in Ruhe unterhalten.
So fuhren die beiden im geschrumpften "Landaulet" mit offenem Dach mit Luisza als Fahrerin
in den Hof des Hexenhorts.
Die Beiden unterhielten sich prächtig und waren noch eine Weile auf der Dachterrasse.
Luisza erfuhr, dass die Geschäftsleitung sehr darauf bedacht war, den Habitus des Hauses
zu erhalten, denn ein Adelssitz dieser Art war einmalig auf der Welt.
Aber mehr Nachfrage kam inzwischen aus dem bürgerlichen Lager, wie man sich ausdrückte,
von ehemaligen Politikern und erfolgreichen Leuten aus der Wirtschaft und Militär,
von welchen sich nicht wenige wie Adlige benahmen und über allen anderen Menschen erhaben fühlten.
Julia sprach zu laut in ihr "mobiles Handfernsprecher", wie sich Luisza gerne auf Wienerisch ausdrückte,
daß sie den Prinzen Claude hier auf dem Hexenhort eingeladen habe..
..ohne seine Eltern.
Der Prinz besuchte ebenfalls das Gymnasium, aber mit mäßigem Erfolg.
An ein Studium ist nicht zu denken, sagte er und bereitete sich innerlich längst
auf ein bespottetes Darsein als "Hoheit ohne Macht" in der Arbeitswelt vor.
Meine Eltern sind noch immer im Gefängnis, weil sie erneut versuchten einen
Bankautomaten zu sprengen - mit einer Gaskartusche.
Julia schüttelte den Kopf und war traurig.
Die Hunde schlagen an und so hat man die Türglocke gespart - wie
alle scherzten - der Bürgermeister und seine Frau kamen zu einem spontanen
Besuch vorbei, sie wanderten gerade Richtung Gasthaus und wollten unbedingt
mal "Hallo" sagen.
Denen blieb der Mund offen stehen, als sie in der Küche die Köchin und Luisza
bei einem Omlette sitzen sahen.
Was für eine Überraschung, tretet ein - äh kommen sie doch näher!
Wie sie sehen, ist hier alles "händisch" geworden und man muss sich das Essen
schon selbst bereiten, wenn man etwas haben möchte!
Wenn ihr wollt, können wir auf die Dachterrasse gehen..
Oben sah man gut in die Ferne und hört nur die Vögel singen, ab und an einen Kautz
wenn die Dämmerung kommt und gelegentlich ein Stück Wild.
Die Gäste waren verzückt und staunten.
Eine Seite der Burgmauer trug eine große Solarfläche, als Novum und
sorgte für einiges an Strom-Ernte.
Die nicht gebrauchte Menge wurde in die Beheizung des 1. Kellers gegeben,
der dann als Wärmespeicher für das ganze Haus wirkte.
Eine sehr einfache Schaltung machte das möglich.
Darauf war Valter sehr stolz - wieder eines seiner Projekte.
Er führte das Bürgermeister-Paar durch den Stollen und hinter der Eisengittertür ins Freie,
wo sie sich herzlich verabschiedeten.
Im Gasthaus angekommen, erzählten sie keinem von diesem Geheimnis,
in welches nur sie eingeweiht worden waren.

Julia und Claude verstanden sich noch immer so wie am ersten Tag
und verbrachten die Ferien in vollkommener Harmonie.
Sie gingen in das Eiscafe und ins Kino, schwammen im neuen Badeteich,
wo sie Karl trafen, der sich inzwischen zum Werksleiter empor gearbeitet hat.
Es gab ja so viel zu erzählen und zu tratschen und zu lachen.
Die Beiden sah man auf der großen Naturanlage um die Burg auf einer Decke liegen,
wo sie sich sonnten - die Bienen surrten herum, ab und zu ein Karnickel, das
ziemlich ohne Scheu herum hoppelte.
Eine Flasche Kola und ein eine Schachtel Plätzchen, dann waren die Beiden schon zufrieden.
Die Plätzchen hatte Helene selbst gebacken, darin wurde sie immer besser, besonders in Sachen Vanille-Kipferl.
Bald pflanzte sie Beerenobst und ging am Waldrand Brombeeren sammeln um
eine herrliche Marmelade daraus zu kochen.
Die Uhren gehen hier vollkommen anders als sonstwo, meinten die beiden jungen Leute
auf der Decke - hier liegt es sich wie in einem Cinderella-Film..
Man hat die Beiden nie unziemlich Kontakt aufnehmen sehen, was die Eltern sehr erstaunt hat.
Vorsichtig sind die Kinder, das muß ich sagen, meinte Helene dazu.
Sie sah nicht, wie die Zwei sich andauernd an der Hand hielten.

Plötzlich und unerwartet starb Luisza, sie fiel einfach um und war tot.
Auf der Dachterrasse auf dem Weg zum Liegestuhl.
Ein schöner Tod, so sagten alle, was deutlich über der Trauer um diesen unersetzlichen Verlust
schwebte, wie eine Glocke der Ewigkeit, die jene von Oswilde schon immer umgab.
Sie war die letzte dieser Linie und so erlosch auch ihr Wappen, nicht aber das Andenken an sie.
Ihr Bestattungs-Baum war längst parat.
Das Erbe ging auf das ganz junge Paar, in der Bestimmung, dass diese erst davon erfahren sollen,
wenn die Heirat ansteht.
Valter und Helene hätten im Traume nicht daran gedacht, dieses Testament auch nur anzukratzen.
Luisza wurde in aller Stille, wie man so sagt, beigesetzt,
welcher sich idyllisch in die Freifläche in der Nähe der Hexenburg schmiegte. eben diesmal kein Grab, sondern als Urnenbestattung unter einem Baum mit Blick zur Hexenburg.
Der Name Hexenhort war ja nun fast nicht mehr Gegenstand, denn ohne "Hexe" ist das eben so.

Der 18. Geburtstag Julias kam und sie zog mit ihrem Claude in Luiszas Refugium ein.
In aller Stille haben die Beiden standesamtlich geheiratet und keiner wußte davon -
nur der Bürgermeister und seine Frau, die als Trauzeugen geladen waren.
Valter und Helene waren längst auf eine solche Neuigkeit gefaßt und hatten bereits
genug eigenen Sekt im Kühlschrank gelagert und ein kleines Festessen bereitet.
Gemeinsam, Graf und Gräfin in der Küche, scherzte Claude - was für ein Anblick!
Laß den Quatsch, wir wollen davon nichts mehr wissen, denn diese Zeiten sind wohl definitiv
vorbei und begraben.
Die jungen Leute haben bürgerlich geheiratet, ohne Angabe dieser ererbten Titel und sie haben
auch niemals davon Gebrauch gemacht.
Valter und Helene bewunderten das und meinten:
Die sind uns voraus, laßt uns denen folgen.

Helene hat sich einen gebrauchten Flügel bestellt und ihr Hobby fortgesetzt,
alte Volksweisen zu sammeln.
Bald wurden die letzten Wappen eingemottet in der hintersten Ecke des Kellers verstaut..

Der Notar kam ins Haus und überbrachte dem jungen Paar Dokumente,
in welchen von einem Weinberg und einem Haus darin geschrieben stand,
was seit vielen Jahrzehnten verpachtet wurde.
Bei Bacharach im recht steilen Hang gelegen und mit wunderschönem Blick auf den Rhein.
Etwas abseits der kleinen Stadt und gut erhalten; der Pächter wollte schon vor Jahren in Rente gehen,
aber so recht hat das mit dem Geld nicht geklappt, weshalb er weiter sein
Winzerhandwerk betrieb.
Gemeinsam sind die Beiden mit dem Notar dort hin gefahren und
haben die Sache geregelt.
Nicht lange und das junge Paar zog dort hin und verdingte den Winzer sie gründlich
anzulernen, was dieser auch gerne tat.
Er lebte schon zehn Jahre als Witwer und war froh, daß er endlich wieder Gesellschaft hatte.
Sie arbeiteten im Weinberg und bestellten die Flaschenetiketten mit der Aufschrift:
Edler von Bacharach.
Ein tiefgründiger Rotwein mit samtigem Charakter, auf alte Art gemacht.
Der Wein wurde direkt vermarktet, über das Internet und ist nie in den Laden oder
die Winzereigenossenschaft gelangt.

Valter und Helene haben den Beiden aus Luisza's Hinterlassenschaft
einen gehören Batzen auf das Girokonto gesetzt, so daß diese nicht unbedingt
auf einen guten Abverkauf des Weines angewiesen waren.
Der alte Winzer ist in einer kleinen Einliegerwohnung des Hauses geblieben
und verdiente sich ein Zubrot als Berater und Helfer.
Sie bekamen drei Kinder, ein Mädchen Julia und .. Zwilligs-Jungen,
die wohl sehr lebensfroh und naturverbunden wurden,
während das Mädchen gerne diffizile Dinge bevorzugte..
Die gleichen Namen?
Ja, Claude und Julia wollten die Linie fortsetzen, wie sie das nannten.
Die älteren Geschwister - die Onkels gleichen Namens wurden zu Paten - auch ohne Kirche.

Einer der beiden Zwillinge, der Steffen blieb bei seinen Eltern,
bis auch er in die Ferne entschwand, als Ingenieur für Maschinenbau auf einer Ölplattform.
Theo, der zweite, wurde Ingenieur in einem Biotech-Labor und zog auf Anraten
der Firma nach England in deren Hauptsitz,
beide haben nie geheiratet, noch haben sie allzuoft von sich hören lassen.
Nun waren Valter und Helene wieder alleine in ihrer Hexenburg, ohne Hexe, wie sie gerne scherzten.
Nach und nach sind die beiden Gastwirtspaare verstorben und das Gebäude blieb längere Zeit leer,
bis es langsam, aber sicher zur Ruine zerfiel.
Der Friedwald ist noch lange, lange Jahre gut besucht worden.
Die Winzerfamilie blühte, die beiden Alten auf der Hexenburg sind kurz hintereinander
in hohem Alter verstorben.
Was mit dem vielen Geld auf der örtlichen Bank geschah, ist nicht überliefert und
ob man das Gold gefunden hat, auch nicht.
Man munkelt, daß die kleine Burg von einer alternativen Wohngemeinschaft gekauft worden sei,
die sich darin wohl sehr wohl gefühlt hat.
"Das Haus" jedoch, also die Edelwohnanlage, blieb bestehen und gedieh prächtig,
genau wie der "Hexenbräu" und das "Gräfliche Lagerbier", das die Zeiten überdauerte.







***

Schweißgebadet wachte der Graf in seinem Gemach auf und Helene wunderte sich
doch sehr, was ihrem Gemahl im Kopfe herum gehen mochte.
Er weckte Helene lieber nicht und vergaß den Traum ganz schnell wieder,
er hat niemandem davon jemals etwas erzählt.

Graf Valter ging wie ein geschlagener Hund in die Küche, umarmte die Köchin
und aß etwas von dem restlichen Pudding, der in einer großen Schüssel war.
Was ist denn los, fragte sie.
Ach, das sage ich lieber nicht, ich hatte einen furchtbaren Traum und
so werde ich ein wenig in unserem Leben nachregeln.
Machen sie sich keine Gedanken, es hat nichts mit dem Haus zu tun.

An diesem Tag drückte Graf Valter noch so einige Leute, eigentlich alle
Bediensteten und erst recht seine Frau und seine Kinder, auch die Luisza bekam
von der plötzlichen, handfesten Zuneigung zu spüren.
Überall waren ratlose Gesichter zu sehen und Helene antwortete auf deren Fragen:
Graf Valter muß furchtbar geträumt haben, denn er ist zum Bauunternehmer gefahren
und die Beiden sind mit Angeln abgezogen und einer Kiste Bier und dem Wunsch,
am frühen Abend abgeholt zu werden.

***

Die Ferien begannen und Julia kam nach Hause.
Sie und Claude verstanden sich noch immer so wie am ersten Tag
und verbrachten die Ferien in vollkommener Harmonie.
Sie gingen in das Eiscafe und ins Kino, schwammen im neuen Badeteich,
wo sie Karl trafen, der sich inzwischen zum Lagermeister empor gearbeitet hat.
Es gab ja so viel zu erzählen und zu tratschen und zu lachen.

Am nächsten Tag ging Valter zur kleinen Burg und freute sich, diese als Ruine zu sehen.

Das Haus, wie er das fünfflügelige Gebäude nannte, war voller Leute -
und doch ruhig geblieben, weil die Bediensteten die Sache im Griff hatten.
Im Salon saß Luisza auf ihrem Thron und die Enkelchen spielten zu ihren Füßen mit Bausteinen.
Er dachte nur:
"Oh Gott, Bausteine, wieder Bausteine !".
Die adligen Insassen hatten den Salon und die Privaträume des Mittelbaues
immer geachtet, lediglich der Club war von diesen ruhigen Alten gut frequentiert.
Der Graf war ganz in seinem Element und zog sich in seine Verwaltung im Keller zurück.
Er bekam den Kopf noch immer nicht frei und hoffte, dass dieser Traum nicht evtl. doch ein Fenster
in die Zukunft gewesen sein mochte.

***

Darüber ist er wohl eingeschlafen und erst zum Nachmittag wieder aufgewacht.
Mit den Ellenbogen auf den Schreibtisch gestützt, mit der Brille auf der Nase.
So fand in Helene, die sich etwas erschreckt hat.
Du arbeitest zuviel !
Er fühlte sich wie hundert Jahre alt und alle Knochen schmerzten fürchterlich,
die Beine waren eingeschlafen und am Kopf waren Druckstellen.

***

Der Adel feierte fröhliche Urständ und das nicht selten - aber meistens im Club und
nicht im Salon, den man bestimmt hätte dafür nutzen dürfen.
So begnügten sich die meisten Insassen, ab und an durch diesen Salon zu spazieren,
um diese einzigartige Atmosphäre zu genießen:
Wie im Schloss so prunkvoll und so intakt, wie in den besten Zeiten !
Das Haus galt bald als erste Adresse im Land und wurde gebührend bestaunt.
Im Pavillion an der Einfahrt waren laufend irgendwelche Leute von der Yellowpress,
die sich dort neues Futter für ihre Leser holten.
Die Alten, wie Julia scherzte, haben im Club etwas ausgeheckt:
Ich habe es zufällig mithören müssen, als ich auf dem Vestibül war:
Stellt euch vor, die erfinden Skandale, die man zu Geld machen kann und - unter strengem Ehrenkodex -
die niemandem ernstlich schaden dürfen, aber Geld in die Ausflugskasse bringen und so manche Person
wieder interessant oder attraktiv werden lassen kann..
Valter und Helene lachten herzhaft.

Die Zwillige, Steffen und Theo sind gut in der Schule voran gekommen,
die staatl. Gymnasiallehrer waren sehr zufrieden mit den Beiden.
Julia war vor dem Abitur und wird nach den Ferien sehr eingespannt sein.
Claude war durchgefallen und drehte nun eine Ehrenrunde, wie er sich ausdrückte.
Ihn hat das Theater mit seinen Eltern ziemlich aus der Bahn geworfen.
Wenn ich erst einmal 18 bin, ja dann bauen wir uns gemeinsam etwas auf!
Julia lächelte wie eine Fee, geradezu übernatürlich und zart,
wie Luisza bemerkte.
"Wir sollten denen die Ruine ausbauen, ich habe ich einen alten Stich,
den man als Vorlage nutzen kann - ich spreche mit dem Bauunternehmer!"
Valter war so seltsam blaß und das fiel auf:
Was ist, Valter?
Vermutlich habe ich etwas Falsches gegessen, es wird schon nicht so schlimm sein.
Die Bauarbeiten an der Ruine liefen an, Gas, Strom, Wasser, Abwasser und Telefon wurden verlegt.
Luisa hob von der Bank 50 Scheine ab und bezahlte bei der Gemeinde die Erschließungskosten.
Die Außenanlage der Burg wurde auf 2,5 Hektar mit Holunderbüschen angelegt und Bänke standen
dazwischen, mit einem Tischlein davor, alles aus massivem Holz.
Die Ruine wurde ordentlich befestigt, die Statue blieb, der gepflasterte Hof aus alten Steinen
und ein altertümlich ausschauendes Palasgebäude, exakt so, wie es auf dem alten Stich
zu sehen war.
10 mal 20 Meter groß und mit hohem Spitzdach versehen,
aus soliden Eichenbalken mit bestem Schiefer eingedeckt, der extra aus Schweden geholt wurde.
Ein normaler Keller war darunter und kein Geheimgang, einfach nur mit Felsgrund
und einer Tiefgarage im halben Keller, damit keine Garage die Optik stört.
Das Denkmalamt war sehr zufrieden mit dem Ausbau.
Luisa meinte:
Befestigungsanlagen sind heute nicht mehr gefragt, es gibt keine Ritter mehr, nicht wahr?
Diese Hexenburg schenke ich den Beiden zur Hochzeit -
einrichten sollen die sich selber, denn jungen Leute haben einen anderen Geschmack.

***

Der Graf hat diesen Bauarbeiten nicht beigewohnt und ist lieber in seinen Verwaltungsräumen geblieben.
Warum das so war, hat er niemandem erzählt.
Er war froh, sich hierher zurück ziehen zu können, keine weiteren Verpflichtungen mit der Brauerei
und anderen Baumaßnahmen mehr zu haben, die ihn belasten.
Man wird nicht jünger, sagte er zu sich und merkte dabei nicht einmal, daß dies Luisza's Spruch war.
Steffen und Theo sind beim Bauunternehmer in einem Praktikum angemeldet,
weil die Schule das so vorschrieb und haben sich dabei jedoch sehr wohl gefühlt.
Handarbeit fanden sie wunderbar und nicht so abstrakt, wie sie sich ausdrückten.

Luisza führte ein ruhiges Leben und war dennoch oft mit dem Flitzer unterwegs,
hier war nun echte individuelle Mobilität im Alter, die ihr sehr gefiel.
Endlich war sie frei und unbeobachtet, konnte fix mal hier und mal dort vorbei schauen,
wie es ihr gerade in den Sinn kam.
Im Gasthaus war alles wunderbar, dort hat sie eigentlich meistens ihren Mittagstisch genommen.
Die Unterhaltung war auf jeden Fall gegeben und "unten" erfuhr man vom "Oberhaus",
was alle interessiert aufnahmen.
Irgendwie fehlt an diesem seltsamen Schloß nur noch der richtige Name,
sann die Frau des alten Pächters der Gaststätte nach.
Siegelschloß?
Das ist der Punkt, der mich immer an dem Haus gestört hat, murmelte Luisza vor sich hin,
aber gerade so laut, daß es die beiden Paare vernehmen konnten.
Villa Siegelhort ?
Helenes Mutter hatte den Nerv getroffen und so gab Luisza dem Haus endlich einen Namen.
Diese Bezeichnung klang nach uraltem Adel und exakt das war es, was die Insassen suchten.

Valter sorgte für die Anbringung des Namens in Goldbuchstaben "Villa Siegelhort" über dem Portal und
an den Toren und in den Korrespondenzen, bis zur Webadresse.
Helene war zufrieden mit diesem Namen, der würdig und doch zurückhaltend genug war,
um - Angesichts der Hoheiten in diesem Hause - noch als "bescheiden" durchzugehen.
Die Insassen bekamen von der Hausverwaltung jeweils edle Briefmappen mit dem Hauswappen
und dem in goldnen Lettern ausgeführten Hausnamen ausgehändigt, in welche -mit vorheriger Absprache-
die Namen und Zusätze der jeweiligen Bewohner eingefügt worden waren.
Die Druckerei war sehr zufrieden mit diesem edlen Auftrag, der zu aller Zufriedenheit ausgeführt wurde.

Der "Familienbus" war fortan immer im Einsatz, bis spät am Abend zuweilen, was dem Chauffeur
einiges an Trinkgeld einbrachte.
Julia und Claude haben in ihrer Verliebtheit nicht einmal den Ausbau der kleinen Burg mitbekommen,
weil sie mit sich selbst viel zu beschäftigt gewesen sind.
Die Beiden gingen nur vom Park zur Terrasse und von dort in die Küche, ab und an auf Julias Zimmer.
Das sah Helene mit Argusaugen und wachsam, aber es geschah wohl nichts, was sie hätte beunruhigen können.
Als die Schulzeit hinter den Beiden lag, haben sie gleich ans Heiraten gedacht -
heimlich sind sie in die Kirche eingetreten und haben in Bacharach am Rhein
mit einigem Pomp und Getöse geheiratet, wobei nur die engsten Verwandten eingeladen waren.
Danach sind sie in die Flitterwochen gefahren:
Zu ihrer persönlichen kleinen Burgruine mit neuem Palas in der Nähe der Villa Siegelhort.
Praktisch sind sie ins Hochzeitsgeschenk eingezogen, so scherzte Luisza.
(Die sehr rote Backen hatte, während der ganzen Aktion)
Später hat Valter die Julia gefragt:
Wieso habt ihr in Bacharach geheiratet?
Nun, weil dort die Claudes Eltern untergekommen sind, sie haben dort einen kleinen Weinberg
und ein ebenso kleines altes Haus von ihren Großeltern geerbt, in welchem sie nun wohnen
und Wein verkaufen:
"Edler von Bacharach" genannt.
Valter war ganz bleich und still, bedankte sich und ging wieder..
Julia fragte Claude ob er etwas wisse und er schüttelte nur den Kopf.
Nein, ich habe ich auch sehr gewundert.
Ich bin schon froh, daß sich meine Eltern berappelt haben und nicht mehr auf den Titel
setzen, der sowieso nur lächerlich gewirkt hätte, bei dem Leben, das sie heute führen.
Mit Adelstiteln wollen meine Eltern nie wieder etwas zu tun haben und in die Villa Siegelhort
gingen sie auch nicht, garantiert nie wieder, wie sie versicherten.

***

Das junge Prinzenpaar zog in die alte Hexenburg, richtete sich modern ein
und genoß erst einmal Flitter- WOCHEN.
Bei der gemeinsamen Gartenarbeit kam mehr Zufriedenheit auf, als sie sich je erträumten.
Gemeinsamkeit war denen eben alles und so fanden die Beiden auch eine Beschäftigung,
die recht spannend war:
Sie kauften sich einen gebrauchten Reisebus und machten die Führerscheine dazu,
ließen dieses Gefährt in Ordnung bringen und neu lackieren:
Romantische Touren zu den Burgen und Schlössern Deutschlands.
Jeweils Wochenreisen im Pauschalangebot mit Übernachtungen und Vollservice.
Die Reisefreudigen genossen es, von einem echten Prinz mit seiner Prinzessin gefahren zu werden..

Wenn die Beiden wieder in ihrer Hexenburg waren, ruhten sie sich aus und fanden sich beim
Sonnenuntergang auf ihrer Heide ein, beim Glase "Edler von Bacharach".

***

Die Zwillinge haben mit der Lehre im Maurerhandwerk begonnen und sannen danach auf
den Meistertitel.

Die Verwaltung der Villa Siegelhort wurde mit einem Verwalterehepaar besetzt,
nach gleichem Muster wie damals in der Brauerei, ein junge Paar, das bereits
Verwaltungserfahrungen besaß, hat sich im Ort schnell finden lassen:
Die Beiden waren heilfroh, dass sie nicht mehr in die Metropole pendeln mußten -
er war beim Finanzamt und sie in einer Steuerberater - und Anwaltskanzlei beschäftigt..
Die Beiden machten - nach einem viertel Jahr an Einarbeitungszeit ihren Job
genau so, wie dieser vorgeben worden war, mitsamt den Insassen-Obliegenheiten.
Der Graf und die Gräfin wurden nur geholt, wenn etwas unklar war oder ein großes Arbeitsaufkommen
oder Steuerprüfungen anstanden, wo ein zusätzliches, externer Steuerfachmann oder Notar oder Anwalt
blitzschnell zugeschaltet werden durften.

Nun hatten die Eigentümer endlich den Rücken frei, wie man so schön sagt.


Valter schrieb eine Kolumne auf der Terrasse in sein Laptop ein,
welche den "Wandel der Zeiten" zum Thema hat.
Er schrieb davon, wie pragmatisch oder reaktionär die Menschen seien und davon,
was man immer schon tat oder tun mußte, um nicht aufzufallen,
nicht anzuecken und keinen Ärger zu erregen.
Er schrieb davon, daß man sich fügen müsse und den Gegebenheiten beugen,
ob das die Gesetze Moses oder die Gesetze des Staates
oder der unserer neuen Religionen sind, ist eigentlich Jacke wie Hose.
Man macht mit, will weiter kommen und gesellschaftlich dazu gehören,
mitschwimmen und es im Leben zu etwas bringen:
So ist man in Vereinen, in Parteien und Gewerkschaften, Religionen
bis zur freiwilligen Feuerwehr Mitglied - und wird anerkannt.
Man sollte, so sann er nach, eigentlich eine Partei der Parteilosen
und einen Verein der Vereinslosen gründen,
für diejenigen, die keine eigene Meinung oder Absicht oder Interessen
in diesen Dingen haben finden oder entwickeln können:
Vorwärts Kameraden, wir müssen zurück!
Man geht somit zur Wahl,
um daran teilgenommen zu haben, seiner Verpflichtung nachgekommen zu sein,
und damit die Nachbarn oder Freunde oder Kollegen nicht über einen redeten.
Man ist in möglichst vielen Vereinen, breit gestreut,
weil eben diese "Connection" für sich oder die Kinder
irgendwann nutzen kann um einen Job oder Bauplatz etc. zu ergattern.
Dieser kennt jenen und jener einen anderen Mitbürger.
Seilschaftentaktik ohne das Bewußtsein darum, einfach als Lebens- und Freizeitinhalt?
Der eigentliche Wandel der Zeit kommt immer von außen oder von oben,
nie aber von den kleinen Leuten,
die bekanntlich noch immer die damals im Kaiserreich ausgegebene Devise:
Ruhe ist die erste Bürgerpflicht
im Hinterkopf hatten und das auch beharrlich und unmerklich in ihrem Leben umsetzten.
Radikalitäten waren den allermeisten Leuten schon immer fremd, genau wie Demonstrationen.
So akzeptiert man lieber den Muhezzin und drastische Veränderungen der Arbeitswelten,
als einen Unmut darüber laut werden zu lassen.
"Was soll denn der Nachbar denken?"
Jeder wählte "seine" Partei, blieb in "seinem" Verein und fiel lieber nicht auf:
Die Fassade war wie aus Stein, auch wenn das nur ein Tuffstein war,
der inzwischen von gesellschaftlichen Mühlsteinen angenagt
und angekratzt wird, die ihre eigene Existenz oder zumindest deren Traditionen
und Denken immer ein Stücklein weiter abbröseln ließ.
Der Adel hatte als Führung längst abgedankt und ist zur Restsache geworden,
wie bei einer Haushaltsentrümplung
und so kam dieser neue Aktenschrank in die Wohnung, pardon in das Land:
Justitia läßt grüßen und lobte sich selbst als Herrscher aus,
welcher alle Dinge des Staates regelte,
klein, haarklein, kritzeklein,
bis alle ihre Stricke um die Denkmuster und Verhalten gelegt bekamen,
die wie ein Netz um den Rollbraten wirken.
Dieser Apparat wollte bezahlt werden und deshalb kamen auf die Steuern
nochmal Steuern und auf Gebühren nochmal eine Steuer,
denn Ordnung muß bekanntlich sein, gell?
Wohin die Reise geht, bestimmte nun eine Großwetterlage,
die sich aus den Wolken der Wirtschaft und Industrie,
aus dem einst profanen Handel und Wandel ergab.
Die Seilschaften gingen weiter und nannten sich dabei nur ein wenig anders:
Lobbyisten, Wirtschaftrat, Kommissare,
Interessensvertreter und ähnliche Wortkonstrukte,
mit denen man die neue Aufteilung der Macht umschrieb, umwölkte,
um bei dieser Metapher zu bleiben.
Immer mehr alte Gruppen, ob Adel oder Flüchtling,
ob Bedienster oder Arbeitsloser, ob Rentner
oder Jugendlicher gerieten in diese Strudel,
aus denen es kein Entrinnen gab.
Nur die Religionen, die hat man nicht fassen können,
die behielten ihre eigenen Gerichtsbarkeiten
und Zonen der Unangreifbarkeit, die jene weidlich ausnutzten und ausbauten,
um diese obige Würgeschlange eines schönen Tages
unterhöhlen zu können um selbst an die Macht zu kommen.
Wer sich also zeitig in die Mitgliedschaft einer solchen großen "Staatsreligion" begab,
war also auf der sicheren Seite.
Der Adel wollte in eben diese Startlöcher treten,
die aber längst zuvor durch die Religionen
geflutet worden waren - zu spät und wer zu spät kommt,
den bestraft das Leben!
Diese Kolumne wurde in nur wenigen Zeitungen abgedruckt,
hat sich aber dennoch weltweit schnell verbreitet,
ohne das Geringste bewirkt zu haben:
Was gedacht werden darf, sollte nun auch noch vorgeschrieben sein,
denn auf einem Bein steht man nicht allein..
und das hat wohl der neue "Bildungsbürger" bewirkt,
welcher Texte in obiger Länge als "heute nicht mehr lesekompabibel" einstuft
und zur Kürze anmahnt.
Interessant ist, daß ebensolche Leute ellenlange Gesetzestexte schustern und
diese auch noch mit zig und zig "Präambeln" und Nachsätzen und Anhängen verzieren,
bis zur vollkommenen Unverständlichkeit.
Der Staat ließ immer mehr Fremdheiten zu und wandte sich damit gegen
seine eigene Bevölkerung, die sich nicht mehr wehrte, ja nicht mehr wehren durfte
um nicht als "ausländerfeindlich" eingestuft oder gebranntmarkt zu werden.
Der Adel drückte ab und an nochmal einen Politiker in die Parteien,
die aber von den neuen heimlichen Linken in allen diesen Organisationen
konzertiert mundtot gemacht worden sind.
Jeder Versuch die Einheimischen zu bündeln, wurde sofort torpetiert,
schon in den Anfängen und als "rechts" tituliert und "enttarnt".
Wozu eigentlich, sinnierte er, warum macht man das?
Sein Hirn gab sich gleich selbst die Antwort:
Wohlhabende Staaten sollen innerhalb der Gemeinschaft auf ein gemeinsames
Niveau herab geregelt werden - mit allen ideologischen Mitteln -
sonst zerbricht an diesem Spannungsfeld der sowieso nur sehr rudimentäre Zusammenhalt
zwischen Nord und Süd, Ost und West.
Und dieses Downgrading geht eben am einfachsten durch Konkurrenz in den eigenen Reihen
der Bevölkerung, durch Billigkräfte - niemand sah den nachschleichenden politischen
Islam, der sich kreidefressend als Religion, denn als kulturelle Diktatur tarnte.
Die Giftpflanze "Gender" hat sogar die Presse mundtot gemacht, die eigentlich die 4. Gewalt im Staate sein soll!
(Die staatliche Gewalt ist aufgeteilt: Die legislative oder gesetzgebende, die exekutive oder vollziehende und die judikative oder die Recht sprechende Gewalt sollen sich gegenseitig kontrollieren und staatliche Macht begrenzen, die vierte Gewalt oder vierte Macht wird als Ausdruck für die Massenmedien wie Presse und Rundfunk verwendet und dann kamen die Lobbyisten aus dem Unterholz..)
Ach, säufzte er, ist ja doch für die Füße gedacht und geschrieben
-niemand soll mir eines Tages nachsagen können.. oder:
o si tacuisses, philosophus mansisses !





Fortsetzung unten:

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