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Kräuterdeber 10
Ihm war klar: Kinder wollte sie keine haben - ob es an ihr oder an dem Geschiedenen lag, war dabei egal.
Ausprobieren war erst einmal nicht drin und vermutlich hat sie davon auch die Nase voll. Es gibt im Leben
wichtigere Dinge, z.B. Vertrauen und Wärme, Geborgenheit und ein stilles Glück, das viel länger anhält als das
recht kurze Strohfeuer der Leidenschaft junger und illusionistischerer Jahre. Sie ging bald von außen zu Werke,
stellte die Leiter an und besserte aus, was bröselig geworden ist. Sie konnte sogar mit Maurermörtel umgehen!
Danach gab es diese Gestern-Abend-noch-frisch-Pizza und sie ging ins Bad. Deber spülte ab und las noch ein wenig,
dann hat ihn "das Wasser" gedrückt. Als er die Tür aufmachte, traf in fast der Schlag - sie war in der Wanne und
wusch sich ungeniert. Bleib- und mach dein Geschäft, ich hoffe nur, daß es kein großes wird - beide lachten.
Diese Art Vertrautheit war Deber total fremd und darüber mußte er noch lange nachdenken.
Sein Patent, vom Zapfhahn des heizbaren Waschkessels aus einen Schlauch ins Bad zu legen, funktionierte sogar mit Gefälledruck, weil der Kessel draußen auf einem Podest steht- aus Bequemlichkeitsgründen!
Den Nachmittag haben sie gemeinsam auf der Gartenbank verbracht und Kaffee getrunken und gelesen, still,
in aller Ruhe und Bescheidenheit, total ungestört. Denn kaum jemand wußte von dem Leben hier in der Remise und
schon einmal gar nicht von der neuen Bewohnerin, die sich ungeniert in die Sonne legte, sowie sich die Gelegenheit ergab.. hinter die Remise zum Kräutergarten kam nie jemand,
die kleine Wiese ist uneinsehbar.
Debers Briefkasten war an der Backsteinsäule an dem Einfahrtstor
zum Grundstück, niemand ahnte, daß der Hausherr gar nicht im Haus wohnhaft war. Wenn - was ganz selten vorkam -
ein Päckchen oder Einschreiben kam, ging das in die Parterre-Wohnung, so hatte man sich verabredet.
(Dafür durften die Kinder eben mal was, was sie in Mietshäusern eben nicht dürfen: Laut spielen.)
Was Deber nicht klar wurde und weshalb er die Gelegenheit für seine Frage nutzte, war:
Ich verstehe nicht ganz, wie du mit meinen Verhältnissen hier in der Remise zurande kommst oder damit
zufrieden sein kannst! Sie schmunzelte nur und meinte nach einer ganzen Weile: Weißt du, wir haben immer nur
auf das geachtet, was man von uns hält, wie man uns einstuft und wie etwas auf Besucher wirkt. Mehr scheinen als sein,
so nennt man das wohl. Immer das neueste Auto auf Raten, denn die Raten sieht ja keiner. Immer mit weiten Reisen
prahlen und Ansichtskarten an Leute schicken, die man eigentlich nicht mag. Mein Mann, pardon ehemaliger Mann
sieht gut aus und ist erfolgreich in seinem Beruf, aber menschlich ist er aus Holz. Im Beruf bin ich eine sogenannte
Vorzimmer-Eule, immer adrett und freundlich, wie die Damen am Flugschalter. Diese Fassade kann ich halten,
aber privat komme ich damit nicht hin, ich bin ganz anders. Eigentlich bin ich lieber in der freien Natur,
da wo keiner ist und kein Verkehr ist, abseits sozusagen und hier in der Remise ist man ganz allein, wenn man
das will. Übrigens ist mein Geld angekommen - ich teile das gerne mir dir, wenn du wert darauf legst. Nein, sagte er,
ich danke recht schön, aber gespart habe ich Einiges und brauchen, brauchen kann ich Geld nur als Mittel zum Zweck, bestimmt
nicht als Selbstzweck. Eine Frau im Haus macht erst die Gemütlichkeit aus, ein alter Spruch bewahrheitet sich doch
immer wieder, ging es ihm durch den Kopf. Eine Frau im Haus.. ein paar Tage später sah er ihr in die Augen
und meinte, als er sich sicher war: Es klopft an der Tür. Wo - ich höre nichts! Als sie öffnete, standen dort
zwei Musikanten, die aufspielten und Kerzen waren aufgestellt. Jede Menge Kerzen. Er hielt um ihre Hand an und
hatte auch gleich die Ringe dabei - in dieser Woche noch haben die beiden standesamtlich geheiratet.. so kann das
gehen! Er wachte aus seinem Traum auf und rieb sich die Augen, keine Sibylla, keine Badewanne, keine Musikanten,
keine Kerzen, keine Ringe, kein fremdes Auto im Hof, nur spielende Kinder, die lautstark mit Blechdosen kickten..
die Flecke an der Wand waren noch da, die Teetasse stand dort wo sie immer stand, keine Frauenwäsche über
dem Ohrenbackensessel. Was ein schneller scheuer Blick im Supermarkt in einer unbedachten Stunde alles bewirken kann !
Nicht einmal das Gespräch fand statt, dämmerte es ihm. Ich werde alt, vermutlich müssen einige Schrauben nachgezogen werden.
Danach verlief sein Leben so wie es immer war, tagein, tagaus, ohne Überraschungen und ohne Krankheiten.
Er war dieses Leben zufrieden und wollte garantiert nie wieder daran rütteln.
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