Und was kann mehr entzücken, als ein freier Rücken, meinte Helene dazu..
Das junge Paar war nun aus dem Wege, die Zwillinge unter Dach und Fach,
Luisza ging ihrer eigenen Intention nach und war ausgelastet,
was sie frisch und munter hielt.
Sie fuhr auch gerne mit Claude und Julia im Reisebus auf Tour,
welche inzwischen auch Höhlenbesichtigungen und Panoramatouren im Programm hatten.
Fahrten zu Theater - und Opernaufführungen, Musicals und ähnlichen Events,
an denen besonders ältere Leute ihre Freude hatten, waren die Renner.
Ihr kleines Unternehmen lief prima.
Valter und Helene waren am liebsten auf der Terrasse oder sind ein wenig
wandern gegangen, als sie unterwegs von einem Gerücht hörten, das ihr Haus betraf.
Wie Wanderer eben so sind, tratschen die ganz gerne mal am Zaun, wo man eben
zufällig jemanden trifft, der ebenso gesprächsbereit ist:
Keiner kennt keinen, das macht alles leichter.
"Haben sie schon gehört?
Die da in der Adelsburg sollen bankrott sein,
insolvent sozusagen, was wohl daher kommt, dass die sich verspekuliert haben bei den Geldanlagen"
Nein, das haben wir noch nicht gehört, so Helene, aber ich kann ihnen sagen,
daß wir uns dafür interessieren.
Wer hat dieses Gerücht in die Welt gesetzt?
Das kann man nicht genau sagen, es kam aus der Ecke der Turn-AG, welche
von der Frau des Bankdirektors geleitet wird.
Ich habe das zumindest in dieser Weise vernommen.
Das ist ja lustig, wenn es nicht so traurig wäre, sagte Valter,
wir halten sie auf dem Laufenden.
Wir verraten sie nicht und forschen in aller Ruhe nach und werden
dann diese Sache aufklären und Bescheid sagen, was daraus geworden ist.
Ein richtiger Kleinstadt-Krimi bahnt sich an..
***
Luisza hat sich unauffällig im Cafe und in einem typischen Tratsch-Laden umgehört,
sie hat Interesse an der Turn - AG geheuchelt und so manches gehört,
aber nichts von einem Gerücht, was das Haus betraf.
Sie heuerte einen Arbeitslosen an, von denen immer einige vor dem Cafe saßen
und bat diesen, die Ohren ein wenig aufzuhalten.
Es solle sein Schaden nicht sein, sagte die Freifrau gütig.
Sie wartete inzwischen in einem Lokal bei einem 2. Frühstück und las die Zeitung.
Dieser Rentner-Eindruck, dachte sie, ist immer noch die beste Tarnung..
nach einer Stunde kam der Mann in das Lokal, bestellte sich ein kleines Essen
und ein Bier.
Er hob danach an und sagte:
Der Gemüsehändler hat wohl aus Wut, daß die Küche des Hauses keine Waren von ihm
beziehen wollte, durch seine Frau, die ebenfalls in dieser Turn- AG ist,
eine Tretmine gelegt:
"Ich habe gehört, daß "im Blättchen" eine Bonitäts-Warnung" dazu abgedruckt war,
diese Mitteilungen sollten nur für Gewerbetreibende zu lesen sein,
die sich damit
vor Schuldnern schützen.
Aha.
Und das hat man so einfach geglaubt?
Weniger, aber dieses Gerücht kam auch bei der Bank an und so tuschelt man auch dort,
obwohl die Höhe der Bankeinlage eigentlich bekannt sein müßte.
Ja, meinte Luisza, aber in dieses Konto kann nur der Direktor schauen, nicht jedoch
die Schalterbediensteten..
Luisza zahlte dem Informanten sein Essen und ein gutes Geld, dieser
dankte und grüßte:
Immer gern, gnä' Frau, immer gern zu Diensten!
Er gab Luisza seine Telefonnummer und wenn wieder einmal etwas geregelt werden müsse,
sei er gerne bereit, incognito sozusagen.
Luisza ließ den Zeitungsreporter kommen und ging mit diesem zur Bank,
um das Konto aufzulösen:
Der Bankdirektor war entsetzt und versprach hoch und heilig, daß sich solche Dinge
nicht mehr wiederholen würden und er wäre untröstlich, weil die Villa Siegelhort und
erst recht die beiden persönlichen Konten der Inhaber über jeden Verdacht erhaben,
ja die am besten gefüllten des ganzen Bezirks seien - seit Jahr und Tag schon.
Sie sah von der Kündigung ab und nahm den Reporter am Arm:
So, nun berichten sie mal recht schön.
Das tat er dann auch !
***
Die Zeit geht weiter, wie sie das gewöhnt ist und macht dabei weder vor Groß noch vor Klein Halt.
Die Alten aus der Villa Siegelhort waren eben keine "alten Leute" oder gar "Altersheim - Bewohner",
sondern Privatiers und Hochwohlgeborene, die es sich leisten konnten, unter sich zu bleiben.
Diesen Unterschied spürte man überall im Hause.
Die Dienstboten machten eine Verbeugung oder Hofknicks, dann gab es Trinkgeld.
Eine Gruppe Krimi-Freunde traf sich im Club, wo gerade ein Autor eine Lesung seines neuen Werkes hielt.
Gebannt lauschte man auf den feinen Polsterstühlen, geräuschlos wurden ein paar erlesene Spirituosen
ausgeschenkt - der Butler wußte bald ganz genau, welche Person welches Getränk zu welcher Zeit
"zu sich nahm" und wann nicht.
Ansonsten hatten hier Fremde auf keinen Fall Zutritt.
Niemand wollte bei einem Nickerchen erwischt werden, das war klar - aber kaum einer ist nicht mal eben kurz "eingenickt" - na und?
Dicke Teppiche dämmten die Schritte bis zur Geräuschlosigkeit ab.
Diese eigentliche Bibiliothek war auch ein Lesesaal, in dem eben Stille herrschen mußte.
Die gediegene Ausstattung ließ eher an ein Schloß denken, als an eine Villa -
diese Bezeichnung war ganz bewußt - tiefstapeln - hier hatte man die sonst übliche Angeberei
nicht nötig, da waren sich alle einig.
Wir sind ja unter uns und da kann man gerne ein wenig lockerer sein, nicht wahr?
Selbst wenn einige im Morgenmantel durch das Haus schritten, war dieses Kleidungsstück
noch immer ein paar Mal so teuer, wie bei manchen Leuten der Sonntags - Anzug.
Der Graf ging gerne im dunkelgrünen Morgenmantel aus Samt mit feiner Goldkettelung
und dem ebensolchen Barett - mit Feder dran - in den Salon,
zumindest früh am Morgen oder spät am Abend.
Sein Wappen prankte dezent auf der Brusttasche.
Das Personal hütete sich noch immer, über die Herrschaften zu witzeln oder zu tuscheln -
nur die Köchin sagte ab und an einmal:
Mein Gott, wie hat Helene sie wieder rausgeputzt, Graf Valter !
Er lächelte und wußte wohl um ihren mütterlichen Humor, den er von keinem anderen Menschen
geduldet hätte.
Das sagte sie auch nur, wenn es sonst niemand hören konnte.
Das Leben in einem solchen Hause hat seinen eigenen Rhythmus,
wobei er über dieses seltsame Wort immer und immer wieder stolperte.
Valter ging sehr früh am Tag in die Verwaltung, schaute mal hier und mal da,
bevor die Verwalter kamen.
Information ist alles, sagte er zur - ebenfalls schlaflosen - Luisza.
Sehr tüchtig, Valter, sehr tüchtig, ich sehe das ebenso.
Man darf die Kontrolle niemals abgeben, die Arbeit jedoch, die kann man delegieren,
den Überblick muß man schon selbst behalten.
Valter fand alles in Ordnung vor und so ging er nochmal schnell in den privaten Bereich des
weitläufigen Kellers, der nur ihm, Helene und Luisza vorbehalten war,
wo er sich umzog, einen Arbeitskittel antat und fleißig räumte.
Ein uralter Schreibtisch aus Transsilvanien wurde wieder aufgestellt, ein
ebenso alter Stuhl dazu, vor der Platte an Wand zwischen den Kaminen,
die nun die beiden Wappen trug.
Er setzte noch ein paar Sicherheitsmaßnahmen ein und zog sich von Zeit zu Zeit
hier zurück, wenn es im Sommer zu heiß war oder er seine Ruhe brauchte.
Diese Steinplatte war auch im heißesten Sommer immer seltsam kalt..
Luisza kam ab und an vorbei und schaute in die Familien - Alben oder in die Chronik
des Hauses, die fortlaufend eingepflegt worden ist.
Valter ließ den Zugang zu den restlichen Kellerräumen vermauern - nicht grundlos..
In den Mauern waren Hohlräume, wie in der Tür, die mit zähen Nylonfäden und Metallspänen gefüllt wurden,
(Abfallmaterial)
die Maurer wunderten sich über dieses angebliche Dämm-Material.
Ein Bohrer wäre daran festgelaufen..
Bei so vielen Menschen im Haus kann man nie so ganz genau wissen, wer sich alles
in welchen Räumen bewegt oder.. sich Zugang verschafft.
Die Würde des Hauses spiegelte sich selbst in diesem Kellerraum, ganz ohne Frage.
***
Helene kam von der Bank und war ein wenig verärgert, weil die Modalitäten
anders geworden waren - ein anderer Chef, andere Schalter, andere Sicherheitsbestimmungen.
Warum nehmen sie sich nicht unsere "goldne" Kreditkarte?
Wieso?
Wozu brauche ich einen Kredit?
Das sagt man heute so, mit dieser Karte können sie bargeldlos zahlen und brauchen sich
keine Sorgen zu machen, sie sind damit immer flüssig.
Was ist das denn?
Nun, ich verstehe ja Spaß, aber das nehme ich ihnen nicht so ganz ab..
Wir haben so etwas nicht nötig, sagte sie - und bevorzugen unsere althergebrachten Zahlungsmethoden.
Ich bin zwar noch lange nicht so alt wie die Freifrau, bin aber ganz deren Meinung.
Schauen sie, meinte Helene, wenn ich zum Beispiel ein Auto oder Haus kaufen möchte,
dann braucht der Verkäufer nicht warten, bis die Bank ihr "ok" gibt, das wird bar bezahlt.
In Anwesenheit des Notars, der sich um die vertraglichen Dinge kümmert -
wir lesen uns solche Profanitäten wie "Datenschutz" oder "AGB" und "Kleingedrucktes" nicht durch.
Der Bankchef wurde ein wenig blaß, sah sich das Konto auf dem Monitor an, welcher hinter dem
Tresen versteckt angebracht war und wurde nochmal blasser.
Sie haben mehrere Konten bei uns, ist das richtig?
So ist es.
Er öffnete diese alle nach und nach, wo Helene zeichnungsberechtigt oder als Inhaberin
eingetragen ist und stammelte nur noch:
Darf ich ihnen einen Stuhl holen oder möchten sie zu mir in den Sicherheitstrakt kommen?
Wir beabsichtigen Gold zu kaufen und das möglichst günstig,
wir haben noch ein Eisen im Feuer mit zwei anderen Anbietern und
nehmen selbstverständlich das für uns passende Angebot.
Wir bringen einen Sachverständigen mit, der immer dabei ist, sowie einen Notaren oder Anwalt.
Wir sind an einer Größenordnung von xx Millionen interessiert, wobei noch mehr als genug
auf den Konten verbleiben würde.
Unserer Familie geht es um die Sicherheit der Wertanlage, nicht um die Rendite.
Das Gold wird sowieso eingeschmolzen und als 28gr Stück mit dem gräflichen Siegel versehen
und in einem Depot in Luxembourg eingelagert für schlechte Zeiten.
Wie schon seit tausend Jahren in dieser Linie.
Der Bankchef war der Ohnmacht nahe, verstand die Gräfin nur in ihren Worten,
nicht aber im Sinn ihrer Sprache, die wie aus einer fernen alten Zeit klang.
Helene parkte mit dem smart vor dem Schaufenster der Bank und kam nicht mit einem riesigen Luxuswagen.
Der Mann stotterte nur noch herum und bedankte sich für den Auftrag nicht einmal,
sondern wollte einen Fertigkaffee bringen..
Nein danke, ich nehme den Kaffee lieber im Salon, ich muß jetzt weiter,
bis zur Terminabsprache also.
Das hat sich Valter schon bald gedacht und nur noch gefeixt:
"Wie schon seit tausend Jahren"
Das sieht man dir nicht einmal an!
Nun hör' aber auf, damit scherzt man nicht - ich weiß schon, daß mein Spiegel die Wahrheit sagt..
man alberte nur, wenn keine anderen Leute dabei waren, Lisza ausgenommen, die gerade
um die Ecke kam:
"Was gibt es hier zu kichern?"
Helene erklärte die Sache nochmal und meinte:
Ich glaube nicht, daß die Bank sich bei uns meldet - und wenn, dann abschlägig.
Mit dem Geld können die "arbeiten", mit dem Golde nicht
und die zahlen kaum etwas an Zinsen
für die Geldeinlagen - wie schön!
Und so kam das auch, kein Anruf erfolgte.
Keine Terminvereinbarung.
Die Drei waren sich einig- wir lösen die privaten Konten auf
und behalten nur noch das Geschäftskonto des Hauses,
auf welchem die nötigen Umlaufgelder geparkt werden.
Sie avisierten die Auszahlung persönlich am Schalter, legten die Autorisierungen vor
und erhielten bald einen Geldtransporter vor das Portal der Villa Siegelhort.
Dort wurde das Geld in Packen in Empfang genommen, frisch von der Zentralbank und
versiegelt und geprüft.
***
Die Holländer kamen und hatten bereits ihre Kollektion mitgebracht.
Der Handel war kein Problem, die Bewirtung im Salon ebenfalls nicht -
alles lief wie am Schnürchen.
Der Graf schmolz mit dem bewährten Öfchen das Gold und goß seine Münzen daraus,
die freilich nur Medaillen sein durften, denn auf Münzen war das staatl. Monopol.
Das ebenfalls bewährte Siegel kam darauf und dann wurde "eingelagert".
Zur Tarnung hat Valter bei der Bank im Ort ein Golddepot eröffnet, wo er
"ein paar Kilo" Gold einlagern ließ, falls Erpresser auf den Gedanken kommen,
auf das Geschwätz der Leute hin - man weiß ja nie!
Das Golddepot muss wohl durchgesickert sein, daß der Graf ein paar kleinere Goldbarren
und Krügerrands über den Tresen schob, um dieses dort einzulagern,
Das haben ein paar Angestellte der Bank gesehen.
Daheim sagte er nur:
Eine Million ist doch nun zu überblicken, nicht wahr?
Auf diese Weise hat er vom Versteck im Haus abgelenkt.
Deshalb sollten ein paar Angestellte dieses Bank - Depot - wie zufällig - kennen.
***
Die Drei zahlten am liebsten in diesen "Goldmünzen des Hauses", den "alten Familienreserven",
wie Luisza sich feierlich auszudrücken beliebte,
was aber so gut wie nicht mehr vorgekommen ist:
Alles fertig, alles war längst abgewickelt.
Die Reingewinne aus der Vermietung gingen in das familiäre Girokonto
und waren zum Verbrauch bestimmt, zum "verjubeln", wie Helene sagte..
Das Golddepot bei der Bank wurde im Testament als Eigentum Julias und Claudes
eingetragen,
aber davon wußten eben nur die Drei, damit keine Eltern in die Suppe spucken konnten.
Steffen und Theo gingen eigene Wege, Theo heiratete innerhalb des Adels
und lebte in Namur zur Miete und verdingte sich in einem Betrieb als Ingenieur,
er wurde auf Messen geschickt, wegen seiner Deutschkenntnisse.
In dieser Firma war die Baroness Anneleen als Vorzimmerdame eingestellt,
so kam man sich näher.
Steffen hatte "weniger Glück", er mußte mit der Tochter des Bauunternehmers vorlieb nehmen,
wie sich Luisza ein wenig herablassend ausdrückte.
Steffen wollte auf keinen Fall seinen Adelstitel angeben und heirate bürgerlich
und benahm sich bürgerlich - wer ihn mit "Euer Hoheit" ansprach - zum Beispiel
unter jungen Burschen auf der Kirmes, bekam er "eine auf's Maul",
wie der Bauunternehmer seinem Freund, dem Grafen erzählte.
So ein grober Klotz, meinte Helene - dabei war das immer so ein zartes Kind.
Das kann ich nicht bestätigen, so benimmt der sich hier bei uns nicht.
Steffen hat ordentlich Kraft und die setzt er auch ein.
Unsere Nana, also die Sabine, ist ganz vernarrt in ihren Prinzen.
(So nennt sie Steffen nur wenn es dieser nicht hören kann)
Theo kam mit seiner neuen Familie zu Besuch in die Villa Siegelhort
und es ward ein großer Empfang gegeben.
Die Familie war im Freiherrenstand
des alten Uradels und zwar schon seit dem alten römischen Konsulargeschlecht der Coeli(i),
was eigentlich Unionierte bedeutet oder bedeuten könnte.
Anneleen war sehr anmutig und eine echte Baronesse, vom Scheitel bis zur Sohle.
Sie war mit ihren Eltern angereist und ohne Dienstboten.
Der Wagen wurde von der Baronesse selbst gesteuert, weil ihre
Eltern im Dunkeln nicht mehr so sicher waren und .. Dienstboten hatten sie schon lange keine mehr.
Wir haben nur eine Haushälterin und eine Putzfrau, die zweimal die Woche kommt,
so sprach die Freifrau aus Belgien, wir haben auch keine Burg oder so etwas,
sondern wohnen in einem Bungalow am Stadtrand.
Und wie ich sehe, fuhr sie fort, bewohnen sie noch heute ein sehr großes Haus!
Das kann sich bei uns niemand mehr leisten, die Unterhaltskosten wären viel zu hoch.
Wir leben von einem Papier- und Buchhandel und kommen gut über die Runden,
aber eben nur, wenn wir mit den Füßen auf dem Boden bleiben.
Der Adel hat eben heutzutage keine Steuern von den Bürgern zu erhalten, das war einmal !
Das war der Punkt, auf den die Luisza gewartet hatte.
Nun kommen sie doch bitte erst einmal in den Salon, der Diener wird ihnen die Sachen abnehmen.
Der Kamin war angeheizt, Helene spielte gerade ihre Volkslieder und notierte sich im Notenheft
ein paar Stellen.
Luisza setzte sich in ihren "Thron" und wartete ab, was da kommen mag.
Graf Valter kam im Morgenmantel und mit seinem Barett und schaute ein wenig verwirrt -
ein Empfang und warum weiß ich nichts davon?
Luisza stellte Valter vor und alle waren von seiner Erscheinung und Haltung beeindruckt.
Das belgische Paar schaute sich an und meinte leise:
Daher hat Theo seine Art !
Graf Valter klatschte in die Hände und das Personal kam und deckte die Kaffeetafel ein,
mit wertvollstem Besteck und Geschirren und erlesenstem Konfekt und Kuchen.
Luisza schaute ein wenig ärgerlich, als sich die Service-Kräfte mit Hofknicks rückwärts gehend
zurück zogen - das wird wieder teuer!
Die belgische Familie kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als Helene mit Bach anfing
und in ein leichtes Potpourrie der Klassik überging, das von den Seitenflügeln der Orangerie her
mit Geigen und Violinen begleitet wurde.
Helene setzte sich nun ebenfalls zu Tisch und die Musikergruppe, die eigens engagiert worden war,
spielte leise Salonmusik.
Die riesigen Lüster wurden gedimmt und man unterhielt sich über dies und das.
Ach, meinte Luisza leutseelig, wir bewohnen ja nur dein Mittelteil des Hause,
kaum größer als einer der Flügel, das reicht uns schon.
Darf ich sie später zum kleinen Abendbrot auf die Terrasse bitten, dort sollen Häppchen
serviert werden, ein einfaches und leichtes Mahl zur Nacht, mit ein wenig Champagner,
den der Hausherr selbst gemacht hat?
***
Die Leute waren genau so begeistert, wie alle zuvor, die hier im Hause zu Gast waren.
Der Graf hatte vor dem Besuch die Fahnen aufziehen lassen, die auf dem "Söller"
oder besser auf den Außenflügeln des Hauses (wo die Zinnen sind) aufgestellt wurden.
Die Gäste blieben eine Woche und haben sich alles genau angeschaut und gewundert,
wie man eine solche große Anlage derart in Schuß halten kann.
Wir wollen den Hopfengarten, wie er die mehrere Hektar großen Felder benannte,
der Brauerei verpachtet lassen, weil wir eben keine Bauern sind und das Land
für uns nicht benötigen, sonst wäre der Park viel zu groß geworden.
Es reicht, wenn man darin ein wenig spazieren gehen kann, denn wir haben kein Schloß,
sondern nur ein Haus - nicht wahr?
Verhaltenes Lachen folgte, wobei der Graf sein Taschentuch vor seinen Mund hielt und
auf die Mauer zu sprechen kam.
Das ist so eine Mischung aus Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und Sicherheit,
denn hier klettert so schnell keiner drüber.
In den letzten Jahren ist sehr viel seltsames Volk unterwegs und die Polizei
kann schließlich nicht überall sein, gell?
Da kam gerade eine Streife der Sicherheit mit ihren Hunden vorbei, die
für diese Woche Doppelschichten fuhr.
Still salutierend gingen sie vorüber.
Bald kamen sie an der Kiwi-Anlage vorbei, die ein Projekt des jungen Gärtners war
und an den Weinstöcken oder Reben, dort hat die Köchin ihre frischen Kräuter und Salate,
wir haben freilich auch ein Rosenrondell, das meine Frau pflegt und hegt.
Die Kieswege sind das kontemplative Hobby von einer Menge der Insassen, deshalb
stehen hier auch überall Rechen herum.
Boule wird dort gespielt, bei der Außen-Schach-Anlage.
Jenes ist ein Gymnastik - Parkour, wir haben auch eine kleine Kneippsche Anlage zu bieten.
Im Keller ist der Saunabereich und die Schwimmhalle, Lagerräume und der Tanzclub.
Bis weit unter den Rasen geht vom 2. Keller aus die Kegelbahn.
Neben der Kegelbahn ist der ABC - Schutzraum, wenn wir uns im Falle eines Angriffs zurück ziehen müssen.
Bei Bedarf wird aus dem Salon ein Kino, wenn auf der Leinwand alte Streifen flimmern.
Die großen Lautsprecher sind verborgen.
Auf den beiden großen Dachterrassen sind die Liegewiesen, wo auch das Tontaubenschießen
stattfindet, nach den Seiten hin, dort wo niemand läuft während dieser Zeit.
Deshalb sind an den Flügeln des Hauses diese Überdachungen angebracht,
wo man trockenen Fußes um das Haus herum spazieren kann, auch wenn es regnet.
Was wir nicht haben, ist eine Klimaanlage, die ist bei diesen Mauern noch
nie nötig geworden, nicht wahr, Helene?
Gewiß mein Gemahl, gewiß, hier ist es immer kühl.
Waren für heute nicht die Latinos angemeldet, mit ihrer Mariachi - Musik?
Die werden sich wohl verspätet haben oder sind am Flughafen aufgehalten worden.
***
In der Orangerie ging das Licht zu beiden Seiten an, die Türen schwangen auf
und die ersten Töne drangen heraus in die Frühlingsluft.
La Cucaracha, la Cucaracha..
Die ZuhörerInnen saßen schon längst auf der Terrasse vor dem Salon und
hatten typisch mexikanische Spezialitäten auf dem eingehängten Tischchen an den Stühlen,
lauschten und schnippten den Takt dazu.
ein paar tanzten und die Luft war lau.
Eine Tänzerin und ein Tänzer der Gesangsgruppe boten ihre Künste auf
und die Hausbewohner waren begeistert.
Das Konzert hat der Club finanziert, sagte eine der Bewohnerinnen zu den Gästen,
einmal im Monat leisten wir uns auch mal was, verstehen sie?
Die Belgier konnten das nicht fassen und staunten.
Der Abend kam und ein dutzend Serviererinnen in perfekter Ausstattung brachten mexikanische Häppchen als Abendbrot.
Tief beeindruckt gingen sie zu Bett und haben noch lange davon erzählt, wie
sie bei Hofe empfangen wurden und das haben sie nicht im Scherz gesagt.
***
Anneleens Eltern fuhren wieder nach Hause, das junge Paar war schon drei Tage vorher abgereist,
weil beide arbeiten mußten.
Was hier nicht paßt, ist diese automobile Tiefstapelei, so meinte die belgische Freifrau
zu ihrem Gatten, als sie auf der Autobahn waren.
Wenn du meinst - ich war in der Remise und der Chauffeur hat mir ein paar Bilder gezeigt
und den Familienbus vorgestellt.. unglaublich so etwas.
Bei denen geht es nicht einmal um den Besitz des Hauses, der Anlagen drumherum,
sondern viel eher habe ich den Eindruck, daß dort noch viel mehr dahinter steckt.
(Wie recht die Besucher hatten, ahnten sie kaum)
***
Das Geld läuft gut in die Kassen der Villa Siegelhort, das darf man sagen,
so der Bankier, wie die das machen ist mir ein Rätsel.
Nebenbei haben sie die alte kleine Burg instand gesetzt und diese Mauer bauen lassen,
die schon alleine ein Vermögen wert ist.
Ein seltsames Altenheim, das darf man ruhig sagen, meinte der Bürgermeister dazu,
die machen sich ein tolles Leben, besser als auf einem Kreuzfahrtschiff.
Und es schaukelt nicht so, scherzte seine Frau.
Nur der Prinz Steffen ist aus der Art geschlagen, nicht wahr?
Ja, der Junge arbeitet hart und verdient sich sein Geld schon,
das hat mir der Bauunternehmer versichert.
So war das Haus, pardon, die Villa Siegelhort immer ein beliebtes Gesprächsthema im Ort
und weit darüber hinaus.
***
Valter und Helene sind die Wandertour noch einmal gegangen und haben bei den
Leuten im Dorf, von denen sie vom angeblichen Bankrott des Hauses hörten,
gesprochen und die Hintergründe erzählt, wie dieses Gerücht entstanden war.
Dann kamen sie an der Autowerkstatt vorbei, wo der Inhaber an einem Oldtimer arbeitete.
Er war bekannt dafür, daß er Verbindungen hatte und schon etliche seltene Wagen neu aufgebaut und gut verkauft hatte.
Nach ein paar Takten verbindlichen Worten gingen sie nach Hause.
Valter war ein Weile so seltsam still, als Helene fragte:
Was grübelst du denn?
Ach na ja, ich dachte nur an ein bestimmtes Fahrzeug,
aber diese Zeit haben wir ja nun hinter uns, gell?
https://www.mart ini-racing.com/produkt/mercedes-benz-770-grosse-600-landaulet/
Sie wollte gar nichts weiter wissen und fragen.
Der Reisebus von Julia und Claude hatte Vollbeschäftigung und die Beiden ihren Spaß,
Langeweile war denen immer schon ein Fremdwort gewesen.
Auch ohne große Worte verstanden sich die beiden Jungen, wie am ersten Tag.
Eines Tages war Julia so sonderbar zumute und sie brauchte eine Tüte..
einige der weiblichen Gäste wußten freilich sofort Bescheid,
die Männer vermuteten die Schaukelei des Fahrzeugs als Grund.
Eine der Reisenden meinte lakonisch:
Männer merken aber auch rein gar nichts.
Es kam der Tag, da blieb Julia lieber zuhause und ihre Mutter Helene war
in dieser Zeit oft bei ihr.
Die Zeit der Niederkunft war da und ein kleiner dicker Knabe ward zur Welt gebracht.
Bei Steffen und Nana kamen Zwillinge zur Welt, zwei Mädchen.
Der Junge war Laurens und die Mädchen taufte man Lisa und Lola.
Bei beiden Paaren ist es dabei geblieben, man wollte keine weiteren Kinder,
aus welchen Gründen auch immer.
Heute kann man sich das Leben schon eher einrichten, als in den alten Zeiten,
meinte Luisza dazu.
Überhaupt war Helene und Luisza als Großmutter und "Urgroßmutter" nunmehr gut ausgelastet.
Zumindest bei Julia, denn Nana hatte ihre Mutter ganz in der Nähe und die war
nun schließlich ebenso Großmutter geworden, die sich auf keinen Fall von den Adelsdamen
verdrängen lassen wollte, in ihrem eigenen Haus.
Das haben Luisza und Helene freilich gut verstehen können.
Die beiden jungen Familien haben nichts miteinander zu schaffen gehabt,
die Gegensätze waren viel zu arg.
Das dicke Baby, wie man Laurens gerne nennt, ist ein spaßiges Kerlchen,
der alle Leute auf Trab hält.
Claude ist den Bus noch eine Weile gefahren, bis er ihn wieder verkaufte
und sich als Reisefachmann mit einem Büro in der Stadt selbständig gemacht hat.
Die Geschäfte liefen mal gut, mal weniger gut, je nach Konjunktur.
Die junge Familie war zufrieden und froh in dem Palas der kleinen alten Burg.
Mit einem Kind waren die Palasbewohner vollauf zufrieden,
keine der beiden jungen Familien wollte dieses Glück erneut versuchen und weiteren Nachwuchs haben.
Heute muß man sich sehr kümmern und dann wird die Arbeit schnell zuviel, war man sich einig,
was selten vorkam.
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